Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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leichte, schnelle Schritte trappelten auf der oberen Treppe, kamen mit einem Sprung auf dem Treppenabsatz an und trappelten schneller als zuvor die untere Treppe hinunter. Im nächsten Augenblick stürzte die jüngste von Mrs. Vanstones beiden Töchtern (und ihrer einzigen noch lebenden Kinder) mit der Plötzlichkeit eines Lichtblitzes auf den düsteren Eichenstufen ins Blickfeld, und nachdem sie die letzten drei Stufen zur Halle mit einem Satz überwunden hatte, war der Familienkreis komplett.

      Durch eine jener seltsamen Launen der Natur, die immer noch von der Wissenschaft unerklärt bleiben, zeigte das jüngste von Mr. Vanstones Kindern keine erkennbare Ähnlichkeit mit einem seiner Eltern. Wie war sie zu ihren Haaren gekommen? Wie war sie zu ihren Augen gekommen? Selbst ihr Vater und ihre Mutter hatten sich solche Fragen gestellt, als sie zum Mädchen heranwuchs, und waren, was eine Antwort anging, schmerzlich ratlos gewesen. Ihre Haare hatten jenen rein hellbraunen Farbton, der nicht mit Flachsfarbe, Gelb oder Rot vermischt ist und den man am Gefieder eines Vogels häufiger sieht als an einem Menschen. Sie waren weich und üppig und fielen von der niedrigen Stirn in regelmäßigen Wellen herab – aber für manchen Geschmack waren sie trist und tot mit ihrem völligen Mangel an Glanz, mit ihrer eintönigen Reinheit der einfachen, hellen Farbe. Augenbrauen und Wimpern waren einen Hauch dunkler als die Haare und schienen wie gemacht für jene violettblauen Augen, die ihren unwiderstehlichsten Charme versprühen, wenn sie sich mit einem hellen Teint verbinden. Aber genau an dieser Stelle hielt ihr Gesicht verblüffenderweise nicht, was es versprach. Die Augen, die dunkel hätten sein sollen, waren unbegreiflicherweise unpassend hell; sie waren von jenem nahezu farblosen Grau, das zwar für sich wenig anziehend wirkt, zum Ausgleich aber das seltene Verdienst besitzt, die feinsten Abstufungen der Gedanken, das tiefste Ungemach der Leidenschaft mit einer so erhabenen Durchsichtigkeit des Ausdrucks zu deuten, dass keine dunkleren Augen an sie heranreichen. Während also der obere Teil ihres Gesichts ein wunderlicher Widerspruch in sich war, wich der untere weniger von den anerkannten Vorstellungen von Harmonie ab. Ihre Lippen hatten die wahrhaft weibliche Zartheit der Form, ihre Wangen die liebenswürdige Rundlichkeit und Glätte der Jugend – aber der Mund war zu groß und fest, das Kinn zu eckig und kräftig für ihr Alter und Geschlecht. Ihr Teint hatte teil an der reinen Eintönigkeit des Farbtons, die auch ihre Haare kennzeichnete – er war überall von der gleichen weichen, warmen, cremigen Helligkeit, ohne einen Hauch von Farbe auf den Wangen, außer bei Gelegenheiten ungewöhnlicher körperlicher Anstrengung oder plötzlicher geistiger Verwirrung. Zusätzlichen Eindruck machte der ganze Gesichtsausdruck, der mit seinen krass gegensätzlichen Merkmalen so bemerkenswert war, durch seine ungewöhnliche Beweglichkeit. Die großen, leuchtenden, hellgrauen Augen standen kaum einmal still; alle Ausdrucksformen folgten in dem flexiblen, sich ständig verändernden Gesicht aufeinander, und das mit einer schwindelerregenden Schnelligkeit, die jede nüchterne Analyse im Rennen weit hinter sich ließ. Die überschäumende Lebenslust des Mädchens machte sich überall an ihr bemerkbar, von Kopf bis Fuß. Ihre Gestalt – größer als ihre Schwester, größer als eine durchschnittliche Frau; ausgestattet mit einer so verführerischen, schlangenhaften Geschmeidigkeit, so leicht und spielerisch anmutig, dass ihre Bewegungen ganz von selbst an eine junge Katze denken ließen – diese Gestalt war bereits vollkommen entwickelt, und niemand hätte bei ihrem Anblick vermutet, dass sie erst achtzehn war. Sie blühte in der völligen körperlichen Reife von zwanzig Jahren oder mehr – blühte natürlich und unwiderstehlich kraft ihrer unvergleichlichen Gesundheit und Stärke. Hier lag in Wahrheit der Urquell dieser so eigenartig aufgebauten Konstitution. Ihr überstürzter Lauf die Treppe hinunter; die lebhafte Aktivität aller ihrer Bewegungen; die unaufhörlich sprühenden Funken ihres Gesichtsausdrucks; die reizvolle Fröhlichkeit, die noch das Herz des ruhigsten Menschen im Sturm eroberte; selbst das unbekümmerte Schwelgen in hellen Farben, das sich an ihrem leuchtend bunt gestreiften Morgenkleid zeigte, in den flatternden Bändern, den kleinen, scharlachroten Röschen auf ihren hübschen kleinen Schuhen – all das entsprang aus derselben Quelle: aus der überschäumenden körperlichen Gesundheit, die jeden Muskel kräftigte, jeden Nerv stützte und das warme junge Blut durch ihre Adern schießen ließ wie das Blut eines heranwachsenden Kindes.

      Als sie das Frühstückszimmer betrat, wurde sie mit den gewohnten Vorhaltungen begrüßt, die ihre kapriziöse Missachtung jeglicher Pünktlichkeit bei den leidgeprüften Haushaltsvorständen provozierte. Oder, wie Miss Garth es am liebsten ausdrückte: „Magdalen wurde mit allen Sinnen geboren – außer mit dem Sinn für Ordnung.“

      Magdalen! War es nicht seltsam, dass man ihr diesen Namen gegeben hatte? Ja, seltsam, in der Tat; und doch war er unter nicht ungewöhnlichen Umständen ausgewählt worden. Den gleichen Namen hatte eine von Mr. Vanstones Schwestern getragen, und die war schon in früher Jugend gestorben. In liebevoller Erinnerung hatte er seine zweite Tochter nach ihr benannt – genau wie er seine älteste Tochter seiner Frau zuliebe Norah genannt hatte. Magdalen! Der große, alte, biblische Name – ein Name, der an eine traurige, düstere Würde denken lässt; der als erste Assoziation schwermütige Gedanken an Reue und Abgeschiedenheit heraufbeschwört – war doch hier sicher angesichts der Ereignisse, wie sie sich herausgestellt hatten, unzutreffenderweise vergeben worden? Dieses so widersprüchliche Mädchen hatte widersinnigerweise einen weiteren Widerspruch zuwege gebracht, in dem sie sich zu einer Persönlichkeit entwickelte, die jeden Einklang mit ihrem Vornamen vermissen ließ.

      „Wieder einmal zu spät!“, sagte Mrs. Vanstone, als Magdalen sie atemlos küsste.

      „Wieder einmal zu spät“, pflichtete Miss Garth bei, als Magdalen danach zu ihr kam. „Nun?“, fuhr sie fort, wobei sie vertraulich nach dem Kinn des Mädchens griff; ihre halb spöttische, halb liebevolle Aufmerksamkeit verriet, dass die jüngste Tochter trotz aller ihrer Fehler der Liebling der Gouvernante war. „Nun? Und wie war das Konzert für dich? Welche Form des Leidens hat die Zerstreuung heute Morgen in deinem Organismus hervorgerufen?

      „Leiden!“, echote Magdalen, die ihren Atem und mit ihm auch die Beherrschung der Zunge wiedergewonnen hatte. „Ich weiß gar nicht, was das Wort bedeutet: Wenn mit mir überhaupt etwas los ist, dann geht es mir zu gut. Leiden! Ich bin bereit für das nächste Konzert heute Abend, und morgen einen Ball, und übermorgen ein Theaterstück. Ach“, rief Magdalen, wobei sie sich auf einen Stuhl fallen ließ und die Hände verzückt auf dem Tisch faltete, „wie ich das Vergnügen liebe“.

      „Nicht doch, das ist ja geradezu unanständig“, sagte Miss Garth. „Ich glaube, Pope muss dich im Sinn gehabt haben, als er seine berühmten Zeilen schrieb:

      Verteilt ist Scherz und Ernst in Männerbrust,

      Doch jede Frau im Herzen frönt der Lust.

      „Den Teufel tut sie!“, rief Mr. Vanstone. Er hatte, die Hunde an seinen Fersen, das Zimmer betreten, während Miss Garth ihr Zitat von sich gab. „Nun ja, leben und lernen. Wenn sie alle der Lust frönen, Miss Garth, sind die Geschlechter ganz gehörig auf den Kopf gestellt; und den Männern bleibt dann nichts anderes übrig, als zu Hause zu bleiben und die Socken zu stopfen. Jetzt wollen wir aber frühstücken!“

      „Wie geht’s, Papa?“, fragte Magdalen und schlang Mr. Vanstone so ungestüm den Arm um den Hals, als gehörte er zu irgendeiner größeren Art von Neufundländern und solle nach Belieben seiner Tochter mit ihr herumtollen. „Ich bin die Vergnügungssüchtige, von der Miss Garth spricht; und ich möchte noch einmal zu einem Konzert gehen – oder zu einem Schauspiel, wenn es dir lieber ist – oder zu einem Ball, wenn du das bevorzugst – oder zu allem anderen, was dem Vergnügen dient, mir ein neues Kleid verschafft, mich in eine Menschenmenge eintauchen lässt, mich mit einer Menge Licht beleuchtet und mir ganz und gar, von Kopf bis Fuß, ein aufgeregtes Prickeln verursacht. Mir ist alles recht, so lange wir nicht um elf Uhr ins Bett gehen müssen.“

      Mr. Vanstone ließ sich unter dem Redefluss seiner Tochter in aller Ruhe auf einem Stuhl nieder wie ein Mann, der verbale Sturzbäche von dieser Seite durchaus gewohnt war. „Wenn es mir erlaubt ist, das nächste Mal unter den Vergnügungen meine Wahl zu treffen“, sagte der würdige Gentleman, „so glaube ich, dass ein Schauspiel mir mehr zusagen würde als

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