Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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gedauert hat. Es hat dreimal zwischendurch aufgehört. Jedes Mal haben wir gedacht, es sei fertig, und geklatscht und uns gefreut, dass wir es hinter uns hatten. Aber dann ging es zu unserer großen Überraschung und Demütigung wieder weiter, bis wir verzweifelt aufgaben und uns wünschten, wir wären in Jericho. Norah, mein Liebling! Als wir vierzig Minuten Krach-Bum gehört haben, mit drei Pausen dazwischen, wie haben sie das genannt?“

      „Eine Symphonie, Papa“, erwiderte Norah.

      „Ja, du lieber alter Grufti, eine Symphonie von dem großen Beethoven!“, fügte Magdalen hinzu. „Du willst doch nicht etwa sagen, dass es dir keinen Spaß gemacht hat? Hast du die Ausländerin mit dem gelben Gesicht und dem unaussprechlichen Namen vergessen? Weißt du nicht mehr, was sie beim Singen für ein Gesicht gezogen hat? Und wie sie einen Knicks nach dem anderen gemacht hat, bis sie die dummen Leute überlistet hatte, so dass sie da capo gerufen haben? Sieh mal hier, Mama, sehen Sie hier, Miss Garth!“

      Sie griff sich vom Tisch einen leeren Teller, hielt ihn wie ein Notenblatt in der üblichen Konzerthaltung vor sich hin und ahmte die Grimassen und Verbeugungen der unglückseligen Sängerin so genau und originalgetreu nach, dass ihr Vater in Gelächter ausbrach; sogar der Diener, der in diesem Augenblick mit der Posttasche hereingekommen war, eilte schnell wieder aus dem Zimmer und beging die Unbotmäßigkeit, es seinem Herrn auf der anderen Seite der Tür hörbar nachzumachen.

      „Briefe, Papa. Ich will den Schlüssel“, sagte Magdalen und begab sich mit der unbekümmerten Plötzlichkeit, die ein Kennzeichen aller ihrer Handlungen war, von der Imitation am Frühstückstisch zu der Posttasche auf der Anrichte.

      Mr. Vanstone suchte in seinen Taschen und schüttelte den Kopf. Auch wenn seine jüngste Tochter ihm ansonsten vielleicht in nichts ähnelte, so war doch leicht zu erkennen, woher Magdalen ihre unsystematischen Gewohnheiten hatte.

      „Ich wage zu behaupten, dass ich ihn zusammen mit meinen anderen Schlüsseln in der Bibliothek gelassen habe“, sagte Mr. Vanstone. „Geh doch bitte und sieh nach, mein Liebling.“

      „Du solltest wirklich auf Magdalen aufpassen“, bat Mrs. Vanstone, an ihren Mann gewandt, nachdem ihre Tochter das Zimmer verlassen hatte. „Diese Gewohnheit, andere nachzumachen, wird bei ihr immer stärker; und zu dir spricht sie mit einer Leichtfertigkeit, die zu hören wirklich erschreckend ist.“

      „Genau was ich gesagt habe, bis ich müde war, es ständig zu wiederholen“, bemerkte Miss Garth. „Sie behandelt Mr. Vanstone, als wäre er so etwas wie ihr kleiner Bruder.“

      „Du bist ja auch in allem anderen so freundlich zu uns, Papa, und du machst freundliche Zugeständnisse an Magdalens Ausgelassenheit – ist es nicht so?“, sagte die ruhige Norah und ergriff damit die Partei ihres Vaters und ihrer Schwester; an der Oberfläche ließ sie dabei so wenig Entschlossenheit erkennen, dass nur die wenigsten Beobachter scharfsinnig genug gewesen wären, dahinter den echten Gehalt zu erkennen.

      „Ich danke dir, mein Liebes“, sagte der gutmütige Mr. Vanstone. „Ich danke dir für deine sehr hübsche Rede. Und was Magdalen angeht“, fuhr er fort, wobei er sich an seine Frau und Miss Garth wandte, „sie ist ein ungezähmtes Fohlen. Lasst sie auf der Koppel umhertollen und ausschlagen, wie es ihrem Herzen entspricht. Es ist noch Zeit genug, ihr den Zaum anzulegen, wenn sie ein wenig älter ist.“

      Die Tür öffnete sich, und Magdalen kam mit dem Schlüssel zurück. Sie öffnete die Posttasche auf der Anrichte und schüttete die Briefe auf einen Haufen. Fröhlich hatte sie in noch nicht einmal einer Minute die Umschläge sortiert. Sie kam mit vollen Händen an den Frühstückstisch und verteilte die Briefe mit der geschäftsmäßigen Schnelligkeit eines Londoner Postboten.

      „Zwei für Norah“, verkündete sie und fing bei ihrer Schwester an. „Drei für Miss Garth. Für Mama keiner. Einer für mich. Und die anderen sechs alle für Papa. Du fauler alter Schatz, du beantwortest doch nicht gern Briefe, oder?“, fuhr Magdalen fort, wobei sie die Rolle des Postboten ablegte und wieder die der Tochter annahm. „Da wirst du in deinem Arbeitszimmer wieder maulen und herumzappeln! Und du wirst dir wünschen, es gäbe auf der ganzen Welt keine Briefe! Und wie rot wird dein alter Kahlkopf auf der Oberseite werden, wenn du dich bemühst, die Antworten zu schreiben“ Das Bristol Theatre ist geöffnet, Papa“, flüsterte sie ihrem Vater plötzlich verschmitzt ins Ohr; „das habe ich in der Zeitung gelesen, als ich in die Bibliothek gegangen bin und den Schlüssel geholt habe. Gehen wir doch morgen Abend hin!“

      Während seine Tochter noch plapperte, sah Mr. Vanstone mechanisch seine Briefe durch. Die ersten vier drehte er nacheinander um und blickte achtlos auf die Adressen. Als er zum fünften kam, richtete sich seine Aufmerksamkeit, die er bisher Magdalen zugewandt hatte, auf den Poststempel.

      Über ihn gebeugt und mit dem Kopf auf seiner Schulter, konnte Magdalen den Stempel ebenso deutlich sehen wie ihr Vater: New Orleans.

      „Ein Brief aus Amerika, Papa!“, rief sie. „Wen kennst du denn in New Orleans?“

      In dem Augenblick, als Magdalen diese Worte aussprach, zuckte Mrs. Vanstone zusammen und blickte erwartungsvoll zu ihrem Mann.

      Mr. Vanstone sagte nichts. In aller Ruhe nahm er den Arm seiner Tochter von seinem Hals, als wollte er sich von allen Störungen befreien. Also kehrte sie zu ihrem Platz am Frühstückstisch zurück. Ihr Vater hielt, den Brief in der Hand, eine Zeit lang inne, ohne ihn zu öffnen; ihre Mutter sah ihn währenddessen mit einer ungeduldigen, erwartungsvollen Aufmerksamkeit an, die Miss Garth ebenso auffiel wie Norah und Magdalen.

      Nachdem er eine Minute oder länger gezögert hatte, öffnete Mr. Vanstone den Brief. Sobald er die ersten Zeilen gelesen hatte, veränderte sich die Farbe seines Gesichts; seine Wangen nahmen einen stumpfen, gelblichbraunen Ton an, der bei einem weniger rotgesichtigen Mann aschfahl gewirkt hätte; im gleichen Augenblick wurde sein Gesichtsausdruck traurig und düster. Norah und Magdalen sahen ihn ängstlich an, konnten aber nichts erkennen außer der Veränderung, die mit ihrem Vater vorging. Allein Miss Garth beobachtete, welche Wirkung die Veränderung bei der aufmerksamen Dame des Hauses hervorrief.

      Es war nicht die Wirkung, mit der sie oder sonst irgendjemand gerechnet hatte. Mrs. Vanstone sah nicht beunruhigt, sondern eher erregt aus. Ein schwaches Rosa machte sich auf ihren Wangen breit, und in ihre Augen trat ein Leuchten. Immer wieder rührte sie den Tee in ihrer Tasse um – unruhig und ungeduldig, wie es sonst nicht ihre Art war.

      Wie üblich brach Magdalen in ihrer Eigenschaft als verwöhntes Kind zuerst das Schweigen.

      „Was ist denn los, Papa?“, fragte sie.

      „Nichts“, sagte Mr. Vanstone knapp, ohne zu ihr aufzublicken.

      „Aber da ist doch ganz bestimmt etwas“, beharrte Magdalen. „In diesem Brief aus Amerika stehen doch sicher schlechte Nachrichten.“

      „In dem Brief steht nichts, was dich betrifft“, erwiderte Mr. Vanstone.

      Es war die erste direkte Zurückweisung, die Magdalen jemals von ihrem Vater erlebt hatte. Sie sah ihn mit einer ungläubigen Überraschung an, die unter weniger ernsten Umständen unwiderstehlich absurd gewirkt hätte.

      Mehr wurde nicht gesprochen. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben saß die ganze Familie unbehaglich schweigend um den Frühstückstisch. Mr. Vanstones gesunder morgendlicher Appetit war wie seine gesunde morgendliche Stimmung verschwunden. Geistesabwesend brach er ein paar Brocken von dem trockenen Toast auf dem Ständer vor ihm ab, geistesabwesend leerte er seine erste Tasse Tee – und verlangte nach einer zweiten, die er unberührt vor sich stehen ließ.

      „Norah“,

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