Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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des tödlichen Konflikts mit den erwachten Kräften des Bösen zu werden?

      Auf der Schwelle zu dieser grausigen Schlussfolgerung schreckte Miss Garth voller Entsetzen zurück. Ihr Herz war das Herz einer wahren Frau. Es nahm die Überzeugung hin, die Norah in ihrer Liebe höher steigen ließ, und wies den Zweifel zurück, der drohte, Magdalen tiefer sinken zu lassen. Sie erhob sich und ging ungeduldig im Zimmer auf und ab; mit verärgerter Plötzlichkeit zuckte sie vor dem ganzen Gedankengang zurück, mit dem sich ihr Geist noch einen Augenblick zuvor beschäftigt hatte. Was wäre, wenn es in der Stärke von Magdalens Charakter gefährliche Elemente gab? War es dann nicht ihre Pflicht, dem Mädchen im Kampf gegen sich selbst zu helfen? Wie hatte sie diese Pflicht bisher erfüllt? Sie hatte sich von ersten Ängsten und ersten Eindrücken leiten lassen; sie hatte nie abgewartet, ob Magdalens offen eingestandene Tat dieses Vormittags nicht auf eine sich selbst aufopfernde Tapferkeit schließen ließ, die im weiteren Leben die edelsten und beständigsten Folgen versprach. Sie hatte Norah gehen und diese Worte der sanften Zurechtweisung sprechen lassen, die sie zuerst selbst hätte aussprechen sollen. „Ach“, dachte sie bitter, „wie lange lebe ich schon in dieser Welt, und wie wenig habe ich bis heute über meine eigenen Schwächen und Boshaftigkeiten gewusst!“

      Die Tür des Zimmers öffnete sich. Norah kam herein, wie sie hinausgegangen war: allein.

      „Können Sie sich erinnern, dass Sie etwas auf dem kleinen Tisch bei der Sitzbank im Garten liegen gelassen haben?“, fragte sie leise.

      Bevor Miss Garth antworten konnte, streckte sie ihr das Testament und den Brief ihres Vaters entgegen.

      „Magdalen ist zurückgekommen, nachdem Sie gegangen waren“, sagte sie, „und hat diese letzten Überbleibsel gefunden. Sie hat gehört, wie Mr. Pendril gesagt hat, sie seien ihr und mein Erbe. Als ich in den Garten kam, las sie gerade den Brief. Es war nicht notwendig, dass ich mit ihr sprach; unser Vater hatte aus dem Grab mit ihr gesprochen. Sehen Sie, wie sie ihm zugehört hat!“

      Sie deutete auf den Brief. Die Spuren schwerer Tränentropfen lagen dick über den letzten Zeilen, die der Tote verfasst hatte.

      „Ihre Tränen“, sagte Norah leise.

      Mis Garth’ Kopf senkte sich angesichts der stummen Offenbarung, dass Magdalen zu ihrem besseren Ich zurückgekehrt war.

      „Ach, zweifeln Sie nie wieder an ihr!“, bettelte Norah. „Wir sind jetzt allein – wir haben unseren harten Weg durch die Welt zu gehen, und wir müssen so geduldig voranschreiten, wie wir können. Wenn Magdalen jemals schwankend wird und sich umwendet, helfen Sie ihr um der Liebe alter Zeiten willen; helfen Sie ihr im Kampf gegen sich selbst.“

      „Mit ganzem Herzen und aller Kraft – Gott soll mich richten, mit der Hingabe meines ganzen Lebens!“ Mit diesen inbrünstigen Worten antwortete Miss Garth. Sie nahm die Hand, die Norah ihr entgegensteckte, und führte sie in Trauer und Demut an die Lippen. „Ach mein Liebes, vergib mir! Ich war fürchterlich blind – ich habe dich nie so geschätzt, wie ich es hätte tun sollen.“

      Norah hielt sie sanft zurück, bevor sie noch mehr sagen konnte. Sanft flüsterte sie: „Kommen Sie mit mir in den Garten! Kommen Sie und helfen Sie Magdalen, geduldig in die Zukunft zu blicken.“

      Die Zukunft! Wer konnte davon auch nur den schwächsten Schimmer sehen? Wer konnte etwas anderes sehen als die schlecht beleumundete Gestalt von Michael Vanstone, die sich dunkel am Rand der gegenwärtigen Zeit aufgebaut hatte und alle Aussichten versperrte, die jenseits davon lagen?

      Am übernächsten Morgen trafen neue Nachrichten von Mr. Pendril ein. Man hatte den Wohnort von Michael Vanstone auf dem Kontinent ausfindig gemacht. Er lebte in Zürich. Und noch an dem Tag, an dem man diese Information erhalten hatte, war ein Brief an ihn aufgegeben worden. Mit einer Antwort sei im Laufe der kommenden Woche zu rechnen, und ihren Inhalt werde man den Damen in Combe-Raven unverzüglich bekannt geben.

      So kurz die Wartezeit auch war, sie schleppte sich mühsam dahin. Zehn Tage verstrichen, bevor man die erwartete Antwort erhielt; und als sie endlich kam, erwies sie sich, streng genommen, als überhaupt keine Antwort. Mr. Pendril wurde nur an einen Agenten in London verwiesen, der im Besitz von Mr. Vanstones Anweisungen sei. Im Zusammenhang mit diesen Anweisungen war man auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen, die es notwendig gemacht hatten, noch einmal nach Zürich zu schreiben. So standen „die Verhandlungen“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

      Ein zweiter Absatz in Mr. Pendrils Brief enthielt eine weitere, ganz neue Nachricht. Mr. Michael Vanstones Sohn (und einziges Kind), Mr. Noel Vanstone, sei kürzlich in London eingetroffen und habe Quartier in der Wohnung seines Vetters Mr. George Bartram bezogen. Berufliche Überlegungen hatten Mr. Pendril veranlasst, der Wohnung einen Besuch abzustatten. Er war von Mr. Bartram sehr freundlich empfangen worden, aber der Gentleman hatte ihn unterrichtet, dass sein Cousin nicht in der Verfassung sei, Besucher zu empfangen. Mr. Noel Vanstone litt schon seit einigen Jahren an einer zermürbenden, hartnäckigen Krankheit; er war insbesondere nach England gekommen, um die beste medizinische Betreuung zu erhalten, und spürte die Erschöpfung von der Reise noch so stark, dass er an sein Bett gefesselt war. Unter diesen Umständen hatte Mr. Pendril keine andere Wahl als wieder zu gehen. Ein Gespräch mit Mr. Noel Vanstone hätte einige der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Anweisungen seines Vaters ausräumen können. Wie sich die Ereignisse darstellten, blieb nichts anderes übrig, als noch einige Tage abzuwarten.

      Die Tage vergingen, leere Tage der Einsamkeit und der Ungewissheit. Endlich verkündete ein dritter Brief des Anwalts den lange hinausgezögerten Abschluss der Korrespondenz. Die endgültige Antwort aus Zürich sei eingetroffen, und Mr. Pendril werde sie am Nachmittag des nächsten Tages persönlich in Combe-Raven überbringen.

      Der nächste Tag war Mittwoch, der zwölfte August. Das Wetter hatte über Nacht gewechselt; die Sonne stieg wässerig zwischen Nebel und Wolken in die Höhe. Gegen Mittag war der Himmel vollständig bedeckt; die Temperatur war spürbar gesunken, und der Regen strömte senkrecht, weich und stetig auf die durstige Erde. Gegen drei Uhr betraten Miss Garth und Norah das Frühstückszimmer, um Mr. Pendrils Ankunft zu erwarten. Kurz darauf gesellte sich Magdalen zu ihnen. Eine halbe Stunde später drang das vertraute Geräusch des eisernen Riegels an ihr Ohr, der in dem Zaun hinter dem Sträuchergarten in seinen Sockel fiel. Auf dem Gartenweg kamen Mr. Pendril und Mr. Clare ins Blickfeld; Arm in Arm, durch denselben Schirm geschützt, gingen sie durch den Regen. Der Anwalt verbeugte sich, als sie an dem Fenster vorüberkamen; Mr. Clare ging, tief in seine eigenen Gedanken versunken, weiter – er bemerkte nichts.

      Nach einer Verzögerung, die unendlich erschien; nach einem erschöpften Abtreten der nassen Füße auf der Matte in der Diele; nach einem rätselhaften, gemurmelten Austausch von Fragen und Antworten vor der Tür kamen die beiden herein. Mr. Clare ging voraus. Der alte Mann trat ohne vorbereitende Begrüßung geradewegs an den Tisch und sah die drei Frauen über ihn hinweg an. In seinem verwilderten runzeligen Gesicht stand ein ernstes Mitleid für sie.

      „Schlechte Neuigkeiten“, sagte er. „Ich bin ein Feind jeder unnötigen Ungewissheit. Direktheit ist in einem Fall wie diesem das Freundlichste. Ich möchte freundlich sein, und ich sage Ihnen geradeheraus: schlechte Neuigkeiten.

      Mr. Pendril folgte ihm. Schweigend schüttelte er Miss Garth und den beiden Schwestern die Hand, dann nahm er in ihrer Nähe Platz. Mr. Clare setzte sich ein Stück abseits auf einen Stuhl am Fenster. Das graue Licht des Regentages fiel weich und traurig auf die Gesichter von Norah und Magdalen, die ihm beide gegenübersaßen. Miss Garth hatte sich ein wenig hinter ihnen im Halbschatten positioniert; dicht neben ihr war das ruhige Gesicht des Anwalts im Profil zu sehen. So sahen die vier Anwesenden im Zimmer für Mr. Clare aus, der abseits in seiner Ecke saß, die langen, klauenähnlichen Finger auf dem Knie verschränkt, die dunklen,

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