Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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kann Ihnen die Wahrheit nur in Form einfacher Worte erläutern“, fuhr er fort. „Die Eheschließung hat dieses Testament ungültig und Mr. Vanstones Töchter von ihrem Onkel abhängig gemacht.“

      Während er sprach, strich die Brise wiederum durch die Sträucher unter dem Fenster.

      „Von ihrem Onkel?“, wiederholte Miss Garth. Sie dachte einen Augenblick nach und legte dann plötzlich eine Hand auf Mr. Pendrils Arm. „Doch nicht von Michael Vanstone.“

      „Doch. Von Michael Vanstone.“

      Miss Garth’ Hand umklammerte mechanisch den Arm des Anwalts. Ihr Geist war vollkommen damit beschäftigt, sich über die Erkenntnis klar zu werden, die jetzt über sie hereingebrochen war.

      „Abhängig von Michael Vanstone!“, sagte sie zu sich selbst. „Abhängig vom ärgsten Feind ihres Vaters? Wie kann das sein?“

      „Schenken Sie mir noch einmal für einige Minuten Ihre Aufmerksamkeit“, sagte Mr. Pendril, „dann sollen Sie es erfahren. Je schneller wir dieses schmerzhafte Gespräch zu Ende bringen, desto eher kann ich die Korrespondenz mit Mr. Michael Vanstone eröffnen, und desto schneller werden Sie erfahren, was er sich für die verwaisten Töchter seines Bruders zu tun entschließt. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass sie völlig von ihm abhängig sind. Wie und warum, werden Sie am einfachsten verstehen, wenn wir die Kette der Ereignisse da wieder aufnehmen, wo wir sie liegen gelassen haben: zur Zeit der Eheschließung von Mr. und Mrs. Vanstone.“

      „Einen Augenblick, Sir“, sagte Miss Garth. „Waren Sie in das Geheimnis dieser Eheschließung zu der Zeit, als sie stattfand, eingeweiht?“

      „Leider nein. Ich war zu jener Zeit weit weg von London – sogar weit weg von England. Hätte Mr. Vanstone sich mit mir in Verbindung setzen können, als der Brief aus Amerika ihn über den Tod seiner Ehefrau in Kenntnis setzte, stünde das Vermögen seiner Töchter heute nicht auf dem Spiel.“

      Er legte eine Pause ein. Bevor er fortfuhr, sah er sich noch einmal die Briefe an, die er in einem früheren Abschnitt des Gesprächs bereits zu Rate gezogen hatte. Er zog einen Brief zwischen den anderen heraus und legte ihn neben sich auf den Tisch.

      „Zu Beginn des gegenwärtigen Jahres“, fuhr er fort, „erforderte eine sehr ernste geschäftliche Notwendigkeit im Zusammenhang mit Besitztümern in Westindien, die einem alten Freund und Mandanten gehörten, entweder meine Gegenwart oder die eines meiner beiden Partner in Jamaika. Einer der beiden war unabkömmlich; der andere konnte die Reise aus gesundheitlichen Gründen nicht unternehmen. Mir blieb keine andere Wahl als selbst zu fahren. Ich schrieb an Mr. Vanstone und teilte ihm mit, dass ich England Ende Februar verlassen würde; die Natur der Geschäfte, die mich beanspruchten, so schrieb ich ihm, ließ wenig Hoffnung, dass ich vor dem Juni aus Westindien zurückkehren würde. Den Brief schrieb ich nicht aus einem bestimmten Beweggrund. Aber da meine Partner keinen Zugang zu meinen Kennnissen über Mr. Vanstones private Angelegenheiten hatte, hielt ich es für richtig, ihm meine Abwesenheit anzukündigen. Es war eine formelle Vorsichtsmaßnahme, und ich hatte Recht, sie zu ergreifen. Ende Februar verließ ich England, ohne dass ich etwas von ihm gehört hatte. Als ihn am vierten März die Nachricht vom Tod seiner Ehefrau erreichte, war ich auf hoher See. Und ich kehrte erst Mitte des vergangenen Juni zurück.“

      „Sie haben ihm Ihre Abreise angekündigt“, sagte Miss Garth. „Haben Sie ihn nicht über Ihre Rückkehr in Kenntnis gesetzt?“

      „Nicht persönlich. Mein Bürovorsteher schickte ihm einen der Rundbriefe, die von meinem Büro in verschiedene Richtungen ausgesandt wurden und meine Rückkehr ankündigten. Es war nach meinem Dafürhalten der beste Ersatz für den persönlichen Brief, den zu schreiben ich unter dem Druck der unzähligen Verpflichtungen, die nach meiner langen Abwesenheit auf mich einstürzten, nicht die Zeit hatte. Einen knappen Monat später erreichte mich die erste Nachricht über seine Eheschließung in Form eines Briefes von ihm selbst, den er am Tag vor dem tödlichen Unfall geschrieben hatte. Die Umstände, die ihn veranlassten, den Brief zu schreiben, erwuchsen aus einem Ereignis, das auch für Sie von einem gewissen Interesse gewesen sein muss – damit meine ich die Verbindung zwischen Mr. Clares Sohn und Mr. Vanstones jüngster Tochter.“

      „Ich kann nicht behaupten, dass ich gegenüber dieser Verbindung zu jener Zeit sehr wohlwollend eingestellt war“, erwiderte Miss Garth. „Ich war in völliger Unkenntnis über das Familiengeheimnis. Heute weiß ich es besser.“

      „Genau. Der Beweggrund, den Sie jetzt richtig einschätzen, ist der Beweggrund, der uns zum Kern der Sache führt. Die junge Dame selbst gestand (wie ich von Mr. Clare dem Älteren gehört habe, dem ich für meine detaillierten Kenntnisse über die Umstände zu Dank verpflichtet bin) ihre Zuneigung gegenüber ihrem Vater ein und traf ihn unwissentlich durch eine zufällige Erwähnung seines früheren Lebens bis ins Innerste. Er führte ein langes Gespräch mit Mrs. Vanstone, und darin waren sich beide einig, dass man Mr. Clare im Vertrauen über die Wahrheit ins Bild setzen musste, bevor man zuließ, dass die Verbindung zwischen den beiden jungen Leuten weiter ihren Lauf nahm. Für Mann und Frau war es in höchstem Maße schmerzhaft, dass ihnen nur diese Alternative blieb. Aber sie waren entschlossen, ehrenhaft entschlossen, ihre eigenen Gefühle zum Opfer zu bringen; und Mr. Vanstone begab sich auf der Stelle zu Mr. Clares Cottage. Sie haben doch zweifellos an einem Tag eine bemerkenswerte Veränderung in Mr. Vanstones Betragen bemerkt; haben Sie jetzt eine Erklärung dafür?“

      Miss Garth neigte den Kopf, und Mr. Pendril fuhr fort.

      „Sie sind hinreichend vertraut mit Mr. Clares Verachtung für alle gesellschaftlichen Vorurteile“, sagte er, „und ahnen deshalb sicher schon, wie er das Geständnis aufnahm, das sein Nachbar ihm gegenüber ablegte. Fünf Minuten nachdem das Gespräch begonnen hatte, waren die beiden alten Freunde so unbefangen und ungezwungen wie immer. Im Laufe der Unterhaltung erwähnte Mr. Vanstone, welche finanziellen Regelungen er zu Gunsten seiner Tochter und ihres zukünftigen Ehemannes getroffen hatte – und dabei nahm er natürlich auch Bezug auf sein Testament, das hier zwischen uns auf dem Tisch liegt. Mr. Clare erinnerte sich daran, dass sein Freund im März dieses Jahres geheiratet hatte, und erkundigte sich sofort, wann das Testament aufgesetzt worden sei; er erhielt die Antwort, dies sei vor fünf Jahren geschehen, und verblüffte Mr. Vanstone, indem er ihm unverblümt erklärte, dann sei das Dokument vor dem Gesetz nur ein Fetzen Papier. Bis zu diesem Augenblick war Mr. Vanstone wie viele andere Menschen in völliger Unkenntnis darüber, dass die Eheschließung eines Mannes juristisch wie auch gesellschaftlich als das wichtigste Ereignis in seinem Leben betrachtet wird; dass sie die Gültigkeit jedes Testaments aufhebt, das er als alleinstehender Mann möglicherweise gemacht hat; und dass es unbedingt notwendig ist, seine testamentarischen Absichten in seiner Eigenschaft als Ehemann neu zu bekräftigen. Die Darlegung dieser einfachen Tatsache schien Mr. Vanstone völlig zu überwältigen. Er erklärte, sein Freund habe ihm einen Dienst erwiesen, an den er sich bis zu seinem Todestag erinnern werde; dann verließ er sofort das Cottage, kehrte nach Hause zurück und schrieb mir diesen Brief.“

      Er reichte Miss Garth den aufgeschlagenen Brief. In tränenloser, sprachloser Trauer las sie folgend Worte:

      „Mein lieber Pendril – Seit wir uns das letzte Mal geschrieben haben, ist in meinem Leben eine außergewöhnliche Veränderung eingetreten. Ungefähr eine Woche nach Ihrer Abreise erhielt ich aus Amerika die Nachricht, dass ich frei bin. Muss ich Ihnen sagen, was ich mit dieser Freiheit angefangen habe? Muss ich Ihnen sagen, dass die Mutter meiner Kinder jetzt meine Frau ist?

      Wenn Sie sich wundern, dass Sie nicht schon in dem Augenblick, als Sie zurückkamen, von mir gehört haben, führen Sie mein Schweigen bitte zu einem großen Teil – wenn nicht sogar vollständig – auf meine völlige Unkenntnis der juristischen Notwendigkeit zurück, ein neues Testament zu verfassen. Vor noch nicht einmal einer halben Stunde wurde ich darüber (unter Umständen,

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