Die Namenlosen. Уилки Коллинз
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Namenlosen - Уилки Коллинз страница 34
„Was für Gründe, Sir?“
„Das werden Sie erfahren. Wenn Sie im Besitz der Wahrheit sind, werden diese Seiten Ihnen vielleicht helfen, den Respekt für Mr. Vanstones Andenken zu bewahren…“
Miss Garth fuhr auf ihrem Stuhl zurück.
„Was meinen Sie damit?“, fragte sie in kühner Direktheit.
Er nahm von der Frage keine Notiz und fuhr fort, als hätte sie ihn nicht unterbrochen.
„Ich habe noch einen zweiten Grund, Ihnen das Testament zu zeigen“, fuhr er fort. „Wenn ich Sie dazu bewegen kann, unter meiner Aufsicht gewisse Klauseln darin zu lesen, werden Sie selbst die Entdeckung machen und die Umstände herausfinden, die zu enthüllen ich hier bin – Umstände, die so schmerzlich sind, dass ich gar nicht weiß, wie ich sie Ihnen mit meinen eigenen Lippen offenbaren soll.“
Miss Garth sah ihm unverwandt in die Augen.
„Umstände, Sir, welche die verstorbenen Eltern oder die lebenden Kinder betreffen?“
„Sie betreffen sowohl die Toten als auch die Lebenden“, antwortete der Anwalt. „Umstände, so muss ich zu meinem Bedauern sagen, die auch die Zukunft von Mr. Vanstones unglücklichen Töchtern einschließen.“
„Warten Sie“, sagte Miss Garth, „warten Sie einen Augenblick.“ Sie schob sich die grauen Haare von den Schläfen zurück und kämpfte gegen den Schmerz in ihrem Herzen, gegen jene grausige Müdigkeit des Entsetzens, die eine jüngere oder weniger entschlossene Frau überwältigt hätte. Ihre Blicke – düster vom Beobachten, erschöpft vom Kummer – musterten das undurchdringliche Gesicht des Anwalts. „Seine unglücklichen Töchter?“, wiederholte sie geistesabwesend zu sich selbst. „Er redet, als gäbe es einen noch schlimmeren Schicksalsschlag als den, der sie zu Waisen gemacht hat.“ Wieder hielt sie inne und nahm ihren sinkenden Mut zusammen. „Wenn ich kann, möchte ich Ihnen Ihre schmerzliche Pflicht nicht noch schwerer machen“, setzte sie wieder an. „Zeigen Sie mir die Stelle in dem Testament. Lassen Sie mich lesen und das Schlimmste erfahren.“
Mr. Pendril blätterte zurück zur ersten Seite und zeigte auf eine bestimmte Stelle in den eng geschriebenen Zeilen. „Fangen Sie dort an“, sagte er.
Sie bemühte sich, mit dem Lesen zu beginnen. Sie bemühte sich, seinem Finger zu folgen, wie sie ihm bereits bei den Unterschriften und Datumsangaben gefolgt war. Aber es schien, als teilten ihre Sinne die Verwirrung ihres Geistes – die Worte flossen ineinander, und die Zeilen verschwammen vor ihren Augen.
„Ich kann Ihnen nicht folgen“, sagte sie. „Sie müssen es mir sagen oder vorlesen.“ Sie schob ihren Stuhl vom Tisch zurück und versuchte, sich zu sammeln. „Halt!“, rief sie, als der Anwalt die Papiere mit sichtbarem Zögern und Widerstreben in die Hand nahm. „Zuerst eine Frage. Sorgt das Testament für seine Kinder?“
„Es hat für seine Kinder gesorgt, als er es gemacht hat.“
„Als er es gemacht hat!“ Als sie die Antwort wiederholte, brach in ihrem Betragen ein wenig von ihrer natürlichen Unverblümtheit hervor. „Sorgt es heute für sie?“
„Nein.“
Sie riss ihm das Testament aus der Hand und warf es in eine Ecke des Zimmers. „Sie meinen es gut“, sagte sie. „Sie wollen mich schonen – aber Sie vergeuden nur Ihre Zeit und meine Kraft. Wenn das Testament nutzlos ist, soll es dort liegen bleiben. Sagen Sie mir die Wahrheit, Mr. Pendril – Sagen Sie sie geradeheraus und augenblicklich mit Ihren eigenen Worten!“
Er spürte, dass es unnütze Grausamkeit gewesen wäre, sich diesem Appell zu widersetzen. Es gab keine barmherzigere Alternative als auf der Stelle zu antworten.
„Ich muss Sie auf den Frühling des gegenwärtigen Jahres verweisen, Miss Garth. Erinnern Sie sich an den vierten März?“
Wieder schweifte ihre Aufmerksamkeit ab; anscheinend war ihr in dem Augenblick, in dem er sprach, ein Gedanke gekommen. Anstatt auf seine Frage zu antworten, stellte sie selbst eine.
„Lassen Sie mich selbst die Nachricht finden“, sagte sie. „Lassen sie mich Ihnen vorgreifen, wenn ich dazu in der Lage bin. Sein nutzloses Testament, die Art, wie Sie über seine Töchter sprechen, der Zweifel, den Sie offenbar empfinden, was meinen fortgesetzten Respekt für sein Andenken angeht, all das hat mir eine neue Sichtweise eröffnet. Mr. Vanstone ist als mittelloser Mann gestorben – war es das, was Sie mir sagen wollten?“
„Keineswegs. Mr. Vanstone hat bei seinem Tod ein Vermögen von mehr als achtzigtausend Pfund hinterlassen – ein Vermögen, das in ausgezeichneten Sicherheiten angelegt ist. Er hat seinen Verhältnissen entsprechend gelebt, aber nie darüber hinaus, und alle seine Schulden würden sich zusammengenommen auf noch nicht einmal zweihundert Pfund summieren. Wäre er als mittelloser Mann gestorben, ich hätte tiefes Mitgefühl für seine Kinder empfunden. Aber ich hätte nicht so gezögert, Ihnen die Wahrheit zu sagen, wie ich jetzt zögere. Lassen Sie mich eine Frage wiederholen, die Ihnen, so scheint mir, entgangen ist, als ich sie zum ersten Mal gestellt habe. Versetzen Sie sich noch einmal in den Frühling dieses Jahres. Erinnern Sie sich an den vierten März?
Miss Garth schüttelte den Kopf. „Mein Gedächtnis für Daten ist auch in den besten Zeiten schlecht“, sagte sie. „Ich bin zu verwirrt, als dass ich es kurzfristig zur Anwendung bringen könnte. Ist es nicht möglich, Ihre Frage in anderer Form zu stellen?“
Er stellte sie so:
„Erinnern Sie sich im Frühling des gegenwärtigen Jahres an ein häusliches Ereignis, das Mr. Vanstone schwerer zu betreffen schien als gewöhnlich?“
Miss Garth beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn und sah Mr. Pendril über den Tisch hinweg eifrig an. „Die Reise nach London!“, rief sie aus. „Ich habe der Reise nach London von Anfang an misstraut! Ja! Ich erinnere mich, dass Mr. Vanstone einen Brief bekam – ich weiß noch, wie er ihn las und anschließend so verändert aussah, dass wir alle verblüfft waren.“
„Ist Ihnen ein offenkundiges Einvernehmen zwischen Mr. und Mrs. Vanstone hinsichtlich des Themas dieses Briefes aufgefallen?“
„Ja, durchaus. Eines der Mädchen – es war Magdalen – erwähnte den Poststempel; irgendein Ort in Amerika. Jetzt fällt mir alles wieder ein, Mr. Pendril. Mrs. Vanstone wirkte von dem Augenblick an, da sie den Namen des Ortes hörte, aufgeregt und ängstlich. Am nächsten Tag fuhren sie zusammen nach London; sie erklärten ihren Töchtern nichts und mir nichts. Mrs. Vanstone sagte, es sei eine Reise in Familienangelegenheiten. Ich vermutete, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte nicht sagen, was. Mrs. Vanstone schrieb mir aus London in dem Sinn, es sei ihre Absicht, wegen ihres Gesundheitszustandes einen Arzt zu konsultieren, und ich solle ihre Töchter nicht beunruhigen, indem ich es ihnen erzählte. Irgendetwas in dem Brief verletzte mich zu jener Zeit. Ich dachte, es könne ein anderes Motiv geben, das sie vor mir verbarg. Habe ich ihr damit Unrecht getan?“
„Sie haben ihr nicht Unrecht getan. Es gab tatsächlich ein Motiv, das sie vor Ihnen geheim hielt. Indem ich Ihnen dieses Motiv enthülle, enthülle ich auch das schmerzliche Geheimnis, das mich in dieses Haus geführt hat. Was ich tun konnte, um Sie vorzubereiten, habe ich getan. Lassen Sie mich jetzt die Wahrheit in möglichst einfachen und möglichst wenigen Worten sagen. Als Mr. und Mrs. Vanstone im März des gegenwärtigen Jahres aus Combe-Raven abreisten…“
Bevor