Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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nachgibt, und der Tod, der niemanden verschont, trafen auf den Trümmern menschlichen Glücks zusammen – und der Tod musste zurückstehen.

      Schwer hatten sich die Gewitterwolken der Heimsuchung über dem Haus zusammengezogen – schwer, aber noch nicht ganz dunkel. Um fünf Uhr an diesem Abend hatte das Entsetzen des Verhängnisses seinen Schlag geführt. Noch bevor eine weitere Stunde verstrichen war, folgte auf die Mitteilung über den Tod des Ehemannes die Ungewissheit über die tödliche Gefahr für die Ehefrau. Hilflos lag sie auf ihrem verwitweten Bett; ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes standen auf des Messers Schneide.

      Nur ein Kopf blieb noch im Besitz seiner Kräfte – ein lenkender Geist bewegte sich hilfreich in dem Trauerhaus.

      Wären Miss Garth’ jüngere Jahre so ruhig und glücklich verlaufen wie ihr späteres Leben in Combe-Raven, sie wäre vielleicht unter den grausamen Notwendigkeiten dieses Tages zusammengebrochen. Aber die Gouvernante war in ihrer Jugend durch familiäres Elend auf eine harte Probe gestellt worden; jetzt erfüllte sie ihre entsetzlichen Pflichten mit dem standhaften Mut einer Frau, die zu leiden gelernt hatte. Allein hatte sie die Prüfung auf sich genommen, den Töchtern zu sagen, dass sie nun vaterlos waren. Allein bemühte sie sich darum, ihnen Kraft zu geben, da sich nun die grausige Gewissheit des Verlustes in ihren Geist einprägte.

      Die geringsten Befürchtungen hatte sie wegen der älteren Schwester. Die Qual von Norahs Trauer hatte sich nach außen durch die natürliche Erleichterung der Tränen Bahn gebrochen. Nicht so bei Magdalen. Tränenlos und sprachlos saß sie in dem Zimmer, in dem die Eröffnung über den Tod ihres Vaters zuerst zu ihr gedrungen war; ihr Gesicht, unnatürlich versteinert wie durch den fruchtlosen Kummer des hohen Alters – eine weiße, unveränderliche Leere – war furchtbar anzusehen. Nichts munterte sie auf, nichts erweichte sie. Sie sagte nur: „Sprecht mich nicht an; fasst mich nicht an. Lasst es mich allein ertragen“ – und verfiel wieder in Schweigen. Die erste große Trauer, die das Leben der Schwestern verdüstert hatte, veränderte, so schien es, schon jetzt ihren alltäglichen Charakter.

      Die Dämmerung brach herein und schwand dahin; hell kam die Sommernacht. Als das erste sorgsam bedeckte Licht im Krankenzimmer entzündet wurde, traf der Arzt ein, den man aus Bristol geholt hatte, und beriet sich mit dem medizinischen Betreuer der Familie. Er konnte keinen Trost spenden und sagte nur: „Wir müssen alles versuchen und hoffen. Der Schreck, der sie getroffen hat, als sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes mithörte, hat ihre Kraft zu einer Zeit geschwächt, da sie ihrer am meisten bedarf. Nichts, was sie retten könnte, soll unversucht gelassen werden. Ich bleibe heute Nacht hier.“

      Während er sprach, öffnete er eines der Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Der Blick ging auf den Fahrweg vor dem Haus und die Straße dahinter. Kleine Menschengruppen standen vor der Pforte und blickten hinein. „Wenn diese Personen den geringsten Lärm machen, muss man sie wegschicken“, sagte der Arzt. Aber es war nicht nötig, sie wegzuschicken: Es waren nur die Arbeiter, die auf dem Anwesen des Toten gearbeitet hatten, hier und da auch einige Frauen und Kinder aus dem Dorf. Alle dachten an ihn, manche sprachen von ihm, und es beflügelte ihren trägen Geist, sein Haus anzusehen. Die meisten feinen Herren hier in der Gegend seien nett zu ihnen (sagten die Männer), aber keiner sei so gewesen wie er. Die Frauen flüsterten einander zu, wie großherzig er gewesen sei, wenn er in ihre Hütten kam. „Er war ein fröhlicher Mann, die arme Seele, und hat immer an uns gedacht. Nie ist er zur Essenszeit hereingekommen und hat uns angestarrt. Die anderen helfen uns und schimpfen mit uns – aber er hat immer nur gesagt: Beim nächsten Mal wird es besser!“ So standen sie und sprachen von ihm und sahen sein Haus und seine Ländereien an und gingen behäbig zu Zweien und Dreien weg mit dem vagen Gefühl, dass der Anblick seines freundlichen Gesichts sie nie wieder trösten würde. Noch der stumpfsinnigste Kopf unter ihnen wusste an diesem Abend, dass die harten Wege der Armut jetzt, da er fort war, noch härter zu gehen sein würden.

      Ein wenig später brachte man an die Schlafzimmertür die Nachricht, der alte Mr. Clare sei allein zum Haus gekommen und warte in der Diele, um zu hören, was der Arzt sagte. Miss Garth war nicht in der Lage, selbst hinunterzugehen; sie schickte eine Nachricht. Er sagte zu dem Diener: „Ich werde in zwei Stunden wiederkommen und noch einmal fragen.“ Dann ging er langsam hinaus.

      Er war nicht nur in allen anderen Dingen nicht wie gewöhnliche Männer, sondern auch der plötzliche Tod seines alten Freundes hatte in ihm keine erkennbare Veränderung herbeigeführt. Das Gefühl, das aus dem Erkundigungsgang sprach und ihn zu dem Haus geführt hatte, war das einzige Anzeichen menschlichen Mitgefühls, das dem schroffen, unzugänglichen Mann entschlüpfte.

      Als die zwei Stunden verstrichen waren, kam er wieder; dieses Mal empfing ihn Miss Garth.

      Sie schüttelten sich schweigend die Hand. Sie wartete; sie sehnte sich danach, ihn von seinem alten Freund sprechen zu hören. Nein: Er erwähnte weder den Unfall, noch spielte er auf den entsetzlichen Todesfall an. Er fragte nur: „Geht es ihr besser oder schlechter?“; mehr sagte er nicht. Verbarg sich der Tribut an seine Trauer um den Ehemann streng unterdrückt hinter dem Ausdruck seiner Sorge um die Ehefrau? Die Natur des Mannes, die das strikte Gegenteil der Welt und ihrer Gebräuche war, mochte eine solche Deutung seines Betragens rechtfertigen. Er wiederholte seine Frage: „Geht es ihr besser oder schlechter?“

      Miss Garth antwortete:

      „Nicht besser; wenn überhaupt, ist es eine Veränderung zum Schlechteren.“

      Sie sprach diese Worte am Fenster des Frühstückszimmers, das sich zum Garten hin öffnete. Nachdem Mr. Clare die Antwort auf seine Erkundigung gehört hatte, hielt er inne, trat nach draußen auf den Weg, drehte sich dann ganz plötzlich um und sprach noch einmal:

      „Hat der Doktor sie aufgegeben?“, fragte er.

      „Er hat uns nicht verheimlicht, dass sie in Gefahr ist. Wir können nur für sie beten.“

      Der alte Mann legte die Hand auf Miss Garth’ Arm, während sie ihm antwortete, und sah ihr eindringlich ins Gesicht.

      „Sie glauben an Gebete?“, fragte er.

      Mis Garth trat betrübt von ihm zurück.

      „Diese Frage hätten Sie mir ersparen können, mein Herr, in so einer Zeit.“

      Er nahm keine Notiz von ihrer Antwort; seine Blicke waren immer noch fest auf ihr Gesicht gerichtet.

      „Beten Sie!“, sage er. „Beten Sie, wie sie noch nie gebetet haben, dass Mrs. Vanstones Leben erhalten bleibt.“

      Er ging. Seine Stimme und sein Betragen deuteten auf eine unaussprechliche Angst vor der Zukunft hin, die seine Worte nicht eingestanden hatten. Miss Garth folgte ihm bis in den Garten und rief nach ihm. Er hörte sie, drehte sich aber nicht um. Vielmehr beschleunigte er seine Schritte, als wolle er ihr aus dem Weg gehen. Sie sah ihn im warmen sommerlichen Mondlicht über den Rasen gehen. Sie sah seine weißen, dürren Hände, sah sie plötzlich vor dem schwarzen Hintergrund des Strauchwerks, wie er sie hob und über seinem Kopf rang. Sie fielen wieder herunter – die Bäume hüllten ihn in Dunkelheit – er war fort.

      Miss Garth ging zurück zu der leidenden Frau. Auf ihrer Seele lastete eine Befürchtung mehr.

      Es war jetzt nach elf Uhr. Seit sie die Schwestern gesehen und mit ihnen gesprochen hatte, war ein wenig Zeit vergangen. Die Erkundigungen, die sie an eine Dienerin richtete, förderten nur die Information zutage, dass beide in ihren Zimmern seien. Sie schob ihre Rückkehr an das Krankenbett der Mutter hinaus, um tröstende Worte zu den Töchtern zu sprechen, bevor sie sich für die Nacht von ihnen verabschiedete. Norahs Zimmer lag am nächsten. Leise öffnete sie die Tür und sah hinein. Die kniende Gestalt am Bett war für sie ein Zeichen, dass die vaterlose Tochter in ihrer

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