Die Namenlosen. Уилки Коллинз

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Namenlosen - Уилки Коллинз страница 32

Die Namenlosen - Уилки Коллинз

Скачать книгу

glaube kaum, dass er das bedeuten kann“, sagte einer der Ärzte. „Aber selbst wenn wir annehmen, dass Mr. Vanstone ohne letzten Willen verstorben ist, trägt das Gesetz hinreichend Sorge für die Interessen seiner Witwe und seiner Kinder…“

      „Tut es das auch“, warf der andere Mediziner ein, „wenn das Eigentum in Ländereien besteht?“

      „In diesem Fall bin ich nicht sicher. Wissen Sie zufällig, Miss Garth, ob Mr. Vanstones Vermögen aus Geld oder aus Land besteht?“

      „Aus Geld“, erwiderte Miss Garth. „Das habe ich ihn bei mehr als einer Gelegenheit sagen hören.“

      „Dann kann ich Ihre Seele erleichtern, indem ich aus eigener Erfahrung spreche. Wenn er ohne Testament stirbt, spricht das Gesetz ein Drittel seines Vermögens seiner Witwe zu, und der Rest wird gleichmäßig unter seinen Kindern geteilt.“

      „Aber wenn Mrs. Vanstone…“

      „Wenn Mrs. Vanstone sterben sollte“, fuhr der Arzt fort, womit er die Frage vollendete, die zum Abschluss zu bringen Miss Garth selbst nicht das Herz gehabt hatte, „glaube ich, dass ich recht habe, wenn ich Ihnen sage, dass das Vermögen im Zuge der gesetzlichen Erbfolge an die Kinder gehen würde. Welche Notwendigkeit auch für das Gespräch bestehen mag, das Mr. Pendril wünscht, ich sehe keinen Anlass, es mit der Frage nach dem mutmaßlichen Fehlen von Mr. Vanstones Testament in Verbindung zu bringen. Aber um der Zufriedenheit Ihrer eigenen Seele willen richten Sie die Frage unter allen Umständen an Mr. Pendril selbst!“

      Miss Garth zog sich zurück, um so zu verfahren, wie der Arzt es ihr geraten hatte. Nachdem sie Mr. Pendril die medizinische Entscheidung übermittelt hatte, die ihm vorerst das gewünschte Gespräch versagte, fügte sie eine kurze Erklärung über die juristische Frage an, die sie den Ärzten vorgelegt hatte; dabei wies sie taktvoll auf ihr natürliches Bestreben hin, über die Motive in Kenntnis gesetzt zu werden, die den Anwalt zu seiner Anfrage veranlasst hatten. Die Antwort, die sie erhielt, war reserviert bis zum Äußersten und hinterließ bei ihr keine günstige Meinung über Mr. Pendril. Er bestätigte die Interpretation der Gesetze durch die Ärzte nur in sehr allgemeinen Begriffen und brachte seine Absicht zum Ausdruck, im Cottage zu warten in der Hoffnung, dass eine Wendung zum Besseren Mrs. Vanstone doch noch in die Lage versetzen werde, ihn zu empfangen; er schloss seinen Brief ohne die leiseste Andeutung über seine Motive und über die Existenz oder Nichtexistenz von Mr. Vanstones Testament.

      Die betonte Vorsicht in der Antwort des Anwalts rumorte unbehaglich in Miss Garth’ Kopf, bis das lange erwartete Ereignis des Tages ihre sämtlichen Gedanken wieder auf die alles bestimmende Angst um Mrs. Vanstone lenkte.

      Am frühen Abend traf der Arzt aus London ein. Er stand lange am Bett der leidenden Frau und beobachtete sie; noch länger blieb er in der Beratung mit seinen medizinischen Standesgenossen; wieder ging er in das Krankenzimmer, bevor Miss Garth zu ihm vordringen konnte, damit er ihr mitteilte, zu welcher Einschätzung er gelangt war.

      Als er zum zweiten Mal in den Vorraum kam, nahm er schweigend auf einem Stuhl an ihrer Seite Platz. Sie sah ihm ins Gesicht, und die letzte schwache Hoffnung erstarb in ihr, bevor seine Lippen sich öffneten.

      „Ich muss die harte Wahrheit aussprechen“, sagte er sanft. „Alles, was getan werden kann, ist getan worden. Die nächsten höchstens vierundzwanzig Stunden werden der Ungewissheit ein Ende machen. Wenn die Natur in dieser Zeit keine Anstrengung unternimmt – es bekümmert mich, das zu sagen – müssen Sie auf das Schlimmste vorbereitet sein.“

      Diese Worte sagten alles: Sie prophezeiten das Ende.

      Die Nacht verging; und sie durchlebte sie. Der nächste Tag kam; und sie bestand fort, bis die Uhr fünf zeigte. Zu dieser Stunde hatte die Nachricht vom Tod ihres Mannes ihr den tödlichen Schlag versetzt. Als die Stunde wiederum gekommen war, ließ die Gnade Gottes sie zu ihm in eine bessere Welt gehen. Ihre Töchter knieten an ihrem Bett, als ihre Seele entschwand. Sie verließ beide, ohne von ihrer Gegenwart zu wissen, barmherzig und glücklich unempfindlich gegen den Schmerz des letzten Lebewohl.

      Ihr Kind überlebte, bis der Abend hereinbrach und der Sonnenuntergang sich am stillen westlichen Firmament verdüsterte. Als die Dunkelheit kam, flackerte das Licht des zerbrechlichen kleinen Lebens – das von Anfang an schwach und matt gewesen war – und verlosch. Alles, was irdisch war an Mutter und Kind, lag in dieser Nacht in demselben Bett. Der Todesengel hatte sein grausiges Werk getan; und die beiden Schwestern blieben allein auf der Welt zurück.

      Am Donnerstag, dem dreiundzwanzigsten Juli, erschien Mr. Clare früher als gewöhnlich an der Tür seines Cottage und trat hinaus auf den kleinen Gartenstreifen, der zu seinem Wohnsitz gehörte.

      Nachdem er allein einige Wendungen rückwärts und vorwärts vollführt hatte, gesellte sich ein schlanker, stiller, grauhaariger Mann zu ihm, dessen persönlichem Erscheinungsbild ein deutlicher Charakter irgendeiner Art völlig fehlte; sein ausdrucksloses Gesicht und seine konventionell-ruhige Art boten nichts, was Zustimmung auf sich zog, und nichts, was Abneigung ausgelöst hätte. Das war Mr. Pendril – der Mann, an dessen Lippen die Zukunft der Waisen von Combe-Raven hing.

      „Die Zeit verrinnt“, sagte er und blickte in Richtung des Sträuchergartens, während er sich Mr. Clare anschloss.

      „Meine Verabredung mit Mis Garth ist um elf Uhr; es fehlen nur noch zehn Minuten zur vollen Stunde.“

      „Werden Sie allein mit ihr sprechen?“, fragte Mr. Clare.

      „Ich habe es Miss Garth überlassen, das zu entscheiden – nachdem ich sie zuallererst gewarnt habe, dass die Umstände, die zu enthüllen ich gezwungen bin, von sehr ernster Natur sind.“

      „Und hat sie entschieden?“

      „Sie schreibt mir, dass sie den Termin mit mir gegenüber beiden Töchtern erwähnt und die Warnung, die ich ausgesprochen habe, wiederholt habe. Die ältere der beiden schreckt – wer würde sich darüber wundern? – vor jedem Gespräch im Zusammenhang mit der Zukunft zurück, welches ihre Gegenwart schon am Tag nach der Bestattung erfordert. Die jüngere hat, wie es scheint, keine Meinung zu dem Thema geäußert. Wie ich es verstehe, duldet sie es, sich passiv vom Beispiel ihrer Schwester leiten zu lassen. Das Gespräch wird also mit Miss Garth allein stattfinden – und das zu wissen, ist für mich eine große Erleichterung.“

      Die letzten Worte sprach er mit mehr Nachdruck und Energie, als es sonst seine Gewohnheit zu sein schien. Mr. Clare blieb stehen und sah seinen Gast aufmerksam an.

      „Sie sind fast so alt wie ich, Sir“, sagte er. „Hat Ihre lange Erfahrung als Anwalt Sie noch nicht abgehärtet?“

      „Ich wusste nie, wie wenig sie mich abgehärtet hat“, entgegnete Mr. Pendril leise, „bis ich gestern von London zurückgekehrt bin, um an der Bestattung teilzunehmen. Man hatte mich nicht gewarnt, dass die Töchter sich entschlossen hatten, ihren Eltern bis zum Grab zu folgen. Ich glaube, ihre Gegenwart hat die letzte Szene dieses entsetzlichen Schicksalsschlages doppelt schmerzlich und doppelt rührend gemacht. Sie haben gesehen, wie bewegt die große Menschenmenge war – und sie waren in Unkenntnis der Wahrheit; sie wussten nichts von der grausamen Notwendigkeit, die mich heute Morgen in das Haus führt. Das Wissen um diese Notwendigkeit – und der Anblick der armen Mädchen zu der Zeit, als ich meine schwere Pflicht gegen sie am schmerzlichsten spürte – haben mich erschüttert, wie ein Mann in meinen Jahren und mit meiner Lebensweise nicht oft durch einen Kummer in der Gegenwart oder eine Unsicherheit in der Zukunft erschüttert wird. Ich habe die Fassung auch heute Morgen nicht wiedergewonnen. Bisher fühle ich mich meiner selbst kaum sicher.“

Скачать книгу