Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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Garth deutete vielsagend auf den Brief in Norahs Hand. „Deine Geschäfte, ganz ohne Zweifel“, sagte sie. „Morgen kommt Mr. Pendril, und Mr. Vanstone ist anscheinend ganz außerordentlich erpicht darauf. Das Gesetz und sein Vertreter machen bereits Ärger! Gouvernanten, die durch die Türen von Sommerhäusern schauen, sind nicht die einzigen Hindernisse für den Lauf der wahren Liebe. Manchmal ist auch Pergament hinderlich. Ich hoffe, das Pergament wird für dich ebenso biegsam sein wie ich – ich wünsche dir dabei alles Gute. Komm, Norah!“

      Miss Garth’ zweite Bemerkung wirkte ebenso harmlos wie die erste. Magdalen war ein wenig verwirrt zum Haus zurückgekehrt. Ihr Gespräch mit Frank war durch einen Boten von Mr. Clare unterbrochen worden, der den Sohn zum Aufenthaltsort seines Vaters zitieren sollte. In dem Vieraugengespräch zwischen Mr. Vanstone und Mr. Clare war man sich zwar einig gewesen, dass man die Fragen, die man am Morgen erörtert hatte, den Kindern erst nach dem Ende des Probejahres mitteilen wollte – und obwohl Mr. Clare seinem Sohn unter diesen Umständen nichts zu sagen hatte, was Magdalen ihm nicht auf viel angenehmere Weise hätte mitteilen können, war der Philosoph nichtsdestoweniger entschlossen, seinen Sohn persönlich über das elterliche Zugeständnis in Kenntnis zu setzen, das ihn vor dem chinesischen Exil bewahrte. Die Folge war eine plötzliche Vorladung ins Cottage, die Magdalen verblüffte, während Frank darüber nicht überrascht zu sein schien. Mit seinen Erfahrungen als Sohn durchschaute er das Rätsel von Mr. Clares Motiven nur allzu leicht. „Wenn mein Vater in der richtigen Laune ist, ärgert er mich gern mit meinem Glück“, sagte er. „Und diese Nachricht bedeutet, dass er mich jetzt ärgern will.“

      „Geh’ nicht hin“, schlug Magdalen vor.

      „Ich muss“, erwiderte Frank. „Wenn ich nicht gehe, bekomme ich es immer wieder zu hören. Er hat geladen und angelegt, und jetzt will er abdrücken. Zum ersten Mal hat er abgedrückt, als der Ingenieur mich genommen hat. Das zweite Mal hat er abgedrückt, als die Firma in der Stadt mich genommen hat. Und jetzt, wo du mich genommen hast, will er zum dritten Mal abdrücken. Wenn du nicht wärst, würde ich mir wünschen, ich wäre nie geboren worden. Ja, dein Vater war nett zu mir, ich weiß – und wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich nach China gehen müssen. Ich weiß, dass ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin. Natürlich haben wir kein Recht, etwas anderes zu erwarten – aber uns ein Jahr warten zu lassen, ist ziemlich entmutigend, findest du nicht?

      Magdalen stopfte ihm den Mund in einem Schnellverfahren, dem auch er sich dankbar unterwarf. Gleichzeitig versäumte sie es nicht, ihm seine Unzufriedenheit auf der richtigen Seite gutzuschreiben. „Wie gern er mich hat!“, dachte sie. „Ein Jahr zu warten, ist für ihn eine richtige Entbehrung.“ Sie kehrte zum Haus zurück, wobei sie insgeheim bedauerte, dass sie nicht noch mehr von Franks schmeichelhaften Klagen gehört hatte. Der geistreiche Spott, den Miss Garth an sie richtete, während sie sich in diesem Gemütszustand befand, war eine vollkommen überflüssige Vergeudung von Miss Garth’ Atem. Was hatte Magdalen mit Satire zu schaffen? Womit hatten Jugend und Liebe jemals etwas zu schaffen außer mit sich selbst? Dieses Mal sagte sie nicht einmal „Puh!“ Gelassen legte sie ihren Hut ab und schlenderte lässig ins Frühstückszimmer, um ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten. Beim Mittagessen erfuhren ihre düsteren Ahnungen von einem Streit zwischen Frank und seinem Vater gelegentliche Unterbrechungen in Gestalt von kaltem Huhn und Käsekuchen. Eine halbe Stunde vertändelte sie am Klavier; sie spielte Auszüge aus den Liedern von Mendelssohn, den Mazurken von Chopin, den Opern von Verdi und den Sonaten von Mozart – das alles hatte sie bei dieser Gelegenheit zu einem einzigen unsterblichen Werk zusammengefügt und ihm den Titel „Frank“ gegeben. Sie schloss das Klavier und ging nach oben in ihr Zimmer, um die Stunden schwelgerisch in Visionen von ihrer ehelichen Zukunft zu verträumen. Die grünen Fensterläden waren geschlossen, der Sessel war vor den Spiegel gerückt, und wie gewöhnlich wurde die Zofe gerufen; der Kamm unterstützte auf dem Weg über ihre Haare die Überlegungen der Herrin, bis Wärme und Müßiggang ihre betäubenden Einflüsse ausübten und Magdalen einschlafen ließen.

      Als sie aufwachte, war es drei Uhr. Sie ging nach unten und traf dort wiederum auf ihre Mutter, Norah und Miss Garth. Alle drei saßen vor dem Haus unter dem offenen Vordach, wo sie sich des Schattens und der Kühle erfreuten.

      Norah hatte den Eisenbahnfahrplan in der Hand. Sie hatten darüber gesprochen, welche Aussichten Mr. Vanstone hatte, den Zug zurück noch zu erreichen und zu einer angenehmen Zeit wieder zu Hause zu sein. Von diesem Thema waren sie auf seine geschäftliche Besorgung in Grailsea zu sprechen gekommen; es war wie gewöhnlich eine Besorgung aus Freundlichkeit: Er hatte sie zum Wohle des Müllers unternommen, der sein alter Bauernknecht gewesen war und jetzt durch ernste finanzielle Schwierigkeiten belastet wurde. Von da aus waren sie wie von selbst auf ein Thema gekommen, das sie oft unter sich diskutierten und das sich trotz der Wiederholung nie erschöpfte: das Lob von Mr. Vanstone selbst. Jede der drei hatte ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit seiner einfachen, großherzigen Natur. Für seine Frau schien das Gespräch fast schmerzlich interessant zu sein. Sie war der Zeit ihrer Prüfung jetzt zu nahe, als dass sie keine nervöse Empfindlichkeit gegenüber dem Thema empfunden hätte, das in ihrem Herzen den vordersten Platz einnahm. Als Magdalen sich zu der kleinen Gruppe unter dem Verandadach gesellte, gingen ihrer Mutter die Augen über; ihre schmale Hand zitterte, als sie der jüngsten Tochter bedeutete, sie solle auf dem leeren Stuhl an ihrer Seite Platz nehmen. „Wir sprechen gerade von deinem Vater“, sagte sie sanft. „Ach, mein Liebes, wenn dein Eheleben doch nur so glücklich wird…“ Ihre Stimme versagte; sie hielt sich eilig ihr Taschentuch vor das Gesicht und legte den Kopf auf Magdalens Schulter. Norah blickte flehend zu Miss Garth, die das Gespräch sofort wieder auf das trivialere Thema von Mr. Vanstones Rückkehr lenkte. „Wir haben uns gerade gefragt“, sagte sie mit einem bedeutungsvollen Blick zu Magdalen, „ob dein Vater in Grailsea so rechtzeitig aufbrechen wird, dass er den Zug noch erreicht – oder ob er ihn verpasst und mit dem Wagen zurückfahren muss. Was meinst du?“

      „Ich glaube, Papa wird den Zug verpassen“, erwiderte Magdalen, womit sie Miss Garth’ Hinweise mit ihrer üblichen Gewandtheit aufnahm. „Das Geschäft, dessentwegen er nach Grailsea gefahren ist, wird das Letzte sein, was er dort unternimmt. Wenn er etwas Geschäftliches zu tun hat, schiebt er es immer bis zum letzten Moment vor sich her, nicht wahr, Mama?“

      Die Frage erregte ihre Mutter genau so, wie Magdalen es beabsichtigt hatte. „Nicht wenn die Besorgung eine Besorgung aus Freundlichkeit ist“, sagte Mrs. Vanstone. „Er ist hingefahren, um dem Müller bei einer sehr dringenden Schwierigkeit zu helfen.“ „Und weißt du, was er tun wird?“, beharrte Magdalen. „Er wird mit den Kindern des Müllers herumtoben und mit der Mutter tratschen und mit dem Vater gemütlich plaudern. Und im letzten Augenblick, wenn er noch fünf Minuten hat, um den Zug zu erreichen, sagt er dann: ‚Gehen wir ins Büro und sehen wir uns die Bücher an.‘ Dann stellt er fest, dass die Bücher entsetzlich kompliziert sind; er wird vorschlagen, nach einem Buchhalter zu schicken; inzwischen erledigt er schnell das Geschäft, indem er dem Müller das Geld leiht; er wird bequem in dem Einspänner des Müllers zurücktraben; und dann wird er uns erzählen, wie angenehm die Straßen in der abendlichen Kühle waren.“

      Die kleine Charakterskizze, die diese Worte zeichneten, war ein zu genaues Abbild, als dass man sie nicht wiedererkennen konnte. Mrs. Vanstone zeigte ihre Anerkennung mit einem Lächeln. „Wenn dein Vater zurückkommt, werden wir deine Beschreibung seiner Vorgehensweise einer Prüfung unterziehen“, sagte sie. Dann fuhr sie fort, wobei sie sich träge aus ihrem Sessel erhob: „Ich gehe jetzt besser wieder nach drinnen und ruhe mich auf dem Sofa aus, bis er zurück ist.“

      Die kleine Gruppe unter dem Verandadach löste sich auf. Magdalen schlich sich in den Garten, um Franks Bericht über das Gespräch mit seinem Vater zu hören. Die drei anderen Damen gingen gemeinsam ins Haus. Als Mrs. Vanstone es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte, ließen Norah und Miss Garth sie allein, damit sie ruhen konnte, und zogen sich in die Bibliothek zurück, wo sie sich das neueste Bücherpaket aus London ansahen.

      Es war ein stiller, wolkenloser Sommertag. Die Hitze wurde durch eine leichte westliche Brise gemildert; die Stimmen

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