Die Namenlosen. Уилки Коллинз
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Читать онлайн книгу Die Namenlosen - Уилки Коллинз страница 33
Mr. Pendril schüttelte den Kopf. „Viele ebenso schwere Pflichten; viel romantischere Geschichten. Aber keine Pflicht war so misslich, keine Geschichte so hoffnungslos wie diese.“
Mit diesen Worten gingen sie auseinander. Mr. Pendril verließ den Garten auf dem Weg zwischen den Sträuchern, der nach Combe-Raven führte. Mr. Clare kehrte in sein Cottage zurück.
Als er im Korridor stand, blickte er durch die offene Tür seines kleinen Salons und sah Frank in untätiger Erbärmlichkeit dort sitzen; sein Kopf ruhte erschöpft auf seiner Hand.
„Ich habe eine Antwort von deinen Arbeitgebern in London erhalten“, sagte Mr. Clare. „In Anbetracht der Ereignisse halten sie das Angebot, das sie dir gemacht haben, noch einen weiteren Monat aufrecht.“
Frank wechselte die Farbe und erhob sich nervös von seinem Stuhl.
„Haben meine Aussichten sich geändert?“, fragte er. „Werden Mr. Vanstones Pläne für mich nun nicht mehr ausgeführt? Er hat zu Magdalen gesagt, in seinem Testament werde für sie gesorgt. Sie hat seine Worte vor mir wiederholt; sie hat gesagt, ich solle alles wissen, was er in seiner Güte und Großzügigkeit für uns beide getan hätte. Wie kann sein Tod eine Veränderung bedeuten? Ist irgendetwas geschehen?“
„Warte, bis Mr. Pendril von Combe-Raven zurückkommt“, sagte sein Vater. „Frage ihn – frage nicht mich.“
In Franks Augen stiegen die Tränen hoch.
„Du wirst doch nicht streng zu mir sein?“, bettelte er schwach. „Du erwartest doch nicht, dass ich wieder nach London fahre, ohne dass ich zuvor Magdalen gesehen habe?“
Mr. Clare sah seinen Sohn nachdenklich an und überlegte ein wenig, bevor er antwortete.
„Du kannst dir die Augen abtrocknen“, sagte er. „Du wirst Magdalen sehen, bevor du zurückfährst.“
Nachdem er diese Antwort gegeben hatte, verließ er den Salon und kehrte in sein Studierzimmer zurück. Die Bücher lagen wie gewöhnlich griffbereit. Er schlug eines davon auf und machte sich auf die übliche Weise daran, es zu lesen. Aber seine Aufmerksamkeit schweifte ab; von Zeit zu Zeit wanderten seine Blicke zu dem leeren Sessel gegenüber – dem Sessel, auf dem sein alter Freund und Plauderkamerad in so manchem vergangenen Jahr gesessen und humorvoll mit ihm gestritten hatte. Nachdem er mit sich gekämpft hatte, schloss er das Buch. „Verd…mmter Stuhl!“, sagte er. „Er wird von ihm reden. Und ich muss zuhören.“ Er nahm seine Pfeife von der Wand und füllte sie mechanisch mit Tabak. Seine Hand bebte, seine Blicke wanderten an den alten Platz, und unwillkürlich entrang sich ihm ein Seufzen. Der leere Sessel war das einzige irdische Argument, auf das er keine Antwort hatte. Sein Herz räumte die Niederlage ein und ließ seine Augen trotz allem feucht werden. „Am Ende hat er mich doch besiegt“, sagte der mürrische alte Mann. „Es gibt immer noch eine schwache Stelle in mir – und er hat sie gefunden.“
Währenddessen betrat Mr. Pendril den Sträuchergarten und folgte dem Pfad, der zu dem einsamen Garten und dem trostlosen Haus führte. An der Tür empfing ihn der Diener, der offensichtlich schon in Erwartung seiner Ankunft bereitstand.
„Ich habe eine Verabredung mit Miss Garth. Ist sie bereit, mich zu empfangen?“
„Durchaus bereit, Sir.“
„Ist sie allein?“
„Ja, Sir.“
„In dem Zimmer, das Mr. Vanstones Studierzimmer war?“
„In diesem Zimmer, Sir.“
Der Diener öffnete die Tür, und Mr. Pendril trat ein.
Die Gouvernante stand allein am Fenster des Studierzimmers. Der Vormittag war drückend heiß; als Mr. Pendril hereinkam, schob sie gerade den unteren Teil des Schiebefensters hoch, um mehr Luft hereinzulassen.
Sie verbeugten sich mit einer formellen Höflichkeit, die auf beiden Seiten ein unbehagliches Gefühl des Gehemmtseins verriet. Mr. Pendril gehörte zu den vielen Männern, die auf den ersten Blick höchst unvorteilhaft wirken, wenn sie unter dem Einfluss starker geistiger Erregung stehen, die sie notwendigerweise unter Kontrolle halten müssen. Miss Garth hatte ihrerseits nicht vergessen, mit welchen unziemlich reservierten Worten der Anwalt auf ihren Brief geantwortet hatte, und die natürliche Angst, die sie wegen des Themas ihres Gesprächs empfand, wurde nicht durch eine vorteilhafte Meinung über den Mann, der darum ersucht hatte, gemildert. Als sie einander in der Stille des Sommermorgens gegenüberstanden – beide schwarz gekleidet; Miss Garth’ harte Gesichtszüge hager und ausgezehrt vor Kummer; das kalte, farblose Gesicht des Anwalts ohne jeglichen erkennbaren Ausdruck, so dass es an eine geschäftliche Peinlichkeit und sonst nichts denken ließ – hätte man schwerlich zwei Menschen finden können, die äußerlich weniger stark jedes gewöhnliche Mitgefühl auf sich gezogen hätten als die beiden, die jetzt zusammengetroffen waren, der eine, um die Geheimnisse der Toten zu offenbaren, die andere, um sie zu hören.
„Ich bedaure es aufrichtig, Miss Garth, dass ich Sie in einer solchen Zeit belästigen muss. Aber wie ich bereits erläutert habe, lassen die Umstände mir keine andere Wahl.“
„Möchten Sie Platz nehmen, Mr. Pendril? Ich nehme an, Sie wollten in diesem Zimmer mit mir sprechen?“
„Nur in diesem Zimmer, denn hier werden Mr. Vanstones Papiere aufbewahrt, und ich könnte es für notwendig erachten, einige davon zu Rate zu ziehen.“
Nach diesem formellen Austausch von Frage und Antwort setzten sie sich beiderseits eines Tisches, der dicht unter dem Fenster stand. Der eine wartete darauf, zu sprechen, die andere wartete darauf, es zu ertragen. Vorübergehend herrschte Schweigen. Mr. Pendril brach es, indem er mit dem üblichen Ausdruck des Mitgefühls von den jungen Damen sprach. Miss Garth antwortete ihm mit der gleichen Zeremonie in dem gleichen konventionellen Ton. Eine zweite Pause des Schweigens trat ein. Das Summen der Fliegen zwischen den immergrünen Sträuchern unter dem Fenster drang träge ins Zimmer; und das Stampfen eines schwerfüßigen Karrengauls, der jenseits des Gartens die Straße entlang trottete, war in der Stille so deutlich zu hören als wäre es Nacht.
Der Anwalt nahm seine erlahmende Entschlossenheit zusammen, und als er das nächste Mal zum Sprechen ansetzte, kam er zur Sache.
„Sie haben einen gewissen Anlass, Miss Garth“, begann er, „mit meinem Betragen Ihnen gegenüber insbesondere in einer Angelegenheit nicht ganz zufrieden zu sein. Während Mrs. Vanstones tödlicher Erkrankung haben Sie einen Brief an mich gerichtet und darin gewisse Fragen gestellt, die ich, während sie noch lebte, unmöglich beantworten konnte. Ihr beklagenswerter Tod befreit mich von der Beschränkung, die ich mir selbst auferlegt hatte, und erlaubt es mir – oder richtiger gesagt, verpflichtet mich –, zu sprechen. Sie sollen erfahren, welche schwer wiegenden Gründe ich hatte, Tag und Nacht zu warten in der Hoffnung, jenes Gespräch führen zu können, das unglücklicherweise nie stattgefunden hat; und um Mr. Vanstones Andenken Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sollen Ihre eigenen Augen Sie davon in Kenntnis setzen, dass er sein Testament gemacht hat.“
Er erhob sich, öffnete einen kleinen eisernen Safe in einer Ecke des Zimmers und kehrte mit einigen gefalteten Blättern Papier an den Tisch zurück, wo er sie unter Miss Garth’ Blicken offen ausbreitete. Als sie die ersten Worte „Im Namen Gottes, Amen“ gelesen hatte, drehte er das Blatt um und deutete auf das Ende der nächsten Seite. Dort sah sie die wohlbekannte Unterschrift: „Andrew Vanstone“. Sie sah die üblichen Bestätigungen der beiden Zeugen und das Datum