Unerfreuliche Geheimnisse. Ute Dombrowski
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„Er hat mir aufgelauert.“
Paolo nickte wieder.
„Ich bin froh, dass du mich abgeholt hast. Bitte denke nicht, dass ich ihn irgendwie ermuntert habe.“
„Das denke ich nicht, aber ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der soll sich ja nicht wagen …“
Paolo hatte nicht weitergesprochen, aber Nelly sah, wie unsicher und verletzt er war. Sie strich über seinen Arm und war froh, dass sie nun im Weingut angekommen waren und Paolo zur Arbeit musste. Er nahm sie fest in die Arme und küsste sie zärtlich.
„Bis heute Abend, meine Süße. Vergiss den Kerl, einverstanden?“
„Ja, ich will echt nichts von dem.“
Mit gesenktem Kopf ging Paolo davon und Nelly nahm Wuschel in den Arm, der eben auf sie zugelaufen kam. Sie ging ins Haus, nahm die Leine vom Haken und machte sich mit dem kleinen Hund auf den Weg in die Weinberge. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken um Paolo und um Marius.
♥
Am Freitagnachmittag stand Nelly mit gepackter Reisetasche neben Paolo und verabschiedete sich von Benjamin. Sie war mittags noch zu ihrer Mutter gelaufen und hatte ihr erzählt, wie sehr sie sich auf das Wochenende mit Paolo freute. Katja umarmte sie.
„Wenn du in den Sommerferien mal ein bisschen weiter mit ihm verreisen willst, dann seid ihr bei Marie herzlich willkommen. Sie hat vorhin angerufen.“
„Ich hoffe, Paolo bekommt seine zwei Wochen Urlaub, er kann ja nicht die ganzen Sommerferien über mit mir wegfahren. Aber Maries Angebot nehmen wir sicher gerne an. Ich muss jetzt los, Mama. Am Abend essen wir in der Pizzeria. Leon hat sich sogar freigenommen. Wir treffen uns erstmal bei ihm und dann werden wir ein tolles Wochenende haben. Bis Sonntag, wir melden uns zurück.“
„Viel Spaß! Bis Sonntag.“
Katja küsste Nelly auf die Wange, drückte ihr noch einen Geldschein in die Hand und wartete an der Tür, bis ihre Tochter um die Ecke verschwunden war.
Nelly erreichte das Weingut, als Paolo soeben aus dem Bad kam, wo er nach der Arbeit geduscht hatte. Er nahm Nelly in den Arm und sie genoss seinen Duft.
„Bist du fertig? Alles gepackt? Du bist dir darüber im Klaren, dass wir beide auf einer schmalen Couch schlafen?“
„Paolo, das ist das Schönste am ganzen Wochenende. Nein, Spaß, es ist schon in Ordnung. Ich denke doch, wir werden nicht viel schlafen, sondern ganz viel erleben. Ich freue mich. Mama hat mir erzählt, dass Marie angerufen und uns im Sommer zu sich eingeladen hat.“
Paolo war ein wenig verstimmt.
„Da kann meine Familie mit einer Reise nach Eltville natürlich nicht mithalten. Aber ich hoffe, du freust dich auch so.“
„Was soll das denn? Jetzt bist du schon wieder sauer. Du weißt, ich bin überall mit dir glücklich. Das hat doch mit mithalten nichts zu tun.“
„Entschuldige, Süße, so war das nicht gemeint. Jetzt ziehe ich mich an und dann geht es los. Wo ist Wuschel?“
„Er ist unten. Ich gehe nochmal Papa suchen und warte am Auto.“
Damit drehte Nelly sich um und lief die Treppe hinunter. Christian und Benjamin waren im Keller. Nelly setzte sich auf das kleine Fass und sah zu, wie die Männer miteinander redeten. Dann kam Christian auf sie zu.
„Wann wollt ihr los?“
„Paolo muss sich noch anziehen. Ich wollte mich nur verabschieden, Papa. Bis Sonntag.“
„Brauchst du noch Geld?“
„Mama hat mir etwas gegeben, danke für die Nachfrage.“
Sie rutschte vom Fass, als Paolo oben an der Tür nach ihr rief. Schnell küsste sie Christian und Benjamin auf die Wange und rannte hinauf.
Nach kurzer Fahrt kamen sie bei Leon an, der schon Kaffee gekocht hatte. Für Nelly stellte er Kakao und Milch hin. Nachdem Leon Paolo über die Arbeit ausgefragt hatte, wandte er sich an Nelly.
„Was macht die Schule? Nächste Woche sind Osterferien, oder?“
„Alles gut“, plauderte Nelly munter drauflos, „ich muss viel lernen, aber es geht gut voran. Paolo muss ja viel arbeiten, da bleibt genug Zeit für die Schule. Außerdem will ich es mir mit meinen Eltern nicht verscherzen. Sie vertrauen mir, dass ich genug arbeite und die Schule läuft, auch wenn ich bei Paolo wohne. Schließlich ist das meine eigene Verantwortung.“
„Da hast du recht. Lasst uns gleich zu meinen Eltern ins Restaurant fahren. Ihr seid meine Gäste. Danach zeige ich dir, wo ich mein Praktikum mache.“
„Oh, interessant, ich war noch nie …“
Paolo hatte zu lachen begonnen. Nelly grinste.
„Doch, ich war schon bei der Polizei. An der Ostsee, vor fast zwei Jahren, aber das ist eine lange Geschichte.“
Sie machten sich auf den Weg in die Pizzeria, wo sie herzlich begrüßt wurden. Leon hatte einen Tisch in der Ecke reserviert und nun ließen die drei sich das gute Essen schmecken. Leons Mutter setzte sich kurz zu ihnen und der Abend endete sehr spät. Den Besuch auf der Polizeistation hatten sie vertagt.
Am nächsten Morgen frühstückten sie spät und machten dann einen langen Spaziergang am Rhein entlang. In Eltville konnte man gut laufen und weil die Sonne schien, waren unwahrscheinlich viele Leute unterwegs. Mütter und Väter hielten ihre kleinen Kinder fest, damit sie nicht zu nahe ans Wasser gingen. Auf den Bänken saßen alte und junge Menschen und hielten ihre Gesichter in die Sonnenstrahlen. In der Nähe des Schlosses war eine freie Bank und die drei Spaziergänger setzten sich. Paolo legte den Arm um Nelly und Leon eilte los, um für alle ein Eis zu holen. Als er wieder kam, grinste er, weil Nelly und Paolo vor lauter Küssen nicht bemerkt hatten, dass er mit tropfenden Eiswaffeln vor ihnen stand.
„Muss Liebe schön sein!“
Sie saßen und aßen wortlos ihr Eis. Hinter ihnen liefen die Leute weiter gemächlich unter den Bäumen am Rhein entlang, als die Ruhe plötzlich gestört wurde. Ein junges Mädchen auf Inline-Skatern war mit einem Passanten zusammengestoßen und gestürzt. Sie hielt sich den Arm und der ältere Mann polterte ungehalten los.
„Du blöde Göre, kannst du nicht aufpassen? Das sollte verboten sein! Du gefährdest hier die Menschen mit deinen Roll-Dingern.“
Leon war aufgestanden und zu den beiden Streitenden hinter ihrer Bank getreten. Er reichte dem Mädchen die Hand und half ihr beim Aufstehen. Sie kam Nelly bekannt vor.
„Ist dir etwas passiert?“
„Nein, nur der Arm tut mir weh.“
Jetzt mischte sich der ältere Mann ein.
„Noch einer von der Sorte. Diese jungen Leute heute kennen das Wort Rücksicht gar nicht mehr. Jetzt hilfst du der auch noch!“
„Entschuldigung“,