Homo sapiens movere ~ geschehen. R. R. Alval
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Читать онлайн книгу Homo sapiens movere ~ geschehen - R. R. Alval страница 10
Thea warf mir einen kurzen Blick zu, der besagte, dass ich mich daran gewöhnen würde. Ich bezweifelte das. Im selben Augenblick sah sie jedoch irritiert zu Audrey, die uns mit leiser Stimme sagte, das besprochene Notfallszenario wäre eingetroffen. Thea und auch ihre Tochter schienen erstaunlich ruhig. Ich jedoch hatte Hummeln im Hintern und stand kurz vor einem Herzkasper.
Worüber auch immer sie jetzt sprachen, ich verstand gar nichts. Vor allem erinnerte ich mich an kein besprochenes Szenario. Gleich recht keins mit dem nervenaufreibenden Zusatz ‚Notfall‘. „Glücklicherweise haben wir eine Frau hier, die hervorragend mit Waffen umgehen kann.“ Thea sah wissend in meine Richtung. Ich blinzelte. Nickte. Kam es mir nur so vor oder war die Luft im Haus plötzlich dünner. „Ruhig, Chantalle. Atmen. Wir passen schon auf dich auf.“ Es behagte mir gar nicht, dass ich mich außen vor fühlte. Ich musste mich schleunigst zusammenreißen. Herr Gott nochmal, ich war 34! „Von welchem Notfall sprecht ihr?“ Thea und Marlene wechselten einen stummen Blick. Dann sprach meine Nichte. „Genau weiß ich es nicht. Aber Papa hat das Rudel gerufen.“ Funktionierten denn hier draußen Handys?
Oder gar das Telefon?
Thea musste meine Überlegungen bemerkt haben. „Als Wölfe kommunizieren sie anders.“ Ich schluckte. Wenn Eric Verstärkung rief, waren er, drei weitere Wölfe und Roy in Bedrängnis. Richtig? Aber welcher Art? „Was könnte der schlimmste Fall sein?“ Thea holte tief Luft. „Alle denkbaren Möglichkeiten sind kein Zuckerschlecken: Das Militär. Andere Raubwesen. Wobei wir das Militär hören müssten.“ Falls sie nah genug dran waren. „Hörst du etwas?“ Thea sah ihre Tochter fragend an. Die neigte den Kopf, schloss die Augen. „Nein. Aber ich habe deutlich Papas Warnung gehört und seinen Ruf nach dem Rudel.“ So musste man sich im Krieg fühlen.
Waren wir im Krieg?
Eric hatte es vorhin angedeutet. Ich wollte ihm nicht glauben. Die Ungewissheit nagte an mir. Und da war noch etwas anderes, was mir Sorgen bereitete: Raubwesen. Ich wollte gar nicht so genau wissen, was Audrey damit meinte. Um ehrlich zu sein legte ich auch keinen gesteigerten Wert darauf es leibhaftig zu erfahren. „Und jetzt? Bleiben wir hier sitzen oder gehen wir in den Keller?“
„Wir haben keinen Keller.“
„Bunker?“
„Auch nicht.“ Scheiße! „ Wie ist euer Plan?“ Audrey war bereits aufgesprungen und mit unglaublicher Geschwindigkeit aus der Küche gerast. Innerhalb weniger Sekunden war sie wieder da. In den Händen mehrere Handfeuerwaffen sowie zwei Gewehre. Das eine sah aus wie das eines Scharfschützen. Wer sowas nicht kannte, glaubte vermutlich der Schütze hätte vergessen das Visier zu öffnen. Dabei war lediglich ein kleiner Schlitz darin zu finden. Wer von den beiden Frauen war dazu in der Lage einen Scharfschützen abzugeben? Audrey befand ich dafür als zu jung. Allerdings hatte ich Thea bisher nur die Rolle der Mutter und Hausfrau zugetraut. Oder wussten sie, dass ich dazu in der Lage war?
Natürlich!
Darum hatte Thea diese Äußerung von sich gegeben. Wie war es ihnen nur gelungen das herauszufinden? Paps hatte mich inoffiziell an der Waffe ausgebildet. Noch inoffizieller war nur, dass ich die Position eines Snipers einnehmen konnte. Im Gegensatz zu einer professionellen Ausbildung, in der auch das psychologische Profil eine entscheidende Rolle spielte, hatte ich allerdings nur gelernt, wie ich mein Ziel traf. Mir blieb keine Zeit darüber nachzudenken, wie sie das herausgefunden hatten.
Keine Minute später war Audrey das zweite Mal zurück. Beladen mit Munition. „Ok, Mädels, zuhören!“ Thea klatschte in die Hände. „Audrey, du kennst das theoretische Prozedere. Trotzdem zuhören. Chantalle?“ Ich nickte, Thea sprach weiter. „Bewaffnetes, angriffsbereites Militär handlungsunfähig machen. Notfalls ausschalten. Ein anderes Rudel – für dich und mich wird es schwierig. Für dich jedoch noch schwieriger als für mich. Du kennst die Wölfe nicht. Vampire – dann sind wir im Arsch. Die sind noch einen Tick schneller, können sich außerdem teleportieren. Dämonen – hoffen wir, dass es keine sind. Dann würde uns selbst ein Flammenwerfer nichts nützen.“ Flammenwerfer klang ausgezeichnet. „Habt ihr einen?“ Audrey unterdrückte ein Kichern. Thea rollte mit den Augen. „Sollte man meinen, nicht? So mitten im Wald.“ Ach ja, Bäume… und Feuer… vertrug sich schlecht.
Es war eine Weile her, seit ich das letzte Mal eine Waffe in der Hand gehalten hatte. Zumindest, um damit zu schießen.
Beinah acht Jahre, um genau zu sein.
Mehr als dass ich danebenschoss, konnte also nicht passieren. Naja, und dass ich den Löffel abgab.
„Beeilt euch!“, drängte Audrey, die ihren Kopf leicht schräg legte. Was immer sie hörte, musste sie ängstigen. Falls ich ihren Gesichtsausdruck richtig deutete. Thea zog sich rasch an. Ich ebenfalls. Als ich jedoch meinen Rucksack holen wollte, schüttelte sie den Kopf. Packte mich am Ärmel. „Keine Zeit mehr. Los!“ Na toll. Schon wieder rennen!
Aber wenn ich am Leben bleiben wollte, blieb mir keine andere Wahl. Ich folgte Thea. Hinter uns lief Audrey. Sicher konnte sie schneller laufen, aber wir mussten zusammen bleiben. Kurz vor einem dichten Gebüsch überholte sie uns, riss den linken Arm in die Höhe. Abrupt blieben Thea und ich stehen. „Sucht euch Deckung.“, flüsterte sie.
Dann reichte sie uns die Waffen und wurde zu einem Wolf. Dicht an ihre Mutter gedrängt, bugsierte sie diese hinter eine Hecke. Thea nickte. Legte sich flach auf den kalten Boden. Ich legte mich etwa zwei Meter neben sie. Thea hatte eine Pistole in der Hand. Eine andere als Ersatz neben sich liegen. Ich schnappte mir das Scharfschützengewehr, was mir ein aufmunterndes Lächeln meiner Tante einbrachte. Dann nickte sie. Ich ging in Stellung. Wir hatten genug Waffen – falls eine versagte. Plus ausreichend Munition, um ein Dorf zu vernichten. Das einzige, was mich hindern könnte zu treffen, war das zunehmend schwächer werdende Licht.
Dann hörten wir sie: Wölfe. Menschen. Schüsse. Schreie. Sie kamen näher.
Schnell.
Außerdem Hubschrauber. Panik überfiel mich, die ich rasch versuchte abzuschütteln. Einen Heli mit dem Scharfschützengewehr zu treffen, durch die Bäume hindurch war schlichtweg unmöglich. Vielleicht konnte ein im Dienst stehender das bewerkstelligen, ich jedoch nicht. Am liebsten waren mir unbewegliche Ziele. Oder zumindest solche, die die Flugbahn einer Kugel nicht allzu sehr ablenkten. Die Rotorblätter eines Helikopters waren für mich eine solche Ablenkung. Wirbelten die Luft durcheinander. Unmöglich für eine exakte Berechnung. Da bräuchte ich schon einen Raketenwerfer für zufriedenstellende Ergebnisse. Hier unten hingegen herrschte größtenteils Windstille. Es sei denn, der Hubschrauber würde anfangen über unseren Köpfen zu kreisen. Ich holte tief Luft, schloss die Augen, stieß die Luft wieder aus und schlug die Augen auf.
Die ersten brachen durch die Bäume. Anhand ihrer Tarnfarben waren sie gut als Militär auszumachen. Normalerweise müssten sie meine Verbündeten sein. Aber da sie meine neue Familie angriffen, deklarierte ich sie als Feinde. Das Gewehr war entsichert. Der erste Kopf in meinem Visier. Ich spannte den Abzug, drückte ab. Ein glatter Kopfschuss. Einer tot. Ich hatte gelernt, wie man Menschen am Effektivsten ausschaltete. Freilich hätte ich ihm auch nur ins Knie schießen können. Doch das hätte ihn eventuell weiterhin gefährlich für uns sein lassen.
Weitere rückten nach.
Dank der Wölfe, die ebenfalls zwischen den Bäumen hervor brachen, flog unsere Deckung vorerst nicht auf.
Und dann brach das richtige Chaos los. Wesen – so schön, dass sie unmöglich echt sein konnten – schlossen sich dem Kampf an. Manche als Verbündete, andere wiederum nicht. Verdammt! Da ich bei denen nicht unterscheiden konnte, wer Freund oder Feind