Umweg ins Glück. Ute Dombrowski

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Umweg ins Glück - Ute Dombrowski Nelly

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Abschied? Sie las seine Worte noch einmal und konnte sich keinen Reim darauf machen. Es las sich nicht wie ein Abschied, sondern eher wie eine neue Katastrophe. Vielleicht wusste Oliver etwas? Sie würde ihn morgen ganz früh besuchen und fragen.

      Wuschel rollte sich in seinem Körbchen zusammen, als Nelly sich ins Bett legte und das Licht löschte.

      Marius konnte das Licht nicht löschen. Er hatte einen Finger auf den Knopf der hellen Nachttischlampe gelegt, zog ihn aber zitternd zurück. Dunkelheit auszuhalten war erneut zu einem Problem geworden, seit Gabriel wieder in seinem Leben aufgetaucht war. Er hatte bis heute mit niemandem darüber geredet und hatte eigentlich gehofft, dass das Gespräch mit seinen Eltern ihm neue Kraft geben würde. Enttäuscht ging er zum Bücherregal und griff wahllos hinein. Er schlug eine Seite auf, aber sein Verstand begriff nicht, was seine Augen sahen.

      Irgendwann gegen Morgen fiel er in einen unruhigen Dämmerzustand, aus dem er in kurzen Abständen hochschreckte. Dann fühlte er seine Handgelenke nach Fesseln ab. Er spürte förmlich die Kabelbinder, die tief in sein Fleisch einschnitten. In der Nacht damals hatte er irgendwann vor Schmerzen aufgehört zu zerren. Weinend hatte er sich eingenässt und zur Angst war die Scham hinzugekommen, Gefühle, die ihn bis heute nicht zur Ruhe kommen ließen.

      Am nächsten Morgen war er wie gerädert aufgewacht und hatte sich zur Arbeit ins Weingut geschleppt. Dort wartete Nelly schon ungeduldig auf ihn.

      „Guten Morgen, du siehst ja furchtbar aus“, begrüßte sie ihn und drückte ihn auf den Stuhl am Küchentisch, wo sie soeben mit der Kaffeekanne angekommen war.

      Auch Benjamin runzelte die Stirn beim Anblick seines Helfers, aber es sagte nichts. Als Oliver mit den frischen Brötchen kam, begannen sie mit dem Frühstück und planten dabei den Tag. Benjamin verteilte die Aufgaben: Oliver und Marius sollten Bestellungen ausliefern, Benjamin und Christian, der gerade seinen Kopf durch die Tür steckte, wollten in den Weinberg fahren. Katja war mit Bea zum Einkaufen verabredet.

      „Und was mache ich heute?“, fragte Nelly in die Runde.

      Die Männer zuckten mit den Schultern. Benjamin schlug vor, dass sich Nelly mit ihrer Freundin treffen sollte. Am frühen Abend würden alle hier wieder zusammenkommen und gemeinsam grillen. Benjamin und Oliver erhoben sich und folgten Christian hinaus.

      Marius trat zu Nelly und sah ihr in die Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe und wartete gespannt, was er sagen würde. Das Herz von Marius klopfte wie verrückt, als er sich langsam zu ihr hinüberbeugte. Sie atmete aufgeregt ein und aus, schloss die Augen und fühlte seine sanften Lippen auf ihrer Stirn. Nach einer unendlich langen Minute küsste er ihren Mund und Nelly schlang die Arme um seinen Hals. Wortlos, aber mit einem glücklichen Lächeln drehte er sich um und ging hinaus zu Oliver, der am Auto lehnte.

      „Ich habe sie geküsst, endlich habe ich sie geküsst.“

      Vor lauter Freude übersah er den winzigen Anflug von Schmerz in Olivers Augen und stieg ein. Die beiden fuhren vom Hof.

      ♥

      Nach Feierabend hatte Marius Nelly erneut geküsst und nun saßen sie nach einem entspannten Grill-Abend eng aneinander gekuschelt unter der Kastanie. Sie küssten sich, bis Nelly ein Schauer über den Rücken lief, denn es war kühl geworden. Marius zog seine Jacke aus und legte sie um ihre Schultern.

      „Ich werde dann mal nach Hause fahren, Süße. Morgen bin ich wieder da.“

      „Schade, jetzt, wo ich mich gerade so gut fühle. Aber in Ordnung, solange ich dich morgen sehe, darfst du jetzt heim.“

      Marius wäre gerne geblieben, aber er hatte noch immer nicht mit ihr geredet. Sein kläglicher Versuch war vor einer Stunde im Keim erstickt worden, als Nelly von ihren Alpträumen berichtet hatte. Wenn du wüsstest, dachte er und erhob sich. Noch einmal schloss er Nelly in die Arme.

      „Gute Nacht, Nelly. Ich … ich liebe dich.“

      „Ich liebe dich auch, Marius.“

      Nelly lag später in ihrem Bett und plötzlich fiel ihr ein, dass es genau das war, was er im Rettungswagen zu ihr gesagt hatte. Ja, er hatte gesagt: „Ich liebe dich.“

      Wuschel grunzte in seinem Körbchen und mit einem guten Gefühl schlief auch Nelly ein. Im Weingut war auch alles ruhig, nur Oliver lag noch wach. Er war einerseits froh, dass es Nelly gut ging und sie sich wieder verliebt hatte, aber in letzter Zeit hatte es immer in der Gegend seines Herzens geschmerzt. Er konnte die Gefühle, die er für Nelly hatte, schon länger nicht mehr einordnen.

      „Sie ist doch mein kleines Mädchen“, flüsterte er in die Dunkelheit seines Zimmers.

      Am nächsten Morgen saß Simona mit am Tisch. Sie hatte die Brötchen mitgebracht und plapperte schon seit einer halben Stunde ohne Pause. Jetzt setzte Marius seine Tasse geräuschvoll ab. Wie immer hatte er fürchterlich geschlafen. Simona zuckte zusammen.

      „Was hast du denn für ein Problem am frühen Morgen?“

      „Ich habe ein Problem damit, dass DU am frühen Morgen schon so unanständig wach bist. Kannst du mal Luft holen beim Reden, dann kommen auch andere Menschen zu Wort.“

      „Was willst du denn sagen?“, fragte Simona angriffslustig.

      „Ich nicht, aber Nelly hat eine Neuigkeit, die dich sicher interessiert.“

      „Neuigkeit? Was für eine Neuigkeit? Los, rede!“

      Nelly hatte zu lachen begonnen und die anderen stimmten amüsiert mit ein. Nun zwinkerte sie ihrer Freundin zu.

      „Marius und ich sind ein Paar.“

      Simona schaute Nelly mit großen Augen an und schwieg. Die Männer genossen den Moment der Stille, denn sie wussten, dass in Kürze ein Schwall an Fragen auf Nelly niederprasseln würde. Simona holte Luft und wollte lossprudeln.

      „Stopp!“, rief Benjamin. „Wir gehen arbeiten und dann könnt ihr schnattern, solange ihr wollt. Auf, Männer!“

      Sie standen auf, die beiden Mädchen blieben sitzen. Marius küsste Nelly zärtlich zuerst auf den Mund, danach auf die Stirn. Simona sah fasziniert zu. Dann waren sie allein.

      „Was für eine Neuigkeit! Ich dachte, du willst nie wieder einen Mann?“

      „Er ist der Richtige, ich fühle eine sehr starke Verbundenheit.“

      „Das kommt davon, dass er dich gerettet hat. Wie romantisch! So wie bei Noah und mir, nur dass er mich nicht retten musste.“

      Nelly machte gute Miene zum bösen Spiel und dachte: Wenn ich dich nicht bald vor ihm retten muss. Aber sie wollte ihrer Freundin nicht die gute Laune verderben, also verkniff sie sich jede Bemerkung zu Noah. Simona indessen plante schon gemeinsame Aktivitäten. Sie hielt kurz inne, denn ihr war etwas eingefallen.

      „Wie macht ihr denn das in der Schule? Schließlich ist er ja der Sohn vom Direx. Hast du ihn schon zuhause besucht? Habt ihr schon … ich meine … Sex?“

      „Oh Mann, Simona, es geht doch nicht um Sex. Nein, wie haben noch nicht miteinander geschlafen, ich war auch noch nie bei ihm zuhause. Und ich weiß auch nicht, warum das alles in der Schule zu einem Problem werden sollte. Wir sind ein Paar. Punkt. Außerdem

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