Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 14
„Da ist nichts“, höre ich Christiane plötzlich hinter mir sagen und schrecke heftig zusammen.
„Hier auch nicht“, raune ich verlegen. Mir ist peinlich, dass ich wie ein verängstigtes Kaninchen auf sie reagierte.
„Ist schon ein komischer Ort“, sagt sie aber nur und wir begeben uns zu den nächsten Reihen.
Wir finden nichts, außer dem Grab von meinem Opaonkel Otto, der Mama das Haus vererbt hatte und die Grabstätte von einem Onkel und einer Tante von Christianes Vater.
Enttäuscht wenden wir uns dem Hauptausgang zu, der uns an der kleinen Kapelle vorbeiführt, als die Tür aufgestoßen wird und ein alter Mann heraustritt.
Er sieht uns erst missbilligend an, ruft uns dann aber ein: „Guten Tag!“ zu, dass wir höflich erwidern.
Christiane zieht mich schon am Ärmel weiter, weil der Mann ihr wohl unheimlich ist, als er fragt: „Nah, was haben denn zwei Wichter wie ihr hier auf dem Friedhof zu suchen?“
Nicht wissend, was mich eigentlich treibt, starte ich eine Gegenfrage. „Kennen sie die Familie Gräbler?“ Mir kommt der Name angesichts der vielen Gräber unsinnig vor und ich hoffe, der Alte glaubt nicht, ich wolle ihn verulken.
„Oh, die Gräbler …“, meint er sinnierend und greift sich ans Kinn. „Was war das noch für eine Geschichte?“, raunt der Alte und scheint heftig in seinem Gehirnarchiv zu wühlen. „Das ist schon zu lange her. Ich denke nicht, dass da noch Gräber von existieren.“
Ich sehe ihn trotzdem erwartungsvoll an, denn er scheint weiter angestrengt nachzudenken.
„Da war doch noch was. Die Gräbler …? Ach, ich komm nicht drauf.“
Ich will mich schon enttäuscht von dem Alten verabschieden, als er ausruft: „Doch, der Heinrich, genau! Ich kam doch nicht mehr auf den Namen. Der wohnte einige Zeit in unserem Nachbarhaus. Jaja! Der war ein seltsamer Kauz gewesen. Der hat sehr spät noch einen Sohn bekommen und verlor dann kurz hintereinander seine Frau und diesen Jungen. Stimmt!“ Der Alte nickt bedächtig mit dem Kopf. Dann blickt er mich an, ohne mich wirklich zu sehen und scheint zu erstarren. Fast wie ein Flüstern dringen seine Wörter zu uns: „Der Arme … Er hätte seine Familie nicht in dieses Haus bringen dürfen.“
Ich sehe Christiane mit vielsagendem Blick an. Ist das unsere Geschichte und sind das die dazugehörigen Toten?
Plötzlich sieht der Alte uns an, als fiele ihm erst jetzt unsere Gegenwart ein. Er räuspert sich und sagt laut: „Da war auch noch der Bruder von dem Heinrich. Mein altes Gehirn lässt mich nicht im Stich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Bruder … wie hieß der noch? Der war auch so seltsam. Der hatte das Haus, in dem Heinrichs Familie starb, vor ihm bewohnt. Der war doch ein Hexer und wurde ver…“ Der Alte verstummt und sieht sich um, als hätte er Angst, jemand könnte ihn gehört haben. „Aber was interessieren euch so alte Geschichten? Lernt ihr in der Schule nichts Ordentliches?“, schnauft er und seine Augen verengen sich, als wären wir plötzlich Feinde.
Wir bedanken uns schnell und eilen an ihm vorbei dem Ausgang des Friedhofes entgegen.
„Mein Gott! Kriegst du das alles auf die Reihe?“, fragt mich Christiane verwirrt und ich blicke mich schnell noch einmal um, ob der Alte uns nicht doch noch folgt, um uns vom Friedhof zu jagen, wie räudige Hunde. Er hatte im letzten Augenblick so danach ausgesehen.
Ich sage nichts und bemühe mich, meine Gedanken zu sortieren. Der Alte hatte uns eine Menge verraten, was ihm hinterher scheinbar sehr leidtat. Es scheint mir, als wäre ihm etwas eingefallen, das nicht an die Öffentlichkeit dringen darf und was er uns fast verraten hätte.
„Dann stimmte die Geschichte von deinem Vater also. Es starben wirklich eine Frau und ihr Kind in dem Haus, und zwar die von diesem Heinrich. Und wenn wirklich sein Bruder Kurt als Geist schuld an deren Tod war?“ Ich schüttele verunsichert den Kopf. „Oder habe ich da etwas nicht richtig verstanden?“
Christiane antwortet, einen Stein vom Gehweg auf die Straße kickend: „Poor, ich weiß auch nicht.“
So versuchen wir auf dem Weg zur Schule alles in die richtige Reihenfolge zu bringen.
„Dieser Kurt kaufte unser Haus und wurde da vielleicht von den damaligen Bürgern dieser Stadt verbrannt … oder er ging doch wieder nach Ägypten zurück. Sein Bruder Heinrich bezog das Haus mit seiner Frau. Ob er dort erst Vater wurde oder das Kind schon auf der Welt war, wissen wir nicht. Aber dort starben seine Frau und sein Sohn. Leider haben wir davon keine genauen Daten.
Heinrich gab das Haus an Otto weiter, der es für verflucht hielt und dort nicht einzog. Warum Heinrich es Otto gab, und in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zueinander standen, ist mir schleierhaft. War Maja seine Tochter und Otto sein Enkel? Dann vererbte Otto es meiner Mutter, weil sie seine Tochter ist, was bis dahin keiner wusste.“
„Mensch, deine Familie hat ja echt was zu bieten. Da ist unsere Familiengeschichte ja so langweilig wie das Liebesleben von Ameisen“, meint Christiane und grinst.
„Woran die Frau und der Junge von diesem Heinrich wohl gestorben sind?“, frage ich nach einiger Zeit des Schweigens nachdenklich.
„Keine Ahnung! Aber ist das für uns denn wichtig?“
„Eigentlich schon. Denn das muss der Grund gewesen sein, warum Otto nicht in das Haus zog und die Leute lange Zeit von einem Fluch oder einem Geist sprachen, wenn sie das Haus meinten.“
Wir werden jäh von einer auf uns zustürmenden Gruppe Mädchen unterbrochen, die auch auf ihre Busse warten müssen und in deren Pulk zwei Cousinen von Christiane sind. In Sekundenschnelle umringen sie uns und plötzlich ist der fünfzehnte Geburtstag einer der Cousinen wichtigstes Gesprächsthema.
„Chrissi! Hast du deine Eltern gefragt, ob ich meine Party bei euch machen darf?“ Das blonde Mädchen mit der dicken Brille auf der Nase hüpft vor uns auf und ab.
„Nee, mach ich heute Abend“, brummt Christiane.
„Du hast es mir versprochen!“, ruft ihre Cousine und zappelt wieder aufgedreht vor uns herum.
„Ja, ja. Heute Abend. Ich rufe dich dann an“, raunt Christiane genervt. Sie zieht mich schnell mit. „Mein Vater ist ihr Patenonkel und wird bestimmt erlauben, dass sie ihre bescheuerte Party bei uns feiern kann“, flüstert sie und klingt ziemlich entsetzt über diese Aussicht.
Hoppelnd und mit springendem Pferdeschwanz haben wir das Mädchen plötzlich wieder vor uns. „Ach, du und deine Freundin, ihr seid natürlich auch eingeladen und es kommen ganz viele tolle Jungen“, ruft sie übermütig und wirkt eher wie ein Mädchen, das sich auf ihren zehnten Geburtstag freut. Sie sieht mich mit ihren durch die Brillengläser großen Augen herausfordernd an und ich bedanke mich höflich für die Einladung, die mich aber im Moment überhaupt nicht interessiert.
Nun sind auch die anderen Mädchen wieder um uns versammelt und Christiane unterbricht unseren erfolglosen Versuch, ihnen zu entkommen. Alles redet durcheinander und macht Gestaltungspläne für die große Feier und es scheint für alle klar zu sein, dass dies die Jahrhundertparty werden wird. Christiane und ich bemühen uns, etwas aufkeimende Begeisterung zu zeigen, um die anderen nicht stutzig werden zu lassen. Aber ihre Party ist uns im Moment wirklich