Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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Schwierigkeiten, ihren biologischen Vater als Vater zu sehen und ihren Ziehvater als Onkel.

      Ich grübele nach, wie ich meine nächste Frage formulieren kann, die mich dichter an mein Ziel bringen soll. Dann fällt mir das Richtige ein. Ich frage Mama: „Mussten deine Urgroßväter oder ihre Brüder nicht auch in den Krieg ziehen?“

      Julian sieht mich mit einem seltsamen Ausdruck an. Er scheint erstaunt zu sein, was ich für Fragen stelle und welche Zusammenhänge ich scheinbar sehe. Zumindest bilde ich mir ein, dass sein Blick genau das aussagen soll.

      Mama scheint wieder nachzudenken und sagt langsam, als müsse sie jedes Wort erst in ihrem Kopf suchen: „Ja … doch … die mussten bestimmt auch. Ich glaube, dass von ihnen einer sogar extra wieder von weit her anreiste, um für sein Vaterland zu kämpfen.“

      „Für sein Vaterland kämpfen … So ein geschwollener Mist!“, regt Papa sich auf. „Das waren doch damals Zustände wie im alten Rom!“

      Wir ignorieren ihn.

      „Woher kam der denn?“, frage ich schnell und werfe Julian einen Blick zu, der plötzlich hellwach zu sein scheint. Er sieht mich immer noch groß an und ich weiß, dass er mein Spiel durchschaut hat.

      „Der lebte lange Zeit angeblich in Ägypten“, sagt Mama und nimmt sich noch eine Tasse Tee, wobei sie meinem Vater einen beunruhigten Blick zuwirft.

      „Wow!“, rufe ich aus und hoffe, dass sie einfach weiterplaudert. Doch sie sagt nichts mehr und so frage ich weiter: „Und, fiel der auch im Krieg?“

      Mama sieht von ihrer Tasse auf, in der sie laut klimpernd herumrührt. Erst trifft ihr Blick mich, dann wieder meinen Vater.

      Der schmiert sich ein neues Brot und scheint unser Gespräch beleidigt nicht weiter verfolgen zu wollen.

      Ich warte auf Mamas Antwort.

      „Ich denke …“, kommt diese dann auch, „dass man die alten Zeiten ruhen lassen sollte. Genau weiß ich das ja auch alles nicht und bevor ich dir Blödsinn erzähle …“

      Sie richtet sich an Julian und fragt, ganz abrupt das Thema wechselnd: „Was habt ihr denn in letzter Zeit in Schwimmen gemacht? Hast du eigentlich dieses Jahr vor, dein Goldabzeichen zu machen?“

      „Mama, wir haben doch dieses Halbjahr gar kein Schwimmen mehr“, brummt Julian grimmig und mir ist klar, dass Mama das Thema, das Julian und mich wirklich interessiert, nicht mehr vertiefen will. Und da kenne mal einer die Sturheit meiner Mutter.

      Ohne dem Fernseher Aufmerksamkeit zu schenken, falle ich an diesem Abend ins Bett.

      Von vielem nun wissend, dass es irgendwie der Wahrheit entspricht und doch von allem nichts Genaues, liege ich da und überdenke alles noch einmal. Etwas brennt sich mir als sehr ungeheuerlich ins Gedächtnis. Da kam dieser Kurt extra aus Ägypten, wo er erfolgreich und wahrscheinlich auch glücklich gewesen war, in sein sogenanntes Heimatland zurück, um es zu verteidigen und wird von den Menschen als Hexer verbrannt. Das ist schon echt heftig.

      Ich werfe mich hin und her und ahne irgendwie, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist. Mir drängen sich die Fragen auf, wann dieser Kurt nach Deutschland zurückkehrte und wann er starb … oder verschwand. Das muss doch herauszufinden sein.

      In mir scheint ein Wurm mit jeder Sekunde des Nachdenkens darüber dicker und behäbiger durch mein Inneres zu kriechen und ein schreckliches Unbehagen auszulösen. Warum regen mich nur die Gedanken an so längst vergangene Zeiten so auf? Warum interessiert mich das Ganze überhaupt so? Eine Frage, die ich mir in den letzten Tagen schon oft gestellt habe und die irgendetwas in mir auf Anhieb beantworten könnte, wenn ich es zulassen würde. Aber da gibt es eine Mauer, die sich scheinbar durch meinen Körper zieht, wie die Mauer, die damals Berlin in Ost und West getrennt hatte. Bloß das sie bei mir mich und irgendetwas anderes zu trennen scheint, das in mir wohnt.

      Wieder werfe ich mich auf die andere Seite und streiche mir das wirre Haar aus dem Gesicht. In meinem Zimmer ist es stockfinster und ich höre das seichte Rauschen des Wäldchens mit der Sandgrube, das sich auf der anderen Straßenseite gegenüber unserem Haus erhebt.

      Ich kann einfach nicht in den Schlaf finden, obwohl ich mich todmüde fühle.

      Wieder ranken sich meine Gedanken um diesen Kurt und plötzlich sehe ich ihn. Er ist erst nur schemenhaft in der Dunkelheit zu erkennen, dann kommt er näher und das helle Licht eines Blitzes erhellt sein Gesicht. Schmutzig und mit entsetztem Ausdruck in den Augen läuft er auf mich zu. Seine Haare liegen unter einem Helm versteckt und er trägt einen grauen Anzug, der so verdreckt ist, dass er von allein stehen könnte. Hinter ihm sehe ich noch mehr Gestalten, die aber einfach umfallen. Einer schreit einen Namen: „Kurt … KURT! Hilf mir!“

      Ich sehe zur Seite und dort kniet jemand auf der Erde. Ich spüre plötzlich eine Angst um diesen Menschen durch meine Eingeweide kriechen und renne zu ihm.

      In dem Augenblick fällt er vornüber in den Schlamm.

      Ich schreie mit einer tiefen Männerstimme: „Nein! Martin! Steh auf, du darfst hier nicht liegen bleiben.“ Mich neben ihn in den Schlamm werfend, greife ich nach seinen Schultern und drehe ihn um.

      Überall ist Blut …

      In meinem Kopf schreit etwas, dass ich nach Kurt suchen muss. Dieser Mann wollte Kurt sehen.

      Ich werfe den Kopf herum und suche in den an mir vorbei springenden Körpern nach dem Gesicht, das ich eben noch vor mir gesehen hatte.

      Plötzlich zerrt jemand an mir. „Komm, Kurt! Du kannst Martin nicht mehr helfen.“ Jemand reißt mich auf die Füße und ich laufe mit ihm mit, eine schreckliche Angst und Traurigkeit fühlend.

      Ein dazu unpassendes, erschrockenes Gefühl ergreift mich plötzlich, dass ich scheinbar selbst Kurt bin. Das passt doch alles gar nicht zusammen!

      Dennoch renne ich weiter. Mit meinen kalten, klammen Händen umklammere ich ein Gewehr, obwohl ich es lieber entsetzt wegwerfen möchte.

      Vor uns sehe ich eine Anhöhe und wir klettern, wie viele andere Körper auch, hinauf und lassen uns in den schlammigen Abgrund fallen.

      „Geschafft!“, raunt neben mir die Gestalt, die mich von Martin weggezerrt hatte. Über uns knallt und donnert es. Der Himmel scheint zu glühen.

      Ich zittere am ganzen Körper und spüre ein Zerren an meinen Armen und höre eine Stimme, die mir so seltsam vertraut ist und so gar nicht in dieses Bild der Zerstörung passt. „Carolin! Wach auf! Das ist nur ein Traum! CAROLIN!“

      Ich schlage die Augen auf und starre in dem Licht meiner Nachttischlampe Julian an, der neben meinem Bett kniet. Er sieht mich aufgebracht an. „Nah endlich. Ich dachte schon, ich bekomme dich nie wach.“

      Verwirrt setze ich mich auf. Das war alles nur ein Traum!?

      Ich liege in meinem Bett und nicht in einem Schützengraben mitten unter Beschuss eines sinnlosen Krieges.

      Julian horcht auf und murmelt dann beruhigt: „Wir haben echt Glück. Mama und Papa haben nichts davon mitbekommen. Sonst hätten wir jetzt ein echt großes Problem.“

      Ich verstehe ihn nicht. Jeder träumt doch mal irgendeinen Blödsinn. Ich halt immer wieder den gleichen.

      Kälte

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