Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 19
Doch er hört nicht auf mich, kommt näher, bis er vor mir steht und greift nach den Zetteln, die ich in den zitternden Händen halte. Er starrt mich erneut mit einem Ausdruck an, den ich nur schwer deuten kann. Leise raunt er: „Du interessierst dich für Alchemie?“
„Siehst du doch“, antworte ich biestig und reiße ihm die Zettel aus der Hand. Mit meinem aggressiven Verhalten versuche ich den seltsamen Tumult in meinem Inneren zu überspielen. Und da ist einiges, das überspielt werden muss.
„Hier wohnte mal ein Alchemist“, raunt er und seine dunklen Augen scheinen mich durchbohren zu wollen.
„Ich weiß“, murre ich und fühle mich unter seinem Blick wie eine Maus im Sichtfeld eines Bussards.
„Und ich weiß, dass du das weißt“, antwortet der Junge und dreht sich langsam um. Ich sehe ihm hinterher, wie er wieder die Rasenfläche zu dem Rosenbusch hinuntergeht.
Ich folge ihm vorsichtig und frage: „Was suchst du eigentlich?“, zu weiteren Feindseligkeiten nicht mehr fähig.
Der Junge sieht mich kurz an und scheint meine Frage nicht beantworten zu wollen. Das finde ich wieder extrem unhöflich und frage ihn noch einmal barsch: „Was suchst du in meinem Garten?“
Diesmal geht er einfach, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen, wieder Richtung Feld und murmelt, dass ich es noch gerade verstehen kann: „Haben dir deine Träume das noch nicht verraten?“
Ich will ihm folgen, bleibe aber wie angewurzelt stehen. Habe ich richtig gehört? Weiß dieser Kerl von meinen Träumen?
Ach Quatsch! Ich muss mich verhört haben.
Dennoch werde ich erneut wütend. Lässt mich der Kerl hier einfach ohne Erklärung stehen. Ich weiß immer noch nicht, was er in unserem Garten wollte und woher er Dinge weiß, die eigentlich nur ich und mein Bruder wissen können.
Ich flüstere zu mir selbst: „Das kann doch nur einer von Julians blöden Kumpels sein, dem Julian davon erzählt hat“, und beschließe, meinem Bruder am Abend gehörig die Meinung zu sagen.
Aber nun stehe ich nur mitten im Garten und starre dem Jungen hinterher, der über das Feld verschwindet. Die Sonne funkelt in seinen dunklen Haaren. Mir erscheint es fast so, als käme er von einem anderen Stern.
Ich kehre verwirrt zu meinem Platz zurück und werfe mich auf die Decke. Mein Herz schlägt immer noch bis zum Hals und ich schiebe es darauf, dass dieser Typ mich so wütend gemacht hat. Ich muss unbedingt abends Julian fragen, wer er ist.
In Gedanken sehe ich seine dunklen Haare erneut in der Sonne glänzen und wie er sich zu mir umdrehte und seine glühenden Augen auf mich richtete. Ich wünsche mir sofort, ihn bald wiederzusehen und mehr über ihn zu erfahren.
Schnell die Zettel greifend, versuche ich mich wieder der Studie über Alchemie zu widmen, muss mich aber geschlagen geben. Ich bin nicht in der Lage, diesen Jungen aus meinem Kopf zu verbannen. Weiß er wirklich von meinen Träumen?
Ich springe auf und beginne den Garten abzusuchen. Ich weiß nicht, was ich suche. Dennoch halte ich meine Augen auf den Boden vor mir gerichtet, um irgendetwas zu tun, was mich mit dem Jungen verbindet. In meinen Gedanken höre ich mich erneut fragen: „Was suchst du hier?“ Und seine Antwort durchdringt meinen Kopf wie eine Droge mit Horrorwirkung: „Haben dir deine Träume das noch nicht verraten?“
Die Sonne brennt auf mich hinunter und ich schwitze, obwohl ich nichts Anstrengendes tue. Ich krabbele auch unter den Rosenbusch und schreie auf, als die Dornen in meinem Haar festsitzen und mich nicht mehr freigeben wollen.
„Verdammt!“, schnauze ich und höre meine Mutter hinter mir sagen: „Nah, warte mal! Du hängst ja hoffnungslos fest. Ich helfe dir.“
Als sie mich befreit hat, sieht sie mich seltsam an. „Was suchst du unter dem Busch? Ostern ist echt schon eine Weile her.“
„Haha!“, fauche ich wütend darüber, mich in eine so missliche Lage gebracht zu haben. „Ich habe Ball gespielt und der ist mir darunter gekullert.“
Etwas Blöderes fällt mir nicht ein und Mamas Gesichtsausdruck verrät mir, dass sie dasselbe denkt. Sie hat Handschuhe an und einen Eimer und einen Hecker in der Hand und macht sich nun daran, das Rosenbeet vom Unkraut zu befreien.
„Wenn du so erpicht auf den Garten bist, dann kannst du mir ja helfen, die Beete durchzuhacken.“
Ich winke schnell ab und laufe zu meiner Decke, auf der sich durch den aufkommenden Wind die Zettel schon breit verteilt haben. Mama darf auf gar keinen Fall sehen, was ich da so intensiv studiere. Sie würde das bestimmt nicht gutheißen. Gerade weil ich auch in der Schule in der letzten Zeit ziemlich nachlasse.
So packe ich alles schnell zusammen und bemerke gerade noch wie Julian mit seinem Fahrrad in die Garage fährt.
Ich eile hinter ihm her, weil ich darauf brenne, mehr über diesen Jungen zu erfahren.
Aber ich treffe Julian erst in seinem Zimmer an, in dem er abgekämpft seine Sporttasche abwirft.
„Puh, ich muss erst einmal duschen“, sagt er, statt einer normalen Begrüßung. Augenscheinlich hat er keinen Bock auf ein Gespräch mit mir.
Dennoch werfe ich hinter uns seine Zimmertür zu, um unnötige Gesprächsteilnehmer auszuschließen, was mir einen überraschten Blick meines Bruders einbringt.
„Gibt’s was?“, fragt er.
Ich weiß nicht so recht, was ich ihm nun sagen soll. Soll ich ihn gleich zusammenfalten oder vorsichtig an das Thema herangehen?
In meiner heftigen Art komme ich gleich zur Sache, was meistens unklug ist. „Da war heute ein Typ in unserem Garten, der wohl ein ganz dicker Busenfreund von dir ist“, spuke ich ihm wütend entgegen.
„Was? In unserem Garten? Wer war das? Michael oder Marcel? Ach nein, die waren doch mit mir beim Training.“
„Nicht Michael oder Marcel. Einen, den ich nicht kenne, der aber eine ganze Menge von mir weiß.“
Julian sieht mich seltsam an. „Du kennst doch alle meine Freunde. Davon war es keiner?“
„Nein, den habe ich noch nie bei dir gesehen“, antworte ich und werde unsicher. „Aber er weiß von meinen Träumen. Das kannst doch nur du ihm erzählt haben, oder?“
Julian wird augenblicklich hellhörig und ich bin mir sicher, den Schuldigen gefunden zu haben. Doch dann sieht er mich nur irritiert an und packt mich an den Schultern. Seine braunen Augen funkeln mich böse an. „Er weiß von deinen Träumen? Woher?“
„Das frage ich dich!“, schnauze ich ihn an.
„Ich habe niemanden davon erzählt.“ Er lässt mich los und scheint zu überlegen. „Vielleicht haben Mama oder Papa …?“
Das erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, muss aber in dem Fall, dass Julian es nicht gewesen war, stimmen. Doch von Julians Unschuld bin ich noch nicht überzeugt und außerdem weiß ich noch immer nicht, wer der Junge ist.
So beschreibe ich Julian den Typ, in der Hoffnung,