Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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      Seit Julian mich aus meinem Traum riss, kehren sie öfter und heftiger wieder und meine Nächte werden immer mehr zu einer Qual. Julian hat sich zur Gewohnheit gemacht, mich nach besonders heftigen Träumen aufzuwecken, damit Mama und Papa nichts von meiner nächtlichen Odyssee bemerken.

      Ich bin verzweifelt und wage kaum noch ins Bett zu gehen. Das sieht man mir auch bald an. Mama wirft mir immer besorgtere Blicke zu, wenn ich morgens am Frühstückstisch erscheine und fragt immer öfter, ob ich denn gut geschlafen habe.

      So auch an diesem Morgen.

      Julian spinnt eine rettende Erklärung zusammen. „Mama, wusstest du, dass man in einem Schlafzimmer immer erst nach Wasseradern suchen muss, damit man nicht versehentlich sein Bett daraufstellt? Denn Wasseradern bescheren einem einen unruhigen Schlaf.“

      Fast hätte ich laut losgelacht, konnte es aber noch rechtzeitig unterdrücken. Julian ist manchmal echt verrückt.

      Aber als ich an diesem Nachmittag von der Schule nach Hause komme, ist mein Zimmer umgestellt. Mein Bett steht in einer anderen Ecke und meine Mutter strahlt mich glücklich und verschwitzt an.

      Ich bin wenig begeistert, hoffe aber, dass die Träume wirklich aufhören.

      Tatsächlich geht eine ganze Woche ins Land, ohne dass ich schlecht träume. Ich kann es fast nicht glauben. Den einzigen Schrecken, den ich in diesen Nächten erleben musste, wenn ich mal wach wurde, beschert mir ausgerechnet Julian.

      Meinen Bruder saß im Dunkeln auf meinem Sofa und starrte mich an.

      Das erste Mal fragte ich ihn, was er in meinem Zimmer sucht. Schließlich hatte ich keinen schlimmen Traum.

      Er verdrückte sich sofort, ohne zu antworten, in sein Zimmer, wie ein Flaschengeist, den man mit einem Spruch wieder zurück in seine Flasche hext.

      Als er weg war, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Schließlich stand er mir bisher zur Seite, wenn mich die Träume heimsuchten, die mich oftmals zu Tode erschreckten. Ihn nun so rüde zurechtgewiesen zu haben, tat mir leid.

      So beschloss ich bei den nächsten zwei Malen, in denen ich Julian in meinem Zimmer erwischte, ohne dass ich schlimm träumte, seine Anwesenheit zu ignorieren, drehte mich einfach um und schlief weiter. Eigentlich ist es ja ganz beruhigend, dass er über meinen Schlaf zu wachen scheint. Wenn ich mich auch frage, ob er da immer nur sitzt oder ob er auch mal auf meinem Sofa schläft? Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil er sich so viel Stress wegen mir macht.

      Es ist der letzte Freitag im April und die Sonne scheint so verlockend, dass ich schnell den Computer wieder ausmache, an dem ich mir mehrere Seiten über Alchemie aus dem Internet ausgedruckt hatte. Eine seltsame Faszination geht in letzter Zeit für mich von diesem Thema aus und ich bin wie besessen, mehr darüber zu erfahren. Aber das will ich in der hellen Sonne des Frühsommers tun.

      Ich hole mir eine Decke und ein Kissen, dazu ein Glas Eistee und marschiere in den Garten. Der Rasen ist am Tag zuvor von Julian gemäht worden und der Garten wirkt dadurch gepflegter. Es macht richtig Spaß, sich einen schönen Fleck Erde zu suchen und sich die Sonne auf den Rücken scheinen zu lassen, während man die Seiten durchliest, die von den Chemikern des Mittelalters berichten. Ich lese von dem Stein der Weisen, der immerwährendes Leben verspricht, von der Herstellung irgendeines minderen Stoffes in Gold und einer Methode, Gold in ein Lebenselixier umzuwandeln, das alle Krankheiten heilen soll. Die letzten Seiten berichten von einer Smaragdtafel, die ein gottgleicher Mensch Namens Hermes geschrieben haben soll und deren Übersetzung mir im Ohr klingt, als hätte ich diese Worte schon tausendmal gehört. Dennoch will mir ihr Sinn nicht klarwerden: Oben ist gleich dem Unten und Unten ist gleich dem Oben, um das Wunder des einen Prozesses zu erreichen … heißt es da. Oder: Der eine Prozess steigt von der Erde zum Himmel und wieder hinunter zur Erde, um in einem größeren Oben und Unten wiedergeboren zu werden, um das Licht der ganzen Welt zu erben und alle Dunkelheit zum Weichen zu zwingen.

      Ich verstehe nicht viel von dem, was da geschrieben steht. Aber ich verstehe auch nicht viel von dem, was die wahre Natur eines Alchemisten ausmachen soll. Sie waren Mischer von verschiedenen chemischen und biologischen Stoffen, immer auf der Suche nach einer neuen, großen Entdeckung. Sie hatten Laboratorien, in denen sie experimentierten, um lebenserhaltende Stoffe zu erfinden oder Gold herzustellen. Sie erforschten die Kräfte der Natur und versuchten sie sich zu Eigen zu machen. Sie suchten nach anderen Dimensionen und erforschten die Formen des Sterbens und der Wiedergeburt. Es gab Alchemisten, die als Hexer verbrannt wurden, weil sie blutjunge Mädchen töteten, um aus ihnen Lebenssaft für ein längeres Leben zu gewinnen.

      Alles klang außergewöhnlich, aufregend und zum Teil auch völlig verrückt und gruselig.

      Ich bin so in die Seiten vertieft, dass ich erst gar nicht bemerke, wie sich jemand unserem Garten über das angrenzende Maisfeld nähert. Erst als ich plötzlich eine seltsame Unruhe in mir spüre, sehe ich auf und fahre erschrocken zusammen.

      Da ist wieder dieser Junge mit den dunklen Haaren und den dunklen Augen. Er kommt direkt auf unseren Garten zu, als wäre es das Natürlichste von der Welt, dass jemand über das Feld in unseren Garten marschiert. Doch er hält sich am untersten Ende unserer Rasenfläche auf und läuft zwischen der Bruchsteinmauer und den ersten Beeten mit der jungen Kastanie und den halb hohen Stauden auf das Grundstück des Nachbarn zu, das dieser als verwahrlostes Feuchtbiotop unbeachtet lässt. Der Junge scheint sich brennend für dieses letzte Stück unseres Gartens zu interessieren und sieht sich noch nicht einmal um, ob ihn vielleicht jemand beobachtet.

      Ich liege hinter einem Blumenbeet, in dem die ersten Blumen, die Mama gepflanzt hatte, sich öffnen und überlege, was ich tun soll. Irgendwann wird er mich entdecken und das wäre mir wirklich peinlich, weil es so aussieht, als würde ich mich verstecken. Aber ich kann auch nicht so tun, als hätte ich ihn nicht bemerkt.

      Mit klopfendem Herzen krieche ich erst einmal weiter hinter das Beet und hoffe, er kommt nicht näher.

      Doch den Gefallen tut er mir nicht. Er sucht weiter den Boden mit den Füßen ab und tritt an einigen Stellen mehrmals fest auf. Dabei kommt er mir bedenklich nahe. Er klettert sogar unter Mamas Wildrosenbusch, der an mein Beet grenzt und bleibt ein paar Mal an den langen Stacheln hängen.

      Mir wird das Ganze langsam zu blöd. Was bildet sich der Typ eigentlich ein?

      Gerade als er mir den Rücken zudreht, nehme ich allen Mut zusammen und springe auf. „Hey, was machst du hier?“

      Ich will eigentlich ganz energisch klingen, doch meine Stimme kommt mir eher wie das Piepsen einer Maus vor.

      Der Junge dreht sich langsam um. Hatte ich erwartet, dass er schnell das Weite suchen wird, so habe ich mich getäuscht. Stattdessen kommt er langsam auf mich zu.

      Ich starre ihm entsetzt entgegen. Das kann er doch nicht machen!

      Einen Moment überlege ich, ob ich nicht besser weglaufen soll. Doch diese dunklen Augen halten mich an meinem Platz. Er sieht entsetzlich gut aus und ich ertappe mich dabei, das auch noch zu bemerken. Er ist groß und schlank, trägt eine schwarze Jeans und einen dunkelblauen Pullover und seine schwarzen Haare glänzen in der Sonne.

      Mein Herz pocht in meiner Brust, als wolle es herausspringen.

      Als er nur noch einige Meter von mir entfernt ist, sagt er mit einer unglaublich wohlklingenden Stimme: „Und warum versteckst du dich hinter einem Blumenbeet?“

      Ich spüre, wie ich rot wie eine Tomate werde. Umso wütender antworte ich

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