Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Ich starre ihm nur dümmlich hinterher. Mama kann ich durch die geschlossene Tür wettern hören. Bloß was sie sagt, kann ich nicht verstehen. Aber warum regt sie sich so auf?
Nun höre ich sogar die Stimme meines Vaters. Auch er scheint ziemlich wütend zu sein.
Julian kommt zum Tisch zurück und raunt: „Auweia! Was war denn heute in der Schule los? War was mit diesem Professor, den du erwähntest?“
In dem Moment fliegt die Tür auf und ich höre noch Mamas erhitzten Ausruf: „Wenn sie wieder diese Träume kriegt, zeige ich die alle an!“
Papa besänftigt sie und legt seinen Zeigefinger auf die Lippen. Also soll in unserer Gegenwart nicht darüber gesprochen werden.
Ich bin siebzehn und sehe nicht ein, dass irgendetwas vor mir verheimlicht werden muss. So frage ich mit pochendem Herzen: „Was ist denn los?“
Mama sieht mich wütend an und faucht: „Warum hast du denn nichts erzählt? Du kannst uns doch ruhig alles sagen!“
Ich sehe sie entgeistert an. „Was erzählt?“
Nun ist es Papa, der loslegt. „Nah, diese Lehrervertretung heute. Das eben war deine Klassenlehrerin, die etwas besorgt ist, weil du da heute angeblich mit einem Lehrer zusammengekracht bist, der nicht ganz richtig im Kopf ist.“
Julian starrt mich mit hochgezogenen Brauen an.
Alle starren mich plötzlich an.
„Ach das. Das war gar nicht so schlimm. Ich war nur etwas … überrascht“, versuche ich die Sache abzutun. „Dass die deswegen anrufen!“
Mama und Papa sehen sich an und Mama fragt leise: „Der muss dir doch mit seinen Hirngespinsten tüchtig Angst gemacht haben?“
Ich kann mir irgendwie nicht helfen. Es ist so offensichtlich, dass sie den alten Professor als vollkommen irre hinzustellen versuchen, dass ich hellhörig werde. Dazu die Geschichte von Julian, der mich fast bittend ansieht, als hätte er etwas zu befürchten. Ich komme mir seltsam ausgeschlossen und wie in Watte gepackt vor. Und das ist etwas, was ich gar nicht mag. So gehe ich auf Konfrontationskurs, was die Gesichter aller am Tisch Sitzenden zu Grimassen des Schreckens werden lässt.
„Aber was ist denn an der Geschichte dran, dass dein Urgroßvater hier verbrannt worden sein soll?“, wende ich mich an Mama.
Man hätte eine Stecknadel klirren hören können, wäre eine auf den Boden gefallen.
Julian sieht mich mindestens genauso entsetzt an, wie meine Eltern. Scheinbar befürchtet er, dass ich ihn nun doch verrate. Er kann ja nicht wissen, dass in der Schule der Professor für Geschichte schon für eine Überraschung für mich gesorgt hatte. Ich weiß nur nicht, was meine Eltern alles von dem Gespräch mit dem alten Mann wissen.
Mama hebt zu einer ungläubigen Gegenfrage an: „Darüber hat der Lehrer mit dir gesprochen?“
Ich würde am liebsten meiner Mutter von dem Fossil berichten, das sie für einen Lehrer hält. Und wenn ich nun auch noch erwähne, dass der mich verbrennen wollte? Aber natürlich tue ich das nicht. Sie regen sich sowieso schon so schrecklich auf.
Meine Frage hängt in der Luft, wie einer dieser klebrigen Fliegenfänger, mit denen man besser nicht in Berührung kommen sollte.
Mama springt auf. „Ich schiebe die Pizzen noch einmal kurz in den Ofen. Die sind bestimmt schon wieder kalt.“ Sie greift nach dem Blech und läuft zum Backofen. Dort hantiert sie herum, als müsse sie erst einmal ein Feuer entfachen und Holzscheite darauf platzieren.
Julian und ich sehen Papa an. Der versucht unseren Blicken auszuweichen. Aber letztendlich muss er sich uns doch stellen.
„Tja, irgendwann musste es ja mal so kommen. Das ist wahrscheinlich unvermeidlich, weil wir hierhergezogen sind“, druckst er herum.
Mama kommt langsam zum Tisch zurück. Schwerfällig setzt sie sich auf ihren Stuhl. „Mein Gott! Ich dachte, das wäre alles vorbei!“
Papa antwortet ihr: „Solange da draußen immer noch ein paar Verrückte herumlaufen … Die Leute vergessen nie, Sophie. Daran hätten wir denken müssen, als wir in das Haus zogen.“
Ich, und ich glaube auch Julian, weiß plötzlich, dass die Sache mit dem Urgroßvater aus Ägypten der Wahrheit entsprechen muss. Wenn es auch schon ewig her ist, so scheint es so schlimm und mysteriös gewesen zu sein, dass es nun sogar auf mich einen Schatten wirft. Aber was war damals geschehen? Was war so Schlimmes passiert, dass es heute noch Leute gibt, die meinen, mich noch dafür verbrennen zu müssen?
Wie eine überirdische Bedrohung hämmern plötzlich die Worte des alten Professors durch meinen Kopf: „Ich weiß nicht, ob du wiedergekehrt bist? Aber glaube mir, ich werde es bald wissen und dann werde ich dich bekämpfen, wie mein Vater und mein Bruder dich damals schon bekämpften …“
Glauben hier wirklich welche an die Auferstehung nach dem Tode? Meint der Professor, ich wäre dieser Kurt von damals … seine Reinkarnation?
Meine Gedankengänge werden jäh unterbrochen, als Mama zu erzählen beginnt: „Ach wisst ihr, dieses Haus hat vor - ich weiß nicht so genau, vielleicht fünfzig oder sechzig Jahren - mein Urgroßvater gekauft. Der hatte vorher einige Jahre in einem anderen Land verbracht und von dort eine Menge Geld mitgebracht. So etwas macht die Leute hier stutzig. Dazu kam, dass er dort in dem Land seltsamen Wissenschaften nachgegangen war, die hier keiner nachvollziehen konnte.“ Meine Mutter sieht meinen Vater hilfesuchend an.
Der steht aber nur schnell auf und holt die Pizzen aus dem Ofen.
Als er sich wieder setzt und keinerlei Anstalt macht, Mama zu unterstützen, fährt sie fort: „Angeblich passierten damals ein paar seltsame Dinge und die Leute meinten, dass er schuld daran sein müsse. Sie wiegelten sich gegenseitig hoch und …“, Mama schluckt und sieht meinen Vater wieder an, der aber nur das Pizzablech fokussiert.
Ich schiele zu Julian, der aber nur einen gelangweilten Blick zur Decke wirft, der besagen soll, dass Mama nun wirklich nichts Neues zu berichten hat. Aber er hütet sich, den Mund aufzumachen.
Ich blicke wieder zu meiner Mutter, denn der spannende Teil muss ja nun noch kommen. Die fährt etwas leiser fort: „Mein Urgroßvater ist dann wohl wieder weggezogen. Oder zumindest glauben wir das. Aber es gibt auch Menschen, die meinen, dass er einem Feuer zum Opfer gefallen ist.“
Papa packt Mama umständlich ein Stück Pizza auf den Teller, als will er damit sagen: Schluss mit Geschichten erzählen, jetzt ess erst mal schön.
Ich kann es nicht fassen. Da konnte ich ja froh sein, dass Julian die Geschichte schon vorher erzählt hatte. Das, was Mama da von sich gab, war ein Gruselmärchen für Kleinkinder.
„So, nun esst mal, bevor Mama die Pizzen noch einmal aufwärmen muss“, brummt Papa und schiebt sich ein Stück in den Mund.
Dass mein Stück Pizza seit dem ersten Bissen noch gar keinen Ofen gesehen hat, scheint er einfach zu ignorieren.
„Langweilige Geschichte“, mault Julian und sieht mich hochmütig an, als wolle er noch einmal ein Lob von mir einheimsen, dass er die Geschichte weitaus besser erzählt hatte. Doch für mich ist die ganze Sache noch nicht ausgestanden. So leicht will ich meine Eltern