Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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weiß er darüber Bescheid und ich nicht? Ich hasse es, wenn mein Bruder den Schlauen rauskehren kann und ich hasse es noch mehr, dass er nie etwas von sich aus preisgibt. Er hätte mir doch schon längst mal davon berichten können.

      Aber diesmal bin ich so neugierig, dass ich mich freiwillig klein und dumm stelle.

      „Du weißt davon?“, frage ich ihn.

      „Nah ja. Wissen ist wohl übertrieben“, meint er grinsend und setzt sich auf mein Bett.

      Bisher durfte er nicht mal auf meinem Sofa Platz nehmen. Genauso, wie er mich in seinem Zimmer nie duldet, so allergisch reagierte ich bisher darauf, wenn er meins betrat. Doch diesmal bringt mich das nicht in Rage und diesmal scheint er es auch gar nicht darauf angelegt zu haben, mich damit zu ärgern. Ganz im Gegenteil. Er scheint sich dort breitzumachen, um mir endlich von etwas zu berichten, das ihm schon länger auf der Seele brennt. Aber schon der erste folgende Satz macht mich dann doch wieder wütend. Aber nicht auf meinen Bruder.

      „Du weißt ja, dass wir beide immer alles als Letztes erfahren und du sowieso. Mama will nicht, dass du davon zu viel weißt.“

      „Wovon?“, stammele ich und komme mir vor, als hielte man mich in dieser Familie für nicht vollwertig. Ich beschließe, egal was Julian zu berichten hat, meiner Mutter, und vielleicht auch meinem Vater, gehörig die Meinung zu sagen. Ich bin schließlich schon siebzehn!

      „Ich weiß nicht, ob ich dir das wirklich sagen soll. Nachher …“ Mein Bruder wirkt plötzlich wirklich verlegen.

      „Was nachher?“, fauche ich und weiß nicht, ob er mich nur auf den Arm nehmen will.

      „Du weißt doch?“, stammelt er, nun noch verlegener und sieht auf seine Hände. „Wegen dieser Träume.“ Er sieht wieder auf und seine dunklen Augen verengen sich, als würden sie meine Reaktion zu ergründen versuchen.

      Ich sehe ihn verwirrt an. „Wegen der Träume?“

      Julian kann doch nur die schrecklichen Albträume aus meiner frühsten Kindheit meinen. Meine Mutter verbat ihm damals das Fernsehen, weil sie glaubte, dass er in meinem Beisein schlimme Filme ansah. Außerdem liebte er es, mir, sobald er lesen konnte, und das konnte er schon Ende der ersten Klasse fließend, vorzulesen. Doch auch das hatte Mama ihm schnell verboten, weil sie meinte, er lese mir nur Gruselgeschichten vor. Alles alter Kaffee und ewig her. Von meinen späteren Traumattacken kann er nichts wissen. Die habe ich immer für mich behalten.

      Ich fauche ihn an: „Nun mach mal ‘nen Punkt. Nur weil ich früher mal etwas schlecht schlief? Ich bin jetzt siebzehn Jahre alt. Da werde ich wohl nicht gleich vor Entsetzen zusammenbrechen und nachts aus dem Fenster springen, wenn du mir was von vor hundert Jahren erzählst“, sage ich und versuche all meinen Spott in diesen Satz zu legen.

      Julian lächelt verhalten und ich wundere mich etwas, dass er sich überhaupt die Mühe macht, vor mir so zu tun, als müsse er sich erst dazu durchringen, mir von allem zu erzählen. Sonst ist er mit mir keineswegs so zimperlich. Ich erinnere mich gut, wie er mir beim Zelten mit Christiane vor zwei Jahren eine überfahrene, schon brettharte Katze in den Schlafsack gesteckt hatte. Als ich abends hineinkletterte und meine Füße etwas Hartes, Felliges trafen, machte er sich doch auch keine Sorgen um mein Seelenheil.

      „Aber erzähl bloß keinem davon. Von mir weißt du nichts, in Ordnung?“, raunt er mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen.

      Ich ahne, selbst wenn ich sage, dass ich Mama alles petzen werde, könnte er nicht mehr zurück. Er scheint regelrecht darauf zu brennen, endlich auspacken zu können.

      „Also“, beginnt er und ich setze mich auf meinem Schreibtischstuhl und rolle mich dicht an ihn heran. Wir sitzen da, wie zwei Verschwörer. „Du weißt doch, dass Papa hier nicht hinziehen wollte.“

      Ich nicke und sehe ihn groß an.

      „Das kam, weil er glaubte, dass es in diesem Haus spukt und es Unheil über uns bringen könnte.“

      „Papa glaubt an so etwas?“, entfährt es mir ungläubig. So kenne ich meinen Vater eigentlich nicht. Er macht sich doch sonst auch nichts aus Gespenstergeschichten und Getratsche.

      „Nah ja. Eigentlich nicht“, meint Julian dann auch und fährt fort. „Aber es gibt eine Geschichte, ach das ist schon, glaube ich, über sechzig Jahre her. Da gab es in unserer Familie einen Verwandten. Also, soweit ich weiß, muss das von Mama der Urgroßvater gewesen sein. Der war als junger Mann angeblich von zu Hause weggelaufen und soll monatelang auf Schiffen angeheuert haben. Letztendlich war er wohl in Ägypten gelandet. Dort soll er einige Jahre gelebt haben, bevor er wieder nach Hause kam und sich dieses Haus kaufte.“

      Julian sieht mich an, als erforsche er in meinem Gesicht, ob ich schon erste Anzeichen von traumatischem Entsetzen zeige.

      Ich sehe ihn so unbekümmert wie möglich an, was nach seinem bisherigen Bericht auch kein Kunststück ist. Einen Verwandten, den es in die weite Welt zog, gibt es bestimmt in jeder Familie.

      Julian fährt fort: „Dieser Urgroßvater von Mama, ich glaube, Kurt hieß er …, also, angeblich hatte der in Ägypten etwas über Heilkunst und Zauberei gelernt. Er war auch steinreich. Angeblich, weil er dort ein Verfahren entwickelt hatte, mit dem er, was weiß ich … Stroh zu Gold machen konnte, oder so was.“ Julian hebt beide Hände und macht Gänsefüßchen in die Luft, die zeigen sollen, dass dieser Teil der Geschichte nicht unbedingt etwas Wahres beinhaltet.

      „Aha!“ kann ich dazu nur sagen, während in meinem Kopf rotiert, dass ich erneut auf den Namen Kurt stoße. „Ganz schöner Quatsch!“, füge ich noch hinzu und hoffe, Julian erzählt weiter. Er hatte sich noch nie die Zeit genommen und mit mir über so etwas gesprochen.

      „Glaube ich auch, denn hier siechte sein Reichtum schnell dahin und er verdiente sich sein Brot angeblich durch die Behandlung von Kranken. Also, wenn du mich fragst, das hätte er wohl kaum nötig gehabt, wenn er irgendetwas in Gold verwandeln hätte können.“ Julian grinst.

      „Woher weißt du das alles?“, frage ich und weiß nicht, ob Julian sich die Geschichte nicht einfach nur aus den Fingern saugt.

      „Das darfst du auf gar keinen Fall Mama erzählen“, ermahnt Julian mich erneut und ich verspreche es.

      „Als ich ungefähr sieben oder acht war, kamen Oma Martha und Opa Willy zu Besuch. Mama schickte mich damals nach draußen und ich kletterte wütend auf die kleine Eiche, die vor unserer Wohnung stand. Das Fenster zum Wohnzimmer war auf und ich musste, natürlich ungewollt, mit anhören, wie Opa Willy von seinem Großvater erzählte.“

      Julian bekommt plötzlich einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Als wäre er allein im Zimmer, sagt er wie zu sich selbst: „Eigentlich kamen sie damals wegen deiner Träume.“

      Ich rechne schnell nach. Ich muss zu der Zeit vier oder fünf Jahre alt gewesen sein und ich erinnere mich kaum daran, wann meine Träume angefangen haben. Damals schon?

      Schnell winkt Julian ab. „Egal, ich weiß nicht genau, warum er das damals Mama und Papa erzählte. Also, er sprach halt von diesem Großvater Kurt, der in Ägypten gewesen war und von dort reich und mit etlichem Wissen über Heilkunde und Alchemie wieder nach Hause kam. Alchemist solle er dort geworden sein oder so etwas Ähnliches. Heute würde man ihn wohl als Chemiker bezeichnen. Er soll sich hier sogar ein Labor gebaut haben, um dort seltsame Mixturen anzurühren. Hier bei diesem Haus.“ Julian sieht von seinen Händen auf und starrt mir ins Gesicht, als suche er darin nach einer bestimmten

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