Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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style="font-size:15px;">      „Kurt, hilf mir!“, höre ich wieder die panische Stimme in meinem Kopf schreien, während der Himmel von Staub und Rauch übersät ist und kreischend Bomben neben uns einschlagen.

      Beide Hände an die Schläfen gelegt, schließe ich die Augen und versuche den innerlichen Druck loszuwerden, der sich in mir aufbaut, als hätte jemand eine Tür zu einem verborgenen Wissen aufgestoßen und ich konnte sie nicht schnell genug wieder zuschmeißen. Ich will nicht an diesen Traum denken. Etwas aus dem Inneren, das hinter der Tür haust, war aber offensichtlich herausgedrungen und der Rest drängt nun unerbittlich gegen die Tür.

      Verzweifelt dränge ich die Furcht und das Entsetzen, das diesen Traum begleitete, wann immer ich ihn träumte, zurück. Es darf sich nicht in meinen Tag einschleichen, wenn ich ein einigermaßen normales Leben führen will.

      Aber es scheint zu spät zu sein. Die Mühlen scheinen schon zu mahlen und ich kann es nicht mehr aufhalten.

      Als ich nach einiger Zeit innerlichen Kampfes die Augen öffne und nach draußen sehe, habe ich einen Entschluss gefasst. Ich muss dem Ganzen auf die Spur kommen. Es muss einen Weg geben, mehr darüber zu erfahren, um diesen innerlichen Druck endlich loszuwerden und Klarheit in die ganze Geschichte zu bringen. Diese Geschichte mit der Verbrennung von diesem Kurt Gräbler muss ich klären. Denn wenn doch etwas Wahres dran ist, muss ich wissen, ob Kurt Gräbler und mein Kurt ein und dieselbe Person sind. Außerdem habe ich das Gefühl, es ist besser, das nächste Mal gegen solche Menschen wie diesen Professor gewappnet zu sein und sie mit Argumenten umstimmen zu können. Denn man weiß ja nie, zu was solche Leute fähig sind. Und ich muss mich irgendwie schützen.

      Ein seltsamer Gedanke, der sich da im mir ausbreitet.

       Ich muss mich schützen! Mir darf nichts passieren!

      Ich schließe das Fenster wieder und stelle die Blumen und alles andere ordentlich auf den kalten Marmor zurück.

      Als ich mich an meinen Schreibtisch setze, zittern meine Hände kaum noch. Der Entschluss, endlich nicht mehr die Augen zu verschließen und Nachforschungen betreiben zu wollen, lassen mich ruhiger werden.

      Ich greife nach meiner Schultasche und zerre meine Hefte und Bücher auf die Tischplatte, um mit meinen Hausaufgaben zu beginnen.

      Erstaunlicherweise kann ich mich an diesem Nachmittag sogar gut auf meine Hausaufgaben konzentrieren. Sehr gut sogar. Alles geht müheloser als sonst. Keine Gedanken an Christiane und die anderen Mädchen aus meinem Trupp drängen sich zwischen mich und meine Matheaufgaben. Kein Gedanke an den unbekannten Jungen, den ich irgendwann treffen werde, lässt mein Herz höherschlagen. Kein verrückter Professor macht mir Angst. Es gibt nur die Hausaufgaben und mich. Ein Zustand, der mir in meinem Leben noch nie so untergekommen ist.

      Mit der Absicht, meinem Unwissen, den alten Zeiten gegenüber, entgegen zu treten, öffnet sich mir plötzlich eine Welt der Ruhe.

      So werde ich auch schnell fertig und fühle mich, als könne mich nichts mehr erschüttern.

      Inzwischen kam meine Mutter nach Hause. Ich hörte ihren entfernten Ruf: „Hallo! Ich bin wieder da!“

      Nun ertönt ihr zweiter Ruf, der mir sagt, dass seit dem ersten schon wenigstens eine Stunde vergangen sein muss. „Kinder … Essen!“

      Was habe ich die ganze Zeit gemacht?

      Auf einem Zettel vor mir sehe ich Strichlinien, die mit Namen verbunden sind. Ein Stammbaum meiner Familie.

      Ich habe meinen Namen und Julians unten auf die Seite gesetzt. Darüber steht mein Vater Niklas und meine Mutter Sophie. Darüber sehe ich die Namen Willy und Martha, Oma und Opa also. Neben Oma steht allerdings auch noch der Name Otto und die beiden sind verbunden mit dem Namen meiner Mutter. Opas Name wirkt ausgeschlossen und allein.

      Mich überkommt nach langer Zeit so etwas wie Trauer. Was hatte Opa getan, dass er so gestraft wurde? Glaubte er doch immer, eine Tochter zu haben, so stellte sich erst kurz vor seinem Tod heraus, dass er niemals Kinder hatte. Was für eine schreckliche Enthüllung.

      Über den Dreien steht mit einem riesigen Nichts dazwischen der Name Kurt. Aber wo gehört dieser Kurt hin, den man als Hexer bezeichnet hatte? Ich weiß es nicht und hoffe, es herausfinden zu können.

      Ich erhebe mich und schiebe den Zettel in mein Englischbuch. Auch Englisch war heute gar nicht so schwer gewesen.

      Ich trabe nach unten. Mein Magen schreit nach Füllung und mir fällt ein, dass mein Mittagessen ausgefallen war. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Wenn ich manchmal nach Hause komme und mich mit Christiane am Telefon festquatsche, kann es schon einmal vorkommen, dass wir einfach einige Stunden telefonieren und ich das Mittagessen völlig vergesse. Aber, wenn ich es mir so richtig überlege … wegen Hausarbeiten? Ich glaube, das ist mir noch nie passiert.

      Der Professor und Julian müssen mich wohl mehr durcheinandergebracht haben, als ich mir eingestehen will.

      „Hallo, mein Schatz!“, ruft meine Mutter mir gut gelaunt entgegen.

      Ich setze mich an den Küchentresen, auf dem einige Fertigpizzas schon duften und ich antworte ihr auch mit einem fröhlichen: „Hallo!“

      Julian kommt und ich bemerke an der ausfallenden Begrüßung, dass die beiden sich wohl schon gesehen haben.

      Papa schlurft mit müdem Gesichtsausdruck in die Küche. Wie immer hatte er sich wohl gleich nach der Arbeit aufs Sofa fallen lassen, um zu schlafen.

      „Hallooo!“, gähnt er und wird von meiner Mutter geknufft.

      Ein Blick auf den Tisch und mein Vater murrt: „Schon wieder dieses Fertigzeug? Kannst du nicht mal etwas gescheites Kochen?“

      Meine Mutter setzt sich und faucht: „Ich habe auch den ganzen Tag gearbeitet. Warum machst du kein Essen, statt dich aufs Sofa zu lümmeln und zu schlafen?“

      Julian und ich sehen uns an. Üblicherweise geht das nun stundenlang so weiter. Aber plötzlich klingelt das Telefon und scheint uns zu retten.

      Mama schlurft knurrend an den Apparat, der im Flur auf einem Tischchen steht. Ich hoffe nur, dass es nicht Christiane ist.

      Ich greife mir ein Stück Pizza und muss insgeheim Papa recht geben. Diese Fertigsachen hängen uns echt zum Hals raus. Allerdings verstehe ich auch meine Mutter, wenn sie Papa um etwas mehr Mithilfe bittet.

      Der erste Bissen Pizza bleibt mir fast im Hals stecken, als ich meine Mutter toben höre: „Was? Da hat sie noch nichts von erzählt. Was ist das denn für ein Lehrer? Sind denn in den Schulen alle unfäh…“ Meine Mutter wird wohl unterbrochen.

      Ich sehe auf und treffe auf Julians Blick, der sofort irgendwie eine schuldige Miene aufsetzt. Aber warum? Wenn ich das Ganze richtig interpretiere, telefoniert meine Mutter mit einem von der Schule, der glaubt, es ist wichtig, dass sie von dem durchgeknallten Professor erfährt. Das kommt mir schon komisch vor. Warum machen sie deshalb so einen Wind?

      Mein Vater steht auf und geht zur Küchentür. Zu meinem Entsetzen tritt er in den Flur zu meiner Mutter und schließt die Tür laut hinter sich.

      Rums, wir sind von dem Gespräch abgeschnitten.

      „Mein Gott! Mit wem telefoniert Mama da?“, fragt Julian erschrocken. Auch ihm sind der seltsame Ausbruch unserer Mutter und die

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