Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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seinem kranken Gehirn ausbrütete. Ich sah ihn schon hinter mir hereilen, in jeder Hand ein brennendes Feuerzeug.

      Tatsächlich packte mich eine Hand von hinten und riss mich herum. Doch es war nur Frau Grätsch, die mir hinterhergeeilt war und mich festhielt.

      „Was war da oben los? Was wollte der Professor von dir?“, zischte sie mit unterdrückter Wut in der Stimme.

      „Ich glaube, mich verbrennen“, jammerte ich völlig außer mir und hatte einen Moment das Gefühl, meine Beine wollten unter mir versagen.

      Die Hand um meinen Arm ließ mich los und das Gesicht der Lehrerin wurde mitfühlend. „Dann habe ich doch richtig gehört. Ich glaubte schon, ich hätte was mit den Ohren“, brummte sie bestürzt.

      Ich schüttelte den Kopf und schaute zu Boden.

      „Fahr nach Hause. Ich werde mich sofort an den Rektor wenden und den Vorfall melden. Morgen sprechen wir dann noch einmal darüber“, sagte die junge Lehrerin und schien ihre Wut nur schwer unterdrücken zu können.

      Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und wandte mich dem Busbahnhof zu. Hinter mir hörte ich Frau Grätsch fluchen: „So einen alten Trottel noch auf die Kinder loszulassen, wo es so viele junge, arbeitslose Lehrer gibt.“

      Der Bus war noch nicht weg und ich ergatterte einen freien Platz, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war, bei der Anzahl der Schüler. Aber ich war unendlich froh, mich tief in den Sitz verkriechen zu können. Nur langsam schlug mein Herz wieder im normalen Rhythmus.

      Doch in mir tobte noch etwas anderes als Bestürzung. Die Worte des Professors machten sich in meinem Kopf selbstständig. Das Kauderwelsch des Alten hätten mir ohne Sinn und Verstand vorkommen müssen. Aber die von ihm so erschreckend hervorgebrachte Geschichte von einer Verbrennung eines Hexers schien wie eine Nebelwolke in meinem Kopf heraufzuziehen und nach außen zu drängen, wie eine Erinnerung, die lange nur verdrängt worden war. Plötzlich hörte ich viele Stimmen in meinem Kopf, die schrien und johlten, wie eine Meute hungriger Wölfe und ich hörte sie rufen: „Hexer, Hexer, tötet den Hexer!“

      Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Herz zusammenzog und die Luft um mich herum dünner wurde.

      Der Bus blieb stehen und ich registrierte, dass ich schon bei meiner Haltestelle angekommen war. Schnell sprang ich auf und wühlte mich durch die Schüler im Gang.

      Der Busfahrer hatte die Tür schon geschlossen und wollte wieder losfahren, als ich keuchend und schwitzend bei ihm ankam. „Ich muss noch raus!“, rief ich und er öffnete mit mürrischer Miene erneut die Tür.

      Ich sprang an die frische Luft und atmete wie ein Fisch im Trockenen. Der Bus fuhr los und ich sah ihm hinterher, als hätte ich noch nie einen Bus von hinten gesehen. Ich war vollkommen durcheinander.

      Ohne auf den Verkehr zu achten, überquerte ich die Straße und lief zu meinem Fahrrad. Dort schloss ich mit zittrigen Händen das Schloss auf. Ich wollte nur noch schnell nach Hause fahren und mich in meinem Zimmer verkriechen. Das war alles, an was ich denken wollte.

      Jetzt, hier an meinem Fenster stehend, lasse ich diesen Vormittag und den alten Professor mit seinem hysterischen Ausbruch immer wieder Revue passieren und das Ganze jagt mir immer wieder eine Gänsehaut über den Rücken. Da hilft auch kein Blick über das frisch aufspringende Grün der Wälder oder das Aufkeimen eines neuen Frühlings etwas. Ich spüre eine tiefgründige Unsicherheit wegen der Worte des Alten durch meine Adern kriechen und wie ein Holzsplitter in meinem Kopf sich festsetzen.

      Aufgebracht drehe ich mich um, gehe zu meinem Sofa und werfe mich hinein. „Alles Blödsinn“, brummele ich dabei vor mich hin und versuche mich zu beruhigen. „Alles völliger Quatsch.“

      Ich spring wieder auf und gehe an meinen Schreibtisch. Ein Blatt Briefpapier vor mich legend, beginne ich mit einem Brief an meine Brieffreundin Katrin aus Leipzig. Ich muss mir die Geschichte mit dem Professor von der Seele schreiben, um sie nicht weiter in mein Innerstes dringen zu lassen. Ich brauche etwas, was dieses unbeschreibliche Gefühl in mir zum Schweigen bringt, dass etwas an seiner Geschichte stimmen könnte.

      Es gibt für mich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich versuche herauszufinden, was das Ganze auf sich hat oder ich vergesse das alles.

      Ich klebe eine Briefmarke auf das Kuvert und fühle mich langsam besser. Ich hatte auf drei Seiten mein Erlebtes niedergeschrieben und ahne, dass Katrin mir das alles sowieso nicht glauben wird. Aber wie immer wird sie wenigstens so tun und mir zurückschreiben, dass ich ihr ruhig weiter alles schreiben kann.

      Nun, da sich langsam wieder mein Verstand klärt, scheint mir die Geschichte nur noch verrückt zu sein und der alte Professor ebenso. Doch eines ist klar, er ist nicht der Einzige, der an einen Hexer, der dieses Haus bewohnt haben soll, glaubt. Aber er ist der Erste, der behauptete, dass dieser Hexer mit mir verwandt gewesen sein soll. Außerdem ist er der Einzige, Gott sei Dank, der glaubt, ich bin so etwas wie der wieder zu Fleisch gewordene Hexer von damals.

      „So ein verblödeter, hirnverbrannter Idiot“, schimpfe ich laut und voller Wut darüber, dass dieser Professor mich so aus der Fassung gebracht hatte, dass ich denke, ich platze.

      „Wer, ich?“, ertönt hinter mir eine Stimme, und das von dunkelbraunen Haaren umrahmte Gesicht meines Bruders erscheint im Türrahmen.

      Julian ist zwanzig und so ganz anders als ich. Dass wir Geschwister sind, glaubt uns keiner auf Anhieb. Er sieht verdammt gut aus, mit seinen braunen, welligen Haaren und den dunkelbraunen Augen in dem ebenmäßigen Gesicht. Dazu ist er schlank und wirkt, als wäre er Stammkunde in einem Fitnesscenter, obwohl er nur manchmal Fußball spielt. Außerdem ist er unser Schulprimus, hat sein Abi in der Tasche und ist seit Kurzem dabei, den Führerschein zu machen - und in diesem Augenblick hält er in seiner Hand das Fragenbuch der Fahrschule.

      Ich sehe das zwar als ein unkalkulierbares Risiko an, dass er mit einem Auto auf die Straße gelassen werden soll, aber leider habe ich kein Mitspracherecht.

      „Hey, Julian!“, rufe ich sofort und winke ihn herein.

      Wie immer trägt er seine Jeanshose nur halb auf seinem Hinterteil hängend. Dazu hat er ein schwarzes T-Shirt an, das ziemlich eng anliegt und seine breiten Schultern betont.

      Ich beneide ihn für sein Aussehen und frage mich immer wieder, warum ich so hell bin und auch noch Sommersprossen haben muss. Außerdem wirkt er immer irgendwie braun gebrannt und gesund, während ich blass und kränklich aussehe. Wo ich es in allem nur bis zur Hauptschule bringe, schlendert er mit Leichtigkeit durch das Gymnasium. Ihm fällt alles in den Schoß.

      Julian tritt mit verunsichertem Blick in mein Zimmer. Er ist es nicht gewohnt, von mir in mein heiliges Reich gebeten zu werden.

      „Kennst du einen Professor Knecht, der Vertretungen in Schulen gibt?“, frage ich ihn.

      Julian sieht mich dümmlich an. „Nö, warum?“

      Ich bin drauf und dran ihm zu erzählen, was mir an diesem Vormittag passiert war. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Julian nur darüber lachen wird. Er war damals schon über den ganzen abergläubischen Unsinn wegen dem Haus mehr als belustigt und hatte mich lange damit aufgezogen, dass ich dem so viel Beachtung schenkte. So winke ich ab und versuche es auf einem anderen Weg.

      „Hat dich hier noch mal jemand wegen einem Hexer oder Zauberer angequatscht, der hier gewohnt haben soll?“

      „Meinst du die Geschichte

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