Thuazar. Anders Aaronson
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Читать онлайн книгу Thuazar - Anders Aaronson страница 6
Er rannte laut jubelnd zu seiner Wohnkammer. Vorbei an staunenden Braks, die kopfschüttelnd, hastig zur Seite wichen. Schnell stopfte er seine Habseligkeiten in einen Rucksack. Steckte sich händevoll bunte Steine, die die Menschen so liebten, in die Hosen und Manteltaschen und riss den mächtigen Bergbauhammer aus der Halterung von der Wand. Hektisch blies er das kleine Öllicht aus und schloss die Tür von außen mit einem lauten Rumms, welcher sich in seinen Ohren sehr endgültig anhörte.
Er rannte los und überlegte, ob er sich noch irgendwo verabschieden sollte, ihm fiel aber niemand ein. Seitdem seine Eltern ums Leben gekommen waren, hatte er niemanden gehabt, den er als Freund bezeichnen konnte.
»Endlich frei, raus hier!«
Scharf zog er die Luft ein. Er hatte noch was vergessen. Schnell hastete er zurück, riss die Tür auf, entzündete hektisch die Öllampe und kramte in seinem Schrank. Da! Der Beutel mit Medizin und Verbänden – in den Rucksack. Und da! Das Wichtigste: Die drei Flaschen mit dem Riechwasser, die er seiner Mutter geschenkt hatte. Die sie aber nie ausprobieren konnte. Behutsam steckte er sich die kleinen Fläschchen in seine Brusttasche.
Jetzt aber! Er schlug die Tür achtlos hinter sich zu und sauste wieder los, Richtung Haupttor.
»Hrrr! Schon wieder ... Scheiße!« Noch mal zurück, Tür auf, Öllampe auspusten und wieder los.
Froh gelaunt kam er am Tor an. Die beiden Wächter wussten anscheinend Bescheid, denn sie öffneten ihm sofort.
»Hey!«, rief Broman. »Warum so trübsinnig?«
Die beiden schauten ihn verwundert an, während er hinaustrat. Dreiundvierzig Jahre, nachdem er zum ersten Mal Gramo’on kan Brak verlassen hatte, trat er wieder hinaus in eine grüne, von der Sonne beschienene Welt und stand auf der Straße. Diesmal aber nicht, um nur kurz den Markt zu besuchen. Nein, diesmal stand er am Anfang eines neuen Lebens. Denn zurückkommen, das hatte er sich fest vorgenommen, würde er nicht mehr.
Der Wind zerrte an seinem Bart und pflügte durch die strohigen, schulterlangen, braunen Haare. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und in seinem Bauch rumorte es vor Aufregung. Er machte einen ausladenden Schritt und ließ dabei einen knatternden Furz fahren.
»Haha!«, lachte er laut auf. »Der Wind steht gut ... oder wie sagen die Menschen von der Küste immer?«
Hinter ihm schloss sich schabend das Tor der Brakfeste.
Mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen ging er los, seinem größten Abenteuer entgegen.
3. Argan Tai Andras
Bis auf drei Bengel, die einen verkrüppelten Bettler mit kleinen Steinen bewarfen, war der Marktplatz von Argan Tai leer. Nach einiger Zeit verloren sie den Spaß daran und widmeten sich den Ratten, die das getrocknete Blut unter der Hirnrichtungsplattform vom Boden knabberten. Aber auch das wurde noch einiger Zeit langweilig und sie setzten sich an die Absperrung, um nachher eine gute Sicht zu haben. Denn heute wurde was geboten.
Die Familie des Bauern Lüten sollte wegen Wilderei hingerichtet werden. Vater, Mutter, die beiden Söhne und die fünfjährige Dita.
Es war bekannt, dass mit dem neuen Herrscher von Argan Tai, Rand I, nicht gut Kirschen essen war. Die Gesetze waren streng und die Strafen grausam.
Also: Nichts Unrechtes zu tun, oder man ließ sich dabei nicht erwischen.
Beides hatte die Familie Lüten nicht beherzigt und musste jetzt dafür bezahlen.
›Besser, wenn die Obrigkeit sich an anderen ausließ, als an einem selbst.‹ So dachten die meisten Bewohner von Argan Tai.
Die zwei Missernten in den letzten Jahren, die hohe Abgabenlast an das neue Königshaus und die folgende Hungersnot hatte fast jeden kriminell werden lassen. Suff und Hurerei bestimmten das Straßenbild. Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung.
Aber ein paar Leute gab es noch, die sich gegen die Grausamkeit Rand’s stellten oder zumindest versuchten, sie zu mildern.
Andras hatte eine gute Sicht auf den Hirnrichtungsplatz. Das Zimmer im dritten Stock des Gasthauses ›Zum goldenen Schwein‹ war perfekt für sein Vorhaben, so wie sooft zuvor.
Auf dem Bett hüpften die Flöhe, das Stroh in den Kissen faulte und die Wanzen ließen sich von der Decke herunterfallen, um ihre Opfer zu piesacken. Andras war das egal. Er wollte hier nicht nächtigen. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen.
»Jamon! Sind die Pfeile fertig?«
Andras drehte sich zu dem Mann um, der auf dem Boden kauerte und dort mit Töpfen und Tiegeln und kleinen Blasrohrpfeilen hantierte.
»Ja, gleich. ... bin kein Hexenmeister, sondern Giftmischer und wir wollen ja beide, dass das Gift seine Wirkung entfaltet«, kam die mürrische Antwort.
»Beile dich. Die fangen gleich an.«
»Ja! Bei allen Göttern. Das Gift muss an den Pfeilspitzen richtig getrocknet sein, sonst wirkt es nicht. Ich sage dir Bescheid!«
Andras drehte sich dem Fenster zu. Er strich die schulterlangen, glatten, schwarzen Haare nach hinten und spähte durch den fadenscheinigen Vorhang hinunter auf den Marktplatz.
Die Tribüne für den Statthalter Rands I. und die hohen Herren der Stadt wurde soeben hergerichtet. Die Schenken und Garküchen öffneten ihre Türen und Fenster und schon kam der erste Pöbel, um sich Bier zu bestellen.
Die Henkersknechte brachten die Utensilien für die Hinrichtung. Nach einer Stunde stand auf der zehn Schritt im Quadrat und ein Schritt hohen Plattform alles bereit:
Der vier Schritt lange, vorne spitz zu laufende Pfahl; die zwei Schritt lange Säge, das Kreuz mit den Lederriemen zum Fixieren, und der mächtige Topf Öl, der mit Kohlebecken erhitzt wurde.
Die drei Bengel vom Morgen standen direkt an der Absperrung und hatten beste Sicht. Der frühe Vogel fängt den Wurm.
Der Bettler, den sie geärgert hatten, schlug noch schnell ein Bein unter, um mehr Mitleid zu erregen, und freute sich auf ein lukratives Geschäft.
Die Wirte hatten immer mehr zu tun. Zum Saufen hatte paradoxer weise auch der ärmste Hungerleider immer Geld. Und so füllte sich der Platz mit Schaulustigen jeden Alters.
Andras schaute erschüttert hinab. Was war bloß aus dieser Stadt geworden. Seit vor zwei Jahren der Herrscher von hohen Horst, Rand I., Argan Tai im Handstreich einnahm, hatten sich die Bewohner, gebeutelt von Hunger und Armut, in blutgierige Monster verwandelt.
Von der einst blühenden Metropole war nicht mehr viel übrig. Das weise, herrschende Königshaus war von Rands Henkersbeil ausgelöscht worden. Andras war der einzige Überlebende dieses Massakers gewesen.
Nur noch das Recht des Stärkeren regierte die Straßen. Das gemeine Volk gab sich dem Suff hin, die neuen Adeligen, angeführt von dem Statthalter Sragon Kempra, frönten der Völlerei und die Armen verreckten kläglich im Dreck der Straße.
Nur er, Andras, und ein paar andere versuchten, zumindest