Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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bluteten, und darauf gab ich ihn meiner Herrin, und sagte ihr, daß das Aufgebot für mich und den Handschuhmacher künftige Woche erfolgen werde. Alsdann umarmte und küßte mich meine Herrin – sie sagte nicht, daß ich nichts tauge, allein damals war ich vielleicht auch besser, obwohl ich noch nicht so wie jetzt von der Noth der Welt heimgesucht worden war. Zur Lichtmesse war die Hochzeit; und im ersten Jahre ging es gut, wir hatten einen Gesellen und einen Lehrburschen, und Du, Marthe, dientest bei uns.«

      »O, Ihr wäret eine liebe, gute Hausmutter!« sagte Marthe, »nie vergesse ich es, wie gütig Ihr und Euer Mann waret!«

      »Ja, das waren damals die guten Jahre, als Du bei uns warst! Kinder hatten wir noch nicht – Den Studenten sah ich nie! – Doch! ich sah ihn, aber er sah mich nicht. Er war hier zur Beerdigung seiner Mutter. Ich sah ihn am Grabe stehen, er war leichenblaß und sehr betrübt, aber das war um die Mutter; später, als der Vater starb, war er in fremden Landen und kam nicht wieder hierher. Er heirathete nie, das weiß ich; er wurde Advocat, glaube ich! – mich hatte er vergessen, und wenn er mich auch gesehen, er hätte mich doch gewiß nicht wieder erkannt, so garstig sehe ich aus. Und das ist ja auch sehr gut!«

      Sie sprach von den Tagen der Prüfung und erzählte, wie das Unglück gleichsam auf sie hereinstürzte. »Wir besaßen,« sagte sie, »fünfhundert Thaler, und weil damals in der Straße ein Haus für zweihundert zu kaufen war und es sich lohnen würde, es abzutragen und ein neues zu bauen, so wurde es gekauft. Der Maurer- und Zimmermeister machten den Ueberschlag, und der neue Bau sollte zehnhundertundzwanzig kosten. Kredit hatte Erich, das Geld lieh er sich in der Hauptstadt, aber – der Schiffer, der es bringen sollte, scheiterte und das Geld mit ihm.«

      »Um diese Zeit brachte ich meinen lieben, süßen Knaben, der dort schläft, zur Welt. Mein Mann fiel in eine schwere, langwierige Krankheit, drei Vierteljahr mußte ich ihn an- und ausziehen. Wir kamen immer mehr zurück, wir machten Schulden; Alles, was wir hatten, ging darauf und der Vater starb uns. Ich habe gearbeitet, gestritten und gestrebt, des Kindes wegen; Treppen gescheuert, Linnen gewaschen, grobes und feines, aber ich soll es nicht besser haben, es ist so Gottes Wille! Doch er wird mich schon zu sich nehmen und auch den Knaben nicht verlassen!«

      Dann schlief sie ein.

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Gegen Morgen fühlte sie sich gestärkt und kräftig genug, wie sie glaubte, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Sie war eben auf's Neue in das kalte Wasser hinaus getreten, da befiel sie ein Zittern, eine Ohnmacht; krampfhaft griff sie mit der Hand in die Luft, that einen Schritt und fiel um. Der Kopf lag auf dem trocknen Lande, aber die Füße im Flusse; ihre hölzernen Schuhe, die sie anbehalten hatte – in jedem war ein Strohwisch – trieben mit dem Strome, so fand Marthe sie, als sie ihr den Kaffee bringen wollte.

      Vom Bürgermeister war unterdessen ein Bote zu ihr ins Haus abgesendet worden, »sie möge sogleich zu ihm kommen, er habe ihr etwas zu sagen,« Es war zu spät! Ein Barbier wurde geholt, um einen Aderlaß vorzunehmen; die Waschfrau war todt.

      »Sie hat sich todt getrunken!« sagte der Bürgermeister.

      In dem Briefe, der die Nachricht vom Tode des Bruders brachte, war der Inhalt des Testaments angegeben, und demnach seien 600 Thaler der Handschuhmacher-Witwe vermacht, die einst seinen Eltern gedient habe. Nach bestem Ermessen sollte das Geld »in größeren oder kleineren Theilen ihr oder ihrem Kinde verabreicht werden!«

      »Da ist so ein Mischmasch zwischen meinem Bruder und ihr gewesen,« sagte der Bürgermeister. »Es ist gut, daß sie weg ist; der Knabe bekommt jetzt das Ganze, und ich werde ihn bei braven Leuten unterbringen; es kann ein tüchtiger Handwerker aus ihm werden!« – Und in diese Worte legte der liebe Gott seinen Segen.

      Der Bürgermeister ließ den Knaben kommen, versprach, sich seiner annehmen zu wollen, und fügte noch hinzu, wie gut es sei, daß seine Mutter gestorben, sie taugte nichts.

      Auf den Kirchhof trug man sie, auf den Kirchhof der Armen, Marthe streute Sand auf das Grab und pflanzte einen kleinen Rosenstock darauf; der Knabe stand neben ihr.

      »Meine liebe Mutter!« sagte er, und seine Thränen flossen. »Ist es denn wahr: – taugte sie nichts?«

      »Ja, sie taugte wohl etwas!« sagte die alte Magd und blickte zum Himmel. »Ich weiß es seit vielen Jahren und seit der letzten Nacht. Ich sage Dir, sie taugte etwas, und Gott im Himmel sagte es auch, laß die Welt nur sagen: » Sie taugte nichts

      Eine Geschichte werde ich Dir erzählen, die ich hörte, als ich noch ein kleiner Knabe war; jedesmal wenn ich an die Geschichte dachte, kam es mir vor, als werde sie immer schöner; denn es geht mit Geschichten wie mit vielen Menschen – sie werden mit zunehmendem Alter schöner.

      Auf dem Lande warst Du doch gewiß schon gewesen, Du wirst wohl auch so ein recht altes Bauernhaus mit Strohdach gesehen haben. Moos und Kräuter wachsen von selbst auf dem Dache; ein Storchnest befindet sich auf dem Firste desselben, – der Storch ist unvermeidlich! Die Wände des Hauses sind schief; die Fenster niedrig, und nur ein einziges Fenster ist so eingerichtet, daß es geöffnet werden kann; der Backofen springt aus der Wand hervor, gerade wie ein kleiner, dicker Bauch; der Fliederbaum hängt über den Zaun hinaus und unter seinen Zweigen, am Fuße des Zaunes, ist eine Wasserlache, in welcher einige Enten liegen. Ein Kettenhund, der Alle und Jeden anbellt, ist auch da.

      Gerade so ein Bauernhaus stand draußen auf dem Lande, und in diesem Hause wohnten ein paar alte Leute, ein Bauer und seine Frau. Wie wenig sie auch hatten, ein Stück war doch darunter, das entbehrlich war – ein Pferd, das sich von dem Grase nährte, welches es an den Einzäunungen der Landstraße vorfand. Der alte Bauer ritt zur Stadt auf diesem Pferde, oft liehen es auch seine Nachbarn von ihm, und erwiesen den alten Leuten manchen andern Dienst dafür. Allein am gerathesten würde es doch wohl sein, wenn sie das Pferd verkauften, oder es gegen irgend etwas Anderes, was ihnen mehr nützen könnte, weggäben. Aber was könnte dies wohl sein?

      »Das wirst Du, Alter, am Besten wissen!« sagte ihm die Frau. »Heute ist gerade Jahrmarkt, reite zur Stadt, gieb das Pferd für Geld hin, oder mache einen guten Tausch; wie Du es auch machst, mir ist's immer recht. Reite zum Jahrmarkte!«

      Sie knüpfte ihm sein Halstuch um, denn das verstand sie besser als er; sie knüpfte es ihm mit einer Doppelschleife um: das machte sich sehr hübsch! Sie strich seinen Hut glatt mit ihrer flachen Hand und küßte ihn dann auf seinen warmen Mund. Darauf ritt er fort auf dem Pferde, welches verkauft, oder in Tausch gegeben werden sollte. Ja, der Alte versteht dies schon!

      Die Sonne brannte heiß, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Auf dem Wege staubte es sehr, viele Leute, die den Jahrmarkt besuchen wollten, fuhren, ritten, oder legten den Weg zu Fuße zurück. Nirgend gab es Schatten gegen den Sonnenbrand.

      Unter Andern ging auch Einer des Weges dahin, der eine Kuh zu Markte trieb. Die Kuh war so schön wie eine Kuh nur sein kann. »Die giebt gewiß auch schöne Milch!« dachte der Bauer, »das wäre ein ganz guter Tausch: die Kuh für das Pferd!«

      »Heda, Du da mit der Kuh!« sagte er, »weißt Du was? Ein Pferd sollte ich meinen, kostet mehr als eine Kuh; aber mir ist das gleichgiltig, ich habe mehr Nutzen von der Kuh; hast Du Lust, so tauschen wir!«

      »Freilich will ich das,« sagte der Mann mit der Kuh – und nun tauschten sie.

      Das war also abgemacht und der Bauer hätte nun füglich wieder umkehren können, denn er hatte ja Das nun abgemacht, um was es ihm zu thun war; allein da er sich einmal auf den Jahrmarkt gespitzt hatte, so wollte er auch hin,

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