Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 25
»Du hast meine Großmutter, aber nicht mich erschlagen!« sagte der kleine Klaus; »die habe ich nun verkauft und einen Scheffel Geld dafür bekommen.«
»Das ist wahrlich gut bezahlt!« sagte der große Klaus und eilte nach Hause, nahm eine Art und schlug gleich seine Großmutter todt, legte sie auf den Wagen, fuhr mit ihr zur Stadt, wo der Apotheker wohnte und fragte, ob er einen todten Menschen kaufen wolle.
»Wer ist es, und wo habt Ihr ihn her?« fragte der Apotheker.
»Es ist meine Großmutter!« sagte der große Klaus. »Ich habe sie todtgeschlagen, um einen Scheffel Geld dafür zu bekommen!«
»Gott bewahre uns!« sagte der Apotheker. »Ihr sprecht irre! Sagt doch nicht dergleichen, sonst könnt Ihr den Kopf verlieren!« – Und nun sagte er ihm ausführlich, was das für eine böse That, die er begangen habe, und was für ein schlechter Mensch er sei, und daß er bestraft werden müsse; da erschrak der große Klaus so sehr, daß er aus der Apotheke in den Wagen sprang, auf die Pferde hieb und nach Haufe fuhr. Aber der Apotheker und alle Leute glaubten, er sei verrückt, deshalb ließen sie ihn fahren, wohin er wollte.
»Das sollst Du mir bezahlen!« sagte der große Klaus, als er draußen auf der Landstraße war. »Ja, das sollst du mir bezahlen, kleiner Klaus!« Dann nahm er, sobald er nach Hause kam, den größten Sack, den er finden konnte, ging hinüber zum kleinen Klaus und sagte: »Nun hast Du mich wieder gefoppt! Erst schlug ich meine Pferde todt, dann meine Großmutter! Das ist Alles Deine Schuld, aber Du sollst mich nie mehr foppen!« Damit packte er den kleinen Klaus um den Leib und steckte ihn in seinen Sack, nahm ihn so auf seinen Rücken und rief ihm zu: »Nun gehe ich mit Dir fort und ertränke Dich!«
Es war ein weiter Weg, den er zu gehen hatte, bevor er zu dem Flusse kam, und der kleine Klaus war nicht so leicht zu tragen. Der Weg ging dicht bei der Kirche vorbei, die Orgel ertönte und die Leute sangen so schön! Da setzte der große Klaus seinen Sack mit dem kleinen Klaus darin dicht bei der Kirchenthüre nieder und dachte, es könne wohl ganz gut sein, hineinzugehen und einen Psalm zu hören ehe er weiter ginge. Der kleine Klaus konnte ja nicht herauskommen, und alle Leute waren in der Kirche; so ging er denn hinein.
»Ach ja, ach ja!« seufzte der kleine Klaus im Sacke und drehte und wendete sich; aber es war ihm nicht möglich, das Band aufzulösen. Da kam ein' alter, alter Viehtreiber daher, mit schneeweißem Haare und einem großen Stabe in der Hand; er trieb eine Heerde Kühe und Stiere vor sich hin; die stießen an den Sack, in dem der kleine Klaus saß, sodaß er umgeworfen wurde.
»Ach ja!« seufzte der kleine Klaus. »Ich bin noch so jung und soll schon in's Himmelreich!«
»Und ich Armer,« sagte der Viehtreiber, »ich bin schon so alt und kann noch immer nicht dahin kommen!«
»Mache den Sack auf!« rief der kleine Klaus; »krieche statt meiner hinein, so kommst Du augenblicklich in's Himmelreich.«
»Ja, das will ich herzlich gern,« sagte der Viehtreiber und band den Sack auf, aus dem der kleine Klaus sogleich herauskroch.
»Willst Du nun aber auch auf das Vieh Acht geben?« sagte der alte Mann und kroch statt seiner in den Sack hinein, worauf der kleine Klaus ihn zuband und mit allen Kühen und Stieren seines Weges zog.
Bald darauf kam der große Klaus aus der Kirche und nahm seinen Sack wieder auf den Rücken, obgleich es ihm schien, als wäre derselbe leichter geworden; denn der alte Viehtreiber war nur halb so schwer wie der kleine Klaus. »Wie ist er doch jetzt leicht zu tragen! Das kommt daher, weil ich einen Psalm gehört habe.« So ging er nach dem Flusse, der tief und breit war, warf den Sack mit dem alten Viehtreiber hinein und rief hintendrein – denn er glaubte ja, daß es der kleine Klaus sei: »Da liege! Nun sollst Du mich nicht mehr foppen!«
Darauf ging er nach Hause; als er aber an die Stelle kam, wo der Weg sich kreuzte, begegnete er dem kleinen Klaus, welcher mit seinem Viehe dahintrieb.
»Was ist das?« sagte der große Klaus. »Habe ich Dich nicht ertränkt?«
»Ja!« sagte der kleine Klaus. »Du warfst mich ja vor einer kleinen halben Stunde in den Fluß!«
»Aber wie hast Du das herrliche Vieh bekommen?« fragte der große Klaus.
»Das ist Seevieh!« sagte der kleine Klaus. »Ich will Dir die ganze Geschichte erzählen und Dir Dank sagen, daß Du mich ertränktest, denn nun bin ich obenauf, bin wahrhaft reich! – Wie war mir bange, als ich im Sacke steckte! der Wind pfiff mir um die Ohren, als Du mich von der Brücke hinunter in das kalte Wasser warfst. Ich sank sogleich zu Boden, aber ich stieß mich nicht, denn da unten wächst das schönste, weiche Gras. Auf dieses fiel ich, und sogleich wurde der Sack geöffnet; das lieblichste Mädchen mit schneeweißen Kleidern und mit einem grünen Kranze um das nasse Haar nahm mich bei der Hand und sagte: »Bist Du da, kleiner Klaus? Da hast Du zuerst einiges Vieh! Eine Meile weiter auf dem Wege steht noch eine ganze Heerde, die ich Dir schenken will!« – Nun sah ich, daß der Fluß eine große Landstraße für das Meervolk bildete. Unten auf dem Grunde gingen und fuhren sie gerade von der See her und ganz hinein in das Land, bis dahin, wo der Fluß endete. Da war es so schön voll Blumen und dem frischesten Grase; die Fische, welche im Wasser schwammen, schossen mir an den Ohren vorüber, wie hier die Vögel in der Luft. Was gab es da für hübsche Leute, und war da für Vieh, das in Gräben und auf Wällen graste!«
»Aber weshalb bist Du gleich wieder zu uns heraufgekommen?« fragte der große Klaus. »Das hätte ich nicht gethan, wenn es so schön dort unten ist!«
»Ja,« sagte der kleine Klaus, »das ist eben politisch von mir gehandelt. Du hörst ja wohl, daß ich Dir erzähle: die Seejungfer sagte mir, eine Meile weiter auf dem Wege – und mit dem Wege meinte sie ja den Fluß, denn sie kann nirgends anders hinkommen – stehe noch eine ganze Heerde Vieh für mich. Aber ich weiß, was für Krümmungen der Fluß macht, bald hier, bald dort, das ist ja ein weiter Umweg; nein, da macht man es kürzer ab, wenn man hier an das Land kommt und treibt querfeldüber wieder zum Fluße; dabei spare ich ja fast eine halbe Meile und komme hurtiger zu meinem Seevieh!«
»O, Du bist ein glücklicher Mann!« sagte der große Klaus. »Glaubst Du, daß ich auch Seevieh erhalte, wenn ich auf den Grund des Flusses käme?«
»Ja, das denke ich,« sagte der kleine Klaus. »Aber ich kann Dich nicht im Sacke bis zum Flusse tragen; Du bist mir zu schwer! Willst Du selbst dahin gehen und dann in den Sack kriechen, so werde ich Dich mit dem größten Vergnügen hineinwerfen.«
»Ich danke Dir!« sagte der große Klaus. »Aber erhalte ich kein Seevieh, wenn ich hinunterkomme, glaube mir, so werde ich Dich tüchtig prügeln!«
»O nein, mache es nicht so schlimm!« Da gingen sie zum Flusse hin. Als das Vieh, welches durstig war, das Wasser erblickte, lief es, was es konnte, um hinunter zum Wasser zu gelangen.
»Sieh, wie es sich sputet!« sagte der kleine Klaus. »Es verlangt darnach, wieder auf den Grund zu kommen!«
»Ja, hilf mir nur erst,« sagte der große Klaus, »sonst bekommst Du Prügel!« Und so kroch er in den großen Sack, der quer über dem Rücken eines Stieres gelegen hatte. »Lege einen Stein hinein, sonst befürchte ich, nicht unterzusinken,« sagte der große Klaus.
»Es geht schon!« sagte der kleine Klaus, legte aber doch noch einen großen Stein in den Sack, knüpfte das Band fest zu, und dann stieß er daran. Plump! da lag der große Klaus in dem Flusse und