Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 27
»Aber das Buch, in dem ich dieses gelesen habe,« sagte der Kaiser, »ist mir von dem großmächtigsten Kaiser von Japan gesandt, und es kann also keine Unwahrheit sein, Ich will die Nachtigall hören! Sie muß heute Abend hier sein! Sie hat meine höchste Gnade! Und kommt sie nicht, so soll dem ganzen Hofe auf den Leib getrampelt werden, wenn er Abendbrot gegessen hat!«
»Tsing pe!« sagte der Cavalier und lief wieder alle Treppen auf und nieder, durch alle Säle und Gänge; und der halbe Hof lief mit, denn sie wollten nicht gern auf den Leib getrampelt sein. Da gab es ein Fragen nach der merkwürdigen Nachtigall, welche die ganze Welt kannte, nur Niemand bei Hofe.
Endlich trafen sie ein kleines, armes Mädchen in der Küche. Die sagte: »O Gott, die Nachtigall kenne ich gut; ja, wie kann sie singen! Jeden Abend habe ich Erlaubniß, meiner armen, kranken Mutter Ueberbleibsel vom Tische nach Hause zu tragen; sie wohnt unten am Strande; und wenn ich zurückgehe, müde bin und im Walde ausruhe, dann höre ich die Nachtigall singen! Es kommen mir dabei die Thränen in die Augen, und es ist, als ob meine Mutter mich küßte!«
»Kleine Köchin!« sagte der Cavalier, »ich werde Dir eine Anstellung in der Küche und die Erlaubniß verschaffen, den Kaiser speisen zu sehen, wenn Du uns zur Nachtigall führen kannst, denn sie ist zu heute Abend angesagt.«
Und so zogen sie Alle hinaus in den Wald, wo die Nachtigall zu singen pflegte; der halbe Hof war mit. Als sie im besten Zuge waren, fing eine Kuh zu brüllen an.
»O!« sagten die Hofjunker, »nun haben wir sie! Das ist doch eine merkwürdige Kraft in einem so, kleinen Thiere! Die habe ich sicher schon früher gehört!«
»Nein, das sind Kühe, welche brüllen!« sagte die kleine Köchin. »Wir sind noch weit von dem Orte entfernt!«
Nun quakten die Frösche im Sumpfe.
»Herrlich!« sagte der chinesische Hofprediger. »Nun höre ich sie; es klingt gerade wie kleine Kirchenglocken.«
»Nein, das sind Frösche!« sagte die kleine Köchin. »Aber nun denke ich, werden wir sie bald hören!«
Da begann die Nachtigall zu schlagen.
»Das ist sie!« sagte das kleine Mädchen. »Hört! Hört! Da sitzt sie!« Und sie zeigte nach einem kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen. »Ist es möglich!« sagte der Cavalier. »So halte ich sie mir nimmer gedacht! Wie sie einfach aussieht! Sie hat sicher ihre Farbe darüber verloren, daß sie so viele vornehme Menschen um sich erblickt!«
»Kleine Nachtigall!« rief die kleine Köchin laut; »unser gnädigster Kaiser wünscht, daß Sie vor ihm singen!«
»Mit dem größten Vergnügen!« sagte die Nachtigall und sang dann, daß es eine Lust war.
»Es klingt gerade wie Glasglocken!« sagte der Cavalier. »Und seht die kleine Kehle, wie sie arbeitet! Es ist merkwürdig, daß wir sie früher nie gehört haben! Sie wird großen Succès bei Hofe machen!«
»Soll ich noch einmal vor dem Kaiser singen?« fragte die Nachtigall, welche glaubte, der Kaiser sei auch da.
»Meine vortreffliche kleine Nachtigall!« sagte der Cavalier, »ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute Abend einzuladen, wo Sie Dero hohe kaiserliche Gnaden mit Ihrem charmanten Gesänge bezaubern werden!«
»Der hört sie am besten im Grünen an!« sagte die Nachtigall; aber sie kam doch gern mit, als sie hörte, daß es der Kaiser wünschte.
Auf dem Schlosse war tüchtig aufgeputzt. Die Wände und der Fußboden, welche von Porzellan waren, glänzten im Strahle vieler tausend Goldlampen; die prächtigsten Blumen, welche recht klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt. Das war ein Laufen und ein Zugwind, und alle Glocken klingelten so, daß man sein eigenes Wort nicht hören konnte.
Mitten in den großen Saal wo der Kaiser saß war ein goldener Stecken gestellt, auf diesem sollte die Nachtigall sitzen. Der ganze Hof war da, und die kleine Köchin hatte die Erlaubniß erhalten, hinter der Thür zu stehen, da sie nun den Titel einer wirklichen Hofköchin bekommen hatte. Alle waren in ihrem größten Putz, und Alle sahen nach dem kleinen grauen Vogel, dem der Kaiser zunickte.
Die Nachtigall sang so herrlich, daß dem Kaiser die Thränen in die Augen traten und ihm über die Wangen herniederliefen, da sang die Nachtigall noch schöner: das ging recht zu Herzen. Der Kaiser war so froh, daß er sagte, die Nachtigall solle seinen goldenen Pantoffel um den Hals zu tragen bekommen. Aber die Nachtigall dankte: sie habe schon Belohnung genug erhalten.
»Ich habe Thränen in des Kaisers Augen gesehen, das ist mir der reichste Schatz! Eines Kaisers Thränen haben eine besondere Kraft! Gott weiß es, ich bin genug belohnt.« Darauf sang sie wieder mit ihrer süßen, herrlichen Stimme.
»Das ist die liebenswürdigste Koketterie, die ich kenne!« sagten die Damen rings umher, und dann nahmen sie Wasser in den Mund um zu glucken, wenn Jemand mit ihnen spräche. Sie glaubten dann auch Nachtigallen zu sein. Ja, die Lakaien und Kammermädchen ließen melden, daß auch sie zufrieden seien; das will viel sagen, denn die sind am schwersten zu befriedigen. Kurz, die Nachtigall machte wahrlich Glück.
Sie sollte nun bei Hofe bleiben, ihr eigenes Bauer und die Freiheit haben, zweimal des Tages und einmal des Nachts herauszuspazieren. Sie bekam dann zwölf Diener mit, welche ihr alle ein Seidenband um das Bein geschlungen hatten, an dem sie sie recht fest hielten. Es war durchaus kein Vergnügen bei einem solchen Ausfluge.
Die ganze Stadt sprach von dem merkwürdigen Vogel, und begegneten sich Zwei, so sagte der Eine nichts Anderes als: »Nacht!« – und der Andere sagte: »gall!«[3] Und dann seufzten sie und verstanden einander. Ja, elf Hökerkinder wurden nach ihr benannt; aber nicht eins von ihnen hatte einen Ton in der Kehle. –
Eines Tages erhielt der Kaiser ein großes Packet, worauf geschrieben stand: »Die Nachtigall«.
»Da haben wir nun ein neues Buch über unsern berühmten Vogel!« sagte der Kaiser. Aber es war kein Buch, sondern ein kleines Kunstwerk, welches in einer Schachtel lag: eine künstliche Nachtigall, die der lebenden gleichen sollte, allein überall mit Diamanten, Rubinen und Saphiren besetzt war. Sobald man den Kunstvogel aufzog, konnte er eins der Stücke, die der wirkliche Vogel sang, singen; und dann bewegte sich der Schweif auf und nieder, und glänzte von Silber und Gold. Um den Hals hing ein kleines Band, darauf stand geschrieben: »Des Kaisers von Japan Nachtigall ist arm gegen die des Kaisers von China.«
»Das ist herrlich!« sagten Alle; und der, welcher den künstlichen Vogel gebracht hatte, erhielt sogleich den Titel: Kaiserlicher Ober-Nachtigall-Bringer.
»Nun müssen sie zusammen singen: was wird das für ein Duett werden!«
Und so mußten sie zusammen singen; aber es wollte nicht recht passen, denn die wirkliche Nachtigall sang auf ihre Weise und der Kunstvogel ging auf Walzen. »Der hat keine Schuld,« sagte der Spielmeister; »der ist besonders taktfest und ganz nach meiner Schule!« Nun sollte der Kunstvogel allein singen. Er machte eben so viel Glück, als der wirkliche, und dann war er ja viel niedlicher anzusehen: er glänzte wie Armbänder und Busennadeln.
Dreiunddreißig Mal sang er ein und dasselbe Stück und war doch nicht müde. Die Leute hätten ihn gern wieder aufs Neue gehört, aber