Diamantentropfen. Manfred Quiring

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Diamantentropfen - Manfred Quiring

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aber wenn – dann brannte die Luft im Tal. Die Moskauer High Society wurde eingeflogen, nächtelang malträtierten russische und ausländische Popgruppen ihre Instrumente. Selbst hier oben, in der Festung von Djadja Aladin, war das, was diese unreifen Burschen Musik nannten, noch – wenn auch leise – zu hören. Am meisten schmerzte allerdings, dass hinter dem Babyface mit seinen Milliarden ein übler Konkurrent stand. Das vergällte ihm den Ausblick. Vielleicht sollte er sich doch nach einer anderen Bleibe umsehen?

      Der Wagen hatte den Stalin-Bau passiert und war über die Brücke auf diese Seite des Flüsschens gefahren. Er wollte also zu ihm, und das verhieß nichts Gutes. Natürlich war der Alte mit der allerneuesten Nachrichtentechnik ausgerüstet, mit verschlüsselten Botschaften leitete er seine Unternehmungen. Aber einem Prinzip aus seinen Anfängen, damals technisch bedingt, war er bis heute treu geblieben. Wenn es um die Existenz ging, überbrachten absolut zuverlässige Vertraute mündliche Botschaften. Die konnten wenigstens nicht abgehört werden.

      Der Wagen stoppte auf dem Vorplatz. Niko, der Freund aus Kindertagen, wälzte sich mühsam aus dem Fonds des schwarzen Geländewagens. Die Freunde umarmten sich zur Begrüßung, übergingen aber dieses Mal die üblichen kaukasischen Gespräche über Gesundheit und Familie. Niko kam sofort zur Sache: „In der nächsten Woche feuern sie den Glatzkopf“, stieß er zwischen zwei schweren Atemzügen hervor.

      „Ist das sicher?“

      Niko zog ein Blatt Papier aus dem Jackett, die Kopie des Terminkalenders des Präsidenten von der kommenden Woche. Die weitsichtigen Augen des Alten entdeckten den entscheidenden Punkt sehr schnell. „Mittwoch, 11.30 Uhr, Bürgermeister Fjodor Innokentjewitsch Kruschkow, Rücktritt“, stand dort.

      Der Alte hatte in den Tagen zuvor bereits voller Interesse die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchenden kritischen, teils beleidigenden Sujets im russischen Fernsehen verfolgt, die sich mit den Fehlern des Stadtoberhauptes befassten. Der hatte noch vor kurzem als unantastbar gegolten. Keine Fernsehstation hätte sich an ihn herangewagt. Wenn das jetzt geschah, musste es ein deutliches Interesse daran ganz oben geben. Die Zeichen waren also mehr als deutlich, offen war nur noch der Termin gewesen. Das hatte sich nun geklärt. Niko hatte noch eine weitere Information. „Seine Alte hat sich schon nach Zypern abgesetzt.“

      Onkel Aladin wusste: „Ich muss sofort nach Moskau.“

      Sein Gefühl und seine Erfahrung sagten ihm, dass dort schon die Messer gewetzt wurden. War der Glatzkopf einmal weg, würde das große Umverteilen beginnen. Nicht nur in der Staatsbürokratie, den Unternehmen und Banken, sondern auch in seiner, Onkel Aladins Welt, die mit der anderen durch Tausende unsichtbare Fäden verbunden war. Das würde unschön werden, wusste er. Hätten sie ihn nicht einfach auf seinem Posten lassen können?

      „Er war ein ehrenwerter Mann“, sagte er zu Niko gewandt, „er hat immer mit allen geteilt.“

      Doch nun musste er handeln. Eigentlich war er für dergleichen schon zu alt, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Nur jetzt keine Schwäche zeigen. Trübe Vorahnungen begleiteten ihn auf dem Weg zum Flughafen.

      Kapitel 5 - Borja kauft “33 Kühe” und hat Geldsorgen

      Wie von einer Dampframme gestreift, flog Borja zur Seite. Er war tief in Gedanken versunken durch den breiten, aber dennoch überfüllten Gang des riesigen Einkaufszentrums geschlendert. Verblüfft waren seine Augen einem hübschen Mädchen mit dem hochgewölbten Leib einer Schwangeren gefolgt, die wohl demnächst niederkommen würde. Über diesen Bauch spannte sich ein T-Shirt mit der Aufschrift: “Russlands Armee”.

      Die Matrone, die sich, mit zwei halbwüchsigen Töchtern im Schlepptau, wie ein Eisbrecher ihren Weg durch die Menge bahnte, bemerkte er nicht. Sie ihn offenbar auch nicht. Weder vor noch nach der Kollision. Moskau, stöhnte er, der in der Freundlichkeit der Provinz aufgewachsen war. Dabei hätte er längst an die rauen Sitten der Hauptstädter gewöhnt sein müssen. Schließlich war er schon das vierte Jahr hier, hatte seine schmerzhaften Bekanntschaften mit schweren, zurückschwingenden Metrotüren gemacht, war auf den Straßen angerempelt worden, wenn er nicht rechtzeitig ausgewichen war. Nur mir weicht niemand aus, wunderte er sich noch immer.

      Borja war nicht gut drauf an diesem geschäftigen Freitagabend, da sich anscheinend ganz Moskau verabredet hatte, einkaufen zu gehen. Wie jeden Freitag übrigens, von den Sonnabenden und Sonntagen gar nicht zu reden. Wo hatte die Leute nur das viele Geld her, fragte er sich nicht das erste Mal.

      Borja fühlte sich schwer angeschlagen. Kater am Morgen, Rausschmiss aus dem Jugendlager am Vormittag, dann die nervenzerfetzende Fahrt mit einem religiösen Spinner in dessen viel zu schnellem Mercedes.

      Nachdem der ihn am Straßenrand hatte stehen lassen, erbarmte sich schließlich der Fahrer eines klapprigen, deftig nach Benzin und Schweiß stinkenden Moskwitsch, ihn für ein paar Rubel mit in die Stadt zu nehmen. „Muss eh ins Zentrum“, hatte der zerknittert aussehende Fünfzigjährige gebrummt, als er ihn einsteigen ließ.

      Er hieß Kolja und war offensichtlich zum Plaudern aufgelegt. „War schon auf der Datscha, aber meine Alte hat das eingelegte Fleisch für den Schaschlik zu Hause im Kühlschrank vergessen.“ Verdrossen schüttelte er den Kopf und legte die Stirn in Falten, was ihm etwas Walrossartiges gab, zumal er im Besitz eines überdimensionalen Schnauzbartes war.

      Er habe sie wegen ihrer Vergesslichkeit angeraunzt, da sei Streit ausgebrochen. Ob er sich nicht ausnahmsweise auch mal um etwas kümmern könne, habe sie geschimpft. Die Getränke habe er ja schließlich auch nicht vergessen. Außerdem wisse er so gut wie sie, dass sie am Sonnabend Gäste erwarteten und überhaupt...

      Schließlich habe er, Kolja, klein beigegeben. „Sie hat das flinkere Mundwerk, und fahren hätte ich sowieso gemusst“, sagte er resignierend. Borja mimte den Verständnisvollen. „Weiber! Es ist eben leichter, neben einem hungrigen Tiger zu leben, als neben einer enttäuschten Frau“, bemühte er eine Weisheit aus dem Schatzkästlein russischer Sprichwörter.

      Kolja stutzte, nickte kurz und galoppierte weiter in seiner Klagerede über die Unbilden des Alltags. Er streifte den Ärger mit der Hausverwaltung, ging über zur Dämlichkeit seines Chefs.

      Und dann die Datscha. „Gehört eigentlich den Eltern meiner Frau. Mein Schwiegervater hat sie vor 40 Jahren für irgendwelche Verdienste für Staat und Partei, zugeteilt bekommen, zur Nutzung, wie es damals üblich war.“

      „Aber inzwischen habt Ihr sie privatisiert?“ fragte Borja, Interesse heuchelnd, um nicht unfreundlich zu erscheinen.

      „Ja, klar. Auch wenn immer noch nicht alle Papiere beieinander sind. Jetzt, wo sie alt sind, wollen sie uns das Grundstück überschreiben.“

      Aber da liege das Problem. Obwohl die Gesetzeslage eindeutig sei, wolle ihnen niemand die Besitzurkunde ausstellen. Was interessiere ihn das Gesetz, habe ihm ein Richter ins Gesicht gelacht, bei dem sie vorstellig geworden waren. Vorläufig lebten sie, was die Besitzverhältnisse angehe, in einem rechtsfreien Raum. „Das geht natürlich, kostet aber.“

      Eines Tages seien Landvermesser aufgetaucht. „Sie wollten das Grundstück neu vermessen. Mein Schwiegervater erklärte ihnen, dass die genauen Angaben längst bei der Verwaltung liegen und sich das Grundstück seither nicht verändert habe. Weißt du, was sie gesagt haben? Das Grundstück nicht, aber die Verwaltung!“

      Walross Kolja stieß ein kicherndes Lachen aus, dass so gar nicht zu seinem massiven Körper passen wollte. „Tja“, sagte er, nachdem er wieder Luft geholt hatte, „der eine hat den Dill, der andere die Gurken.“

      Dill?

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