Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel. M.E. Lee Jonas
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Aufgebracht stapft sie zu ihrem Schreibtisch und verschränkt provokativ die Arme. Broaf ist sehr nervös und zupft unentwegt am Frack herum, während Lincoln starr im Körbchen sitzt und unruhig hechelt. Diggler quetscht sich neben seinen Freund und grinst verlegen, da er hofft, dass er so die Stimmung harmonisieren könne.
Nur Oma Vettel schreitet langsam auf J.J. zu.
»Du wurdest am 9. Januar 1998 geboren. Deine Eltern waren Timothey und Cassy Smith, die fünfzehn Monate nach deiner Geburt bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kamen. Du hast diese Katastrophe nur überlebt, weil ich dich in letzter Minute retten konnte. Deine Eltern waren auf dem Weg zum Tor des weisen Phads, weil sie dich wegbringen wollten. Weg vom dunklen Phad und weg von mir! Dein Vater war kein Zauberer und hat alles Magische verabscheut. Um es mir richtig zu verdeutlichen, hat er bei seiner Hochzeit den Namen deiner Mutter angenommen. Smith! Somit hat er schon in diesem Moment mit unserer über sechshundert Jahre alten Familientradition gebrochen. Deshalb heißt du auch nicht von Winterhardt. Nach ihrem Tod wollte ich es dabei belassen, da es das Einzige ist, was sie dir hinterlassen haben. Niemand wusste, ob das Kind deiner Eltern schwarzes Blut haben wird. Als du geboren wurdest, erschien allerdings dein Name im Spiegel der Tore. Dein Name im Zauberreich ist Hexe Jezabel. Als dein Vater davon erfuhr, wurde er rasend vor Wut. Er sagte, dass er niemals zulassen würde, dass du eine Hexe wirst, und warf Darania und ihren Hexenrat beim traditionellen Neugeborenenempfang aus dem Haus. Ich wusste nicht, wie ich diesen Konflikt lösen sollte. Wir sind nun einmal eine Familie des dunklen Phads und noch nie zuvor hat ein Familienmitglied so offensichtlich gegen das Zauberreich rebelliert. Ich ließ nach der Tragödie etwas Zeit vergehen und freute mich einfach, dass es dich noch gibt. Du warst so wundervoll und sehr begabt. Aber das Schicksal geht seinen eigenen Weg. Eines Abends kam ein Halfie zu mir ins Haus und erbat sich Asyl.«
Oma Vettel schaut kurz zu Lincoln, der sich vor lauter Aufregung ununterbrochen seine kleine Nase leckt.
»Es war Lincoln. Er erzählte mir, das Darania plant, dich in den nächsten Wochen in ihr Reich zu entführen. Es war bei dir etwas komplizierter, denn dein Name erschien am Tage deiner Geburt zwar im Spiegel der Tore, aber weder Marla noch Darania gaben ihn bekannt, sondern der Spiegel selbst! Dein Name erschien in beiden Phaden gleichzeitig! Das heißt, du konntest schon vom Tage deiner Geburt an wählen, auf welcher Seite du deine Fähigkeiten nutzen möchtest. Darania wollte dir diese Entscheidung abnehmen und plante, dich also schon als Kleinkind in den dunklen Phad zu holen. Dein Vater hörte unser Gespräch mit und wurde mehr als zornig. Ich ging in den Keller zum Spiegel der Tore und erbat eine Audienz bei Marla, der Kindskönigin des weisen Phads. Ich erläuterte ihr mein Anliegen und bat sie um Rat. Sie bot deinen Eltern an, in ihr Reich zu kommen und mit Darania zu verhandeln. Den Rest kennst du ja.«
Oma Vettel entfährt ein tiefer Seufzer. Sie sieht ihre Enkelin bittend an, doch diese winkt nur verachtend ab.
»Das erklärt die eigentliche Situation aber nur oberflächlich! So hört sich das alles ja noch plausibel an. Aber ich habe auch in den Spiegel der Tore geblickt, und zwar im Moment meiner Geburt! Ich möchte endlich wissen, warum so ein Theater um mich gemacht wird. Und bitte keine Schönrederei mehr! Ich bin zwar erst knapp vierzehn Jahre alt, aber ich kann Gefahren relativ gut einschätzen. Ich habe Angst und ich weiß nicht, wovor. Aber ich weiß, dass ihr mir das erklären könnt!«
Oma Vettel tritt erschrocken einen Schritt zurück und wird kreidebleich. Ihre Haare beginnen wild zu blinken und ihre Hände zittern stark. Hilfe suchend sieht sie zu Broaf, aber der Diener sieht selbst aus, als habe er gerade einen Geist gesehen.
Ungläubig schüttelt die alte Dame den Kopf und sieht ihre Enkelin verstört an.
»Das ist unmöglich! Niemand kann außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung schauen!«, stammelt sie ungläubig und sieht ratlos zum Diener, der verkrampft nach Worten der Erklärung sucht.
J.J. steht auf und geht zum Fenster.
»Der Garten da unten ist mein Werk! Ich habe ihn erschaffen, als ich noch ein kleines Mädchen war. Deshalb konnte ich meinen Hort so schnell errichten. Als ich fortmusste, ist er verdorrt und verkümmert. Diesen Teil des Geschehens hast du leider unterschlagen. Wie so viele Dinge. Meine Erinnerungen kommen nur langsam zurück. Es wäre also nur fair, wenn du mir die ganze Wahrheit sagen würdest. Ich musste erneut Dinge erfahren, die ungeheuerlich sind. Wenn ich eins und eins zusammenzähle, bin ich nicht nur irgendeine Hexe, sondern eine ganz besondere!«
Sie starrt in den Garten, der wieder in voller Blüte steht. Im Raum bleibt es für eine kurze Weile still. Dann stellt J.J. die allumfassende Frage.
»Was bedeutet: Sie ist angekommen! Die schwarze Prinzessin wurde geboren!?«
Sie dreht sich um, da sie nur einen leisen Hickser vernehmen kann, und sieht in die entsetzten Gesichter von Oma Vettel und Broaf. Die beiden starren sie mit offenen Mündern an und bekommen kein Wort heraus. Lincoln sitzt ebenfalls total geschockt in seinem Korb und sieht entsetzt zu Vettel. Nur Diggler hat Angst einen Fehler zu machen und bleibt deshalb einfach grinsend sitzen. Oma Vettel dreht sich zu den Halfies und bittet sie zu gehen. Als sich die Tür hinter ihnen schließt, geht sie auf J.J. zu.
»Das bedeutet, dass du die schwarze Prinzessin bist, die dem Zauberreich vor mehr als eintausend Jahren angekündigt wurde. Aber das ist nur eine Legende, Jezabel! Weißt du, wir waren einmal ein Reich, in dem alle magischen Wesen friedlich zusammenlebten. Es gab immer mal wieder Konflikte, so wie in der realen Welt auch, aber nichts Bedeutendes.
Aber die Gier nach absoluter Macht hat einige der Hexen vergiftet. Sie begannen, sich an geheimen Orten zu treffen, und schmiedeten Pläne, um den König zu stürzen. Es war damals strengstens verboten, jeglichen Geschöpfen, egal ob sie aus dem Zauberreich oder der realen Welt stammten, durch einen Zauber Schaden zuzufügen. Aber Crysaldis von Festos, eine der schwärzesten Seelen, die es jemals im Zauberreich gab, setzte sich über das Gesetz hinweg und begann gegen den König zu rebellieren. Sie scharte eine Bande heimtückischer Hexen um sich und unterwarf die anderen Wesen, indem sie deren Familien mit unwiderruflichen Flüchen drohte.
Eines Nachts stürmten sie die Burg des Königs, die sich in der Mitte des Zauberreiches befand, und überwältigten ihn im Schlaf. Er und sein Gefolge hatten keine Chance. Crysaldis hatte sich mit den dunkelsten Geschöpfen, den großen Unterirdischen, verbündet und was der Preis ihrer Dienste ist, kannst Du dir sicherlich denken. Sie stürmte also die Burg mit einer Armee hungriger Dämonen und rief die dunkelsten Schatten an ihre Seite. Es muss grausam gewesen sein. Aber Vaun, der weiseste Zauberer aller Zeiten, den konnten sie nicht überwältigen. Als er bemerkte, was sich im Hintergrund tat, floh er in sein Turmzimmer und belegte den Eingang mit einem mächtigen Schutzbann aus reinem Licht. Als Crysaldis nun vor seiner Tür verharrte und alle Zauberformeln ausprobierte, um den Bann zu brechen, holte Vaun seine Kugel der Ewigkeit. Sie war das große Orakel des Zauberreiches. Sie glühte blutrot und wand sich in seinen Händen, sodass seine Haut versengte. Vaun begriff, dass seine Zeit gekommen war, und hielt Crysaldis das Orakel vor die Augen. Dann sprach er mit hallender Stimme, sodass es jedes Wesen im Zauberreich hören konnte:
»Von nun an wird sich das Zauberreich in zwei Phade teilen. Der weise Phad wird die Tradition und Gesetze unserer Ahnen bewahren und in Balance mit der Natur leben. Im Gegensatz dazu wird es den dunklen Phad geben, der sich der dunklen Seite zuwendet, und all jenen Geschöpfen gewidmet ist, die sich dir anschließen und gegen das Gesetz der Balance auflehnen. Dort soll ewige Dämmerung herrschen, die dem Licht erst weichen kann, wenn die schwarze Prinzessin geboren wird. Nur die Macht dieses vollkommenen Geschöpfes kann das Reich wieder vereinen und erst dann ist deine Schuld beglichen!«
Vaun hob die Kugel in die Höhe und sprach einen mächtigen Zauber, den niemand jemals vor ihm genutzt