Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel. M.E. Lee Jonas
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Man sollte in diesem Moment vielleicht anmerken, dass Jezabel für ihr Alter sehr klug ist.
Das kleine Mädchen konzentriert sich und spricht laut:
»Ich möchte meine Eltern sehen! Aber nicht nur auf einem Foto. Ich will sie ein letztes Mal sehen und bei ihnen sein!«, ruft sie trotz der Warnung ihrer Großmutter fordernd in den Garten.
Plötzlich wird es düster und ein kühler Wind kommt auf. Der Ort verändert sich. Die Umgebung verschmiert vor ihren Augen und lässt die Farben verblassen. Jezabel fällt zu Boden und bemerkt, dass um sie herum alles viel größer wird. Aus weiter Entfernung hört sie aufgeregte Stimmen. Sie sieht sich panisch um und stellt fest, dass sie in einem Auto ist. Der Hort hat sie also in die Erinnerung geschleust, als sie ihre Eltern das letzte Mal sah.
Eine blonde Frau sitzt vor ihr auf dem Beifahrersitz und dreht sich ängstlich zu ihr. Während der Fahrer mit hoher Geschwindigkeit das Auto manövriert, löst sie den Gurt und kriecht zu dem Mädchen. Jezabel folgt den Blicken ihrer Mutter, die fortwährend mit angstverzerrter Miene aus dem Fenster sieht. Die Bäume, die sie durch das Fenster sehen kann, fliegen immer schneller an ihnen vorbei. Und sie bemerkt noch etwas, das nicht in diese Landschaft passt. Riesige, schwarze Vögel, die in unmittelbarer Entfernung neben ihnen herfliegen und fürchterlich kreischen.
»Du brauchst keine Angst zu haben, mein Schatz! Es ist nur ein Spiel! Hörst du. Versteck dich unter dem Sitz und verhalte dich ganz still! Mami hat dich lieb.«
Die Frau löst den Gurt des Mädchens und lächelt sie seltsam an.
»Mama. Diese Frau ist meine Mama! Aber wovor hat sie Angst?«
Jezabel versucht sie zu berühren, aber ihre Mutter drückt sie sanft unter den Sitz und legt ihren Zeigefinger an die Lippen. Dann setzt sie sich wieder zu Jezabels Vater, der sich umdreht und ihr beruhigend zuzwinkert.
»Keine Angst, kleine Prinzessin. Diese Hexen kriegen uns nicht!«
Jezabel hat aber Angst! Sie versucht ihren Eltern etwas zuzuschreien, aber die können sie nicht hören, da sie sich in ihrer Vergangenheit befindet und deshalb nicht eingreifen kann. Ein paar Worte, die ihre Mutter ständig wiederholt, merkt sie sich:
Dunkler Phad, Darania, Marla, Legende und Skulks.
»Skulks!«, kreischt die junge Frau hysterisch, dann folgt ein dumpfer Schlag.
So als wäre etwas Großes auf das Autodach gefallen. Ängstlich presst Jezabel die Hände vor die Augen und schreit: »Aufhören!«
Und im nächsten Moment ist es still.
Es dauert ein paar Sekunden, bis das kleine Mädchen sich traut, die Augen zu öffnen. Ganz langsam nimmt sie die Hände herunter und sieht sich ängstlich um. Sie ist wieder in ihrem Hort und liegt auf der Blütenschaukel. Ohne nachzudenken, springt sie auf und rennt zur Marmorsäule. Sie nimmt den Gedankenstein herunter und schmeißt ihn fluchend zu Boden. In diesem Moment steht sie wieder im Esssalon. Oma Vettel starrt entsetzt auf den Stein und dann zu ihrer Enkelin. Eine angespannte Atmosphäre beherrscht plötzlich den Raum. Jezabel hebt langsam den Kopf und sieht ihre Großmutter wütend an.
»Das ist also mein Geschenk? Weißt du was, das kannst du behalten! Ich hasse die Zauberei und den dunklen Phad hasse ich noch viel mehr! Meine Eltern sind gestorben, weil sie vor einer Hexe geflohen sind! Ich will keine dunkle Hexe werden. Ich will gar keine Hexe sein!«, schreit sie los und verschränkt trotzig die Arme. Oma Vettel schüttelt entsetzt den Kopf.
»Ich sagte dir doch, dass du den Stein sofort wieder ablegen sollst! Du hättest dich in dieser Erinnerung verirren können! Was …«
Weiter kommt die alte Dame nicht. Jezabel hält sich die Ohren zu und rennt an ihr vorbei. Verzweifelt sieht Oma Vettel zu Broaf, der betroffen den Blick senkt.
»Ich werde niemals eine dunkle Hexe! Niemals!«, hören sie das kleine Mädchen immer wieder rufen, während es hinaus in den Garten rennt.
Jezabel wirft sich schluchzend auf die Blütenschaukel. Broaf folgt ihr besorgt. Bei ihr angekommen streicht er ihr sanft über den Kopf.
»Meine kleine Jezabel. Du weißt, wie schwer es deiner Großmutter fällt. Aber ihr seid an die Gesetze des Hexenrates gebunden. Du wirst sehen, wenn du erst einmal im dunklen Phad bist, wirst du schnell Spaß an der Zauberei finden.«
Jezabel springt auf und wischt wütend die Tränen aus dem Gesicht.
»Broaf, es ist mir egal, wie viel Spaß die Hexerei macht. Ich will keine dunkle Hexe werden! Ich will niemandem wehtun, verstehst du. Ich war in dem Auto und habe sie gesehen. Die Skulks! Meine Eltern haben geschrien und jetzt sind sie tot! Ich will keine Hexe sein. Bitte!«
Sie richtet sich auf und sieht ihm entschlossen in die Augen.
»Ich werde heute Nacht weglaufen und keiner wird mich jemals wiederfinden!«, fährt sie fort und wirft sich hoffnungslos weinend auf die Schaukel. Broaf nimmt sanft ihre Hände.
»Jezabel. Der Hexenrat wird dich überall finden. Egal, ob in dieser Welt oder im Zauberreich. Sie werden die Skulks losschicken und die können dich überall orten. Damals hatten wir Glück, das wir dich rechtzeitig aus dem Auto holen konnten. Aber es hat am Ende nichts geändert. Es tut mir sehr leid, kleine Fee, das hat keinen Zweck. Wir werden den Gesetzen leider folgen müssen.«
Jezabel fällt dem Diener schluchzend um den Hals. Ihre Großmutter, welche die ganze Zeit hinter dem großen Rosenbaum gestanden und alles mit angehört hat, stampft wütend auf den Boden, bevor sie aus ihrem Versteck hervortritt.
»Broaf, lass uns bitte einen Moment allein!«, sagt sie traurig.
Der Diener hebt das kleine Mädchen auf die Schaukel zurück und geht ins Haus. Jezabel bleibt mit gesenktem Kopf sitzen und schluchzt unaufhörlich. Ihre Großmutter setzt sich nachdenklich neben sie und nimmt sie schützend in den Arm.
»Meine kleine Prinzessin. Ich möchte, dass du weißt, wie stolz ich auf dich bin. Auch wenn du es jetzt noch nicht begreifst, aber du bist mir ähnlicher, als du glaubst. Ich habe deinen Vater verloren und noch viele andere geliebte Menschen, weil das Schicksal es so wollte. Ich habe dich aufgenommen und wusste, dass irgendwann der Tag kommt, an dem dein Gedankenstein gehoben wird. Ich hoffte nur, dass er uns etwas mehr Zeit gibt. Es ist alles sehr kompliziert, mein Kind. Aber da er im dunklen Phad gehoben wurde, darf der Hexenrat dich nun legal einberufen. Ich kann im Moment also nicht sehr viel für dich tun. Wie du weißt, bin ich an diesen Ort gebunden. Ich darf nicht in Xestha wohnen. Auch wenn es noch andere Möglichkeiten für dich gäbe, so wäre die Endstation immer das Zauberreich. All die Jahre habe ich gehofft, dass dir die Hexerei Spaß macht und du gern eine von uns werden möchtest. Ich hoffte, dass es mir dann leichtfallen würde, dich gehen zu lassen. Doch nun muss ich erkennen, dass dies eine falsche Hoffnung war. Es ist nicht alltäglich, dass eine junge Hexe die Magie ablehnt. Du bist eben etwas ganz Besonderes. In jeder Hinsicht. Dieser Umstand macht alles sehr kompliziert. Broaf hat recht. Wir haben keine Chance, uns gegen Daranias Gesetze zu wehren. Weglaufen ist leider auch keine Lösung, sie würden dich überall finden. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, dich vor einem Leben als Hexe zu bewahren. Aber die wird dir nicht gefallen und zudem mein altes Herz brechen.«
Jezabel richtet sich auf und sieht ihre Großmutter ungläubig an.
»Aber Großmutter, ich dachte, du bist gern eine Hexe des dunklen Phads. Ich habe doch all die