Behauptung statt Wahrheit. Erwin Leonhardi
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Die Septuaginta
Die Septuaginta, das Buch der Siebzig, ist die älteste durchgehende Übersetzung der hebräisch-aramäischen Urtexte. Dieses riesige Übersetzungsprojekt wurde etwa 250 v. Chr. im hellenistischen Judentum begonnen. Geografischer Ausgangspunkt war Alexandria. Bis etwa 100 v. Chr. waren die meisten Bücher übersetzt, die restlichen folgten dann bis etwa 100 n. Chr. Die Zielsprache der Septuaginta war die damalige altgriechische Alltagssprache, die Koine.
Dass die in Griechisch entstandene Übersetzung ausgerechnet mit einem lateinischen Titel versehen wurde, geht auf den Brief des Aristeas von ca. 150 v. Chr. zurück, in dem er das Werk so nennt. Der Titel ist allerdings ein unwesentliches Detail.
Das nach 350 Jahren vorliegende Ergebnis der siebzig Übersetzer ist sprachwissenschaftlich gesehen mit Hebraismen durchsetzt, die Satzstellung und Wortgebrauch hebräischer Textvorlagen nachahmen. Zusätzlich gibt es aramäische Einflüsse, die auf den persönlichen Sprachgebrauch der jeweiligen Übersetzer zurückgehen. In ihrer endgültigen Form enthielt die Septuaginta zusätzlich zur hebräischen Bibel auch die Apokryphen und andere kanonische Bücher, die teilweise als griechische Originaltexte übernommen wurden.
Der Legende nach übersetzten 72 jüdische Gelehrte in Alexandria die fünf Bücher Moses, innerhalb von 72 Tagen ins Griechische. Dabei sollen die Übersetzer getrennt gearbeitet haben. Am Ende seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen. Der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Wenn dies ernst zu nehmen wäre, hätte der Heilige Geist für das Ergebnis auch inhaltlich die volle Verantwortung. Das würde bedeuten, dass sachlich falsche Darstellungen auf sein Konto gingen. Zur Vermeidung unfruchtbarer Diskussionen sollten Fundamentalisten lieber akzeptieren, dass es sich nur um eine Legende handelt. Die Zahl 72 wurde später auf 70, lateinisch septuaginta, abgerundet.
Die Vulgata
Die Geschichte der lateinischen Vulgata ist abenteuerlich. Hieronymus hat ca. 380 bis 400 n. Chr. die griechischen Texte ins Lateinische übersetzt. Dass er dabei die zeitgemäß üblichen frommen Änderungen und Ergänzungen vorgenommen hat, ist bekannt. Bis heute ist die komplette Auflistung seiner Änderungen und Ergänzungen noch im Stadium der wissenschaftlichen Bearbeitung. Die Ergebnisse dürften bald vorliegen und entlarven dann faktisch sein pseudoreligiöses Handeln. Hieronymus war ein Vertrauter des Papstes Damasus I. Er revidierte zunächst die Evangelien und danach die übrigen Schriften des NT. Besonders bei den Evangelien hat er - mittlerweile detailliert nachweisbar - deutlich die älteren Texte verändert.
Im Jahre 384 übersiedelte er nach Bethlehem und begann mit der Übersetzung des AT. Anfangs beschränkte er sich auf die Bücher Psalter, Hiob, Sprichwörter, Hohelied, Prediger und Chronik. Es ist für seine Einstellung bezeichnend, dass er gerade diese Bücher auswählte. Die stützen am deutlichsten sein überarbeitetes NT. Ab 393 widmete er sich dem gesamten AT, laut eigenen Angaben auf Basis der hebräischen Texte. Die moderne Forschung wies jedoch nach, dass er nicht ausreichend hebräisch sprach, und dass seine lateinische Übersetzung wortgleich auf der griechischen Hexapla des Origenes beruhte. Hieronymus war offenbar nicht zimperlich, wenn es darum ging, Kompetenz und Authentizität vorzutäuschen.
Über mehrere Jahrhunderte gab es konkurrierende Vulgata-Versionen. Am stärksten vertreten waren die nach 400 n. Chr. geschriebene vetus latina und die alte biblia sacra vulgata. Es gibt eine Reihe von Revisionen mit verschiedensten Färbungen. Karl der Große veranlasste, dass ab dem 9. Jahrhundert nur noch die derzeitige Version der Vulgata gelten durfte. Diese hatte durch den von Gutenberg erfundenen Buchdruck Mitte des 15. Jahrhunderts ihren Verbreitungshöhepunkt.
Die Vulgata hatte bekanntermaßen sehr viele Übersetzungsfehler. Einer der populärsten ist in Michelangelos Moses-Statue in Stein gemeißelt. In der Vulgata war das hebräische Wort für leuchtend mit gehörnt übersetzt worden. Deswegen hat Michelangelos Moses-Statue von ihm zwei Hörner erhalten.
Im Jahre 1546 erklärte das Konzil von Trient die damalige Vulgata für authentisch und ließ eine möglichst fehlerfreie Ausgabe vorbereiten. Der 1621 verstorbene Theologe Roberto Bellarmino stellte allerdings die höhere Autorität der hebräischen und griechischen Texte mit den Worten heraus: "Sie sind die Quelle, die Vulgata ist der Bach." Alles in allem liegt bei der wirren Geschichte der Vulgata kein vertrauenerweckendes Dokument vor.
Mittlerweile gilt das katholische Dogma, dass Übersetzungen in Landesprachen nur auf Basis der Vulgata gemacht werden dürfen. Urtext-Übersetzungen sind nicht geduldet. Ob dies eine Schutzklausel ist, bleibt dahingestellt.
Die Lutherbibel
Luthers Bibel ist keine Übersetzung der Vulgata, obwohl dies landläufig oft so gesagt wird. Er selbst war firm in der lateinischen Sprache, kannte aber die älteren Sprachen nicht ausreichend. Daher bildete er ein Team von Theologen, die als Basis die althebräischen, aramäischen und altgriechischen Texte verwendeten, und sie in das Frühneuhochdeutsch übersetzten. Einer der Theologen war Philipp Melanchthon, ein Spezialist für die griechische Sprache. 1522 erschien die erste Auflage des NT, und 1534 die erste vollständige Bibel inklusive des AT.
Die protestantische Bewegung lehnte die Vulgata und deren Derivate wegen ihrer religiös übermotivierten Textrevisionen ab. Man hielt sich weitestgehend an die Originalsprachen Hebräisch, Aramäisch und Alt-Griechisch und verwendete Latein nur zur Klärung mancher Sachverhalte. Insofern ist der deutsche Text der Lutherbibel der authentischste. Modernere Übersetzungen gehen zwangsweise auf die vom Vatikan ausgerufene Vulgata zurück.
Die Authentizität der Bibeltexte
Also ist die in mittelalterlichem Hochdeutsch geschriebene Bibel ein sprachliches Konglomerat aus hebräischen, aramäischen, griechischen und lateinischen Texten. Daraus wörtliche Zitate zu entnehmen und einen auf die heutige Zeit passenden Sinn herbei zu theologisieren, ist abenteuerlich. Es erfüllt den Tatbestand einer Täuschung. Einige französische Denker während der Aufklärung nannten es wörtlich Priesterbetrug. Über diesen Begriff und dessen Inhalte gibt es viel Literatur. Bezeichnenderweise wird diese weitgehend totgeschwiegen.
Die Tatsache, dass viele theologische Passendmacher an dem sogenannten heiligen Gotteswort Veränderungen vorgenommen haben, sollte eine grundsätzliche Skepsis diesen Texten gegenüber wecken. Zumindest beweist es, dass die frommen Änderer, eigentlich Fälscher, damit dokumentieren, dass sie selbst nicht daran glaubten, dass die Texte heilig und göttlich sind. Sonst hätten sie es nicht gewagt, so mit ihnen umzugehen.
Der biblische Kanon
Abenteuerlich zeigt sich auch der menschliche Umgang mit der Heiligen Schrift in der Zusammenstellung der Bücher der Bibel. Menschen haben entschieden, welches Buch dazu gehört, und welches nicht. Das ist menschliche Zensur an Gottes Wort.
Der jeweilige Bibelkanon ist die Reihe von Büchern, die als Bestandteile ihrer Bibel festgelegt wurden und damit Maßstab ihrer Religionsausübung sind.
Im Judentum wurden die fünf Bücher Moses, im Zeitraum ca. 800 - 250 v. Chr. zur normativen Heiligen Schrift. Diese Bücher wurden um weitere prophetische und weisheitliche Schriften ergänzt. Erst etwa 100 n. Chr. wurde endgültig festgelegt, welche hebräischen Schriften zum dreiteiligen Tanach gehören. Die drei Teile des Tanach sind Thora (Weisung), Nevi'im (Propheten)