Verkauft. Valuta Tomas
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Lächelnd wandert Kim ein paar Schritte durch die Halle und ist stolz auf das was sie geschaffen hat. Denn sie hat nicht nur einfach eine normale Buchhandlung eröffnet. Sie wollte etwas anderes machen. Etwas Besonderes! Etwas, was es so noch nicht gibt!
Als Kunde ist sie immer genervt, wenn sie in einer Buchhandlung steht und ihr Genick kurz vorm Bruch ist, wenn sie den Kopf schief legen muss, um den Buchrücken eines Buches lesen zu können. Sie stört die Reizüberflutung der überfüllten Regale. Kim fühlt sich immer so erschlagen von dieser Auswahl an Büchern, dass sie sich dazu entschloss, so eine Buchhandlung nicht zu eröffnen. Die Kunden sollen sich wohl fühlen und sicher sein, dieses Buch (dass sie in ihren Händen halten) wirklich kaufen zu wollen und nicht, weil es ihnen auf dem Weg durch das Geschäft durch einen monströsen Aufbau regelrecht ins Gesicht springt. Sie will den Kunden die Freiheit und Option geben, ihre Wahl sorgfältig zu treffen.
Kim stellte ein völlig neuartiges System und eine ausgeklügelte Verkaufsstrategie auf. Im gesamten Geschäft stehen kleine Sitzgruppen. Entweder normale Stühle mit Tischen, Sessel oder hin und wieder eine Couch. Der Kunde kann sich aus den liebevoll gefüllten Regalen ein Buch aussuchen und sich überlegen, ob er es sofort kauft oder vorerst eine gemütliche Lesestunde nimmt. Kim ließ ein Programm entwickeln, dass die Kunden an diesen kleinen schnuckeligen Laden liebevoll binden. Man muss kein Mitglied mit jährlichen Gebühren werden, erhält aber trotzdem nach dem ersten Kauf, oder der ersten Leseprobe eine Karte. Somit können sie sich in dem Geschäft ihrer Liebe zu Büchern widmen. Wenn der Kunde noch unentschlossen über einen eventuellen Kauf ist, zieht er einfach seine Mitgliedskarte und das ausgesuchte Buch über einen im Tisch eingebauten Scanner. Das System registriert beides und der Kunde kann sich kostenlos eine Stunde in die Zeilen der Geschichte vertiefen. Wenn er sich dazu entschließt nach dieser Stunde das Buch zu kaufen, kann er dies natürlich machen. Will er aber sitzen bleiben und weiterlesen, bucht das System auf dessen Mitgliedskonto einen Verkauf von zwei Dollar. Je länger der Kunde also in dem Buch im Laden liest, umso teurer wird es für ihn. Dies passiert öfters, als Kim in die damalige Kalkulation einberechnete. Denn in dieser gemütlichen Situation und der vertieften Stimmung der Zeilen, schwindet die Zeit schneller, als dem einen oder anderen Kunden lieb ist. Somit verdient Kim manchmal mehr an den Lesestunden, als das Buch an sich wert ist. Das System rentiert sich, weil sie eine strategische Glanzleistung mit in ihre Idee eingebracht hat. Den Kunden wird in der Zeit der Lesung Kaffee, Tee und sogar Kuchen kostenfrei gereicht. Somit wird es für die Leute noch gemütlicher und die Zeit vergeht schneller als sie glauben.
Kim genießt jeden Tag aufs Neue den Anblick der zufriedenen Kunden, wie sie in den Sesseln sitzen und in den Büchern blättern, um dieses dann später zu kaufen. Sie nutzt die Leidenschaft der Kunden, die Magie der Bücher und finanziert sich somit ihr Leben. Trotzdem kann sie bis heute noch keine schwarzen Zahlen verzeichnen, weil sich dieses System noch nicht genug verbreitet hat und viele Leute diesem skeptisch gegenübertreten. Aber die Kunden, die wöchentlich erscheinen, wissen was sie an diesem kleinen gemütlichen Geschäft, mit diesem schon wohnlichen Ambiente haben. Sie verbringen gerne ihre Zeit in dem Laden. Es ist keineswegs auf Kommerz ausgelegt, sondern nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden abgestimmt.
In ihren eigenen Laden verliebt, wandert Kim durch die Regale und genießt den Duft der Bücher, der sie wie eine frische Parfümwolke umgibt. Langsam sinkt sie in einen der Sessel und lässt ihre Augen über ihren Traum wandern. Sie hat ihn wirklich wahrwerden lassen und weiß, dass sich dieser kleine Laden früher oder später rentieren wird. Er wird schwarze Zahlen schreiben und noch weit darüber hinaus. Sie muss nur Geduld haben. Die hat sie, aber leider nicht die Rechnungen, die tagtäglich im Laden oder zu Hause eintrudeln. Sie hat all ihre Ersparnisse in diesen Traum gesteckt und hat dafür ihr Privatleben vollkommen zurückgenommen. Vor einiger Zeit entschloss sie sich aber, dieses zu ändern und kam auf diese beschissene Idee, ihren Körper zu verkaufen. Um ihren Laden halten zu können und um zu leben. Ohne auf den Titel zu achten, schnappt sie sich eines der Bücher, die mit dem Cover nach vorne weg im Regal präsentiert werden. So wirken diese ansprechender für den Kunden.
Kim setzt sich in einen Sessel zurück und beginnt zu lesen.
Sie bemerkt nicht wie die Zeit verfliegt und schießt erschrocken im Sessel hoch, als sie das bekannte Piepen der Sicherheitsanlage hört, wenn diese unscharf geschaltet wird. Gleich darauf hört sie wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wird und dann geht die Personaltür auf.
»Was zum…?«, hört sie die Stimme einer Mitarbeiterin fluchen.
»Keine Panik! Ich bin schon da!!«, ruft Kim lautstark durch den Laden, um ihre Mitarbeiterin zu beruhigen. Sie stellt das Buch schnell in das Regal zurück und eilt in ihre Richtung, um ihre tatsächliche Anwesenheit sicherzustellen.
Mit einem überraschten Gesicht schaut die Mitarbeiterin sie an.
»Guten Morgen! Was machst du denn schon so früh hier?«, stellt diese eine berechtigte Frage und blickt auf ihre Armbanduhr. Kim schaut auf ihre eigene und erschrickt. Kurz vor sieben! Oh Gott, sie hat die ganze Nacht hier verbracht und hat nicht eine Stunde Schlaf bekommen! Ist sie tatsächlich so in dem Buch versunken?
»Ich, äh…«, verwirrt blickt sie um sich und wirft ihre Augen zum Buch zurück, das sie die letzten Stunden in den Händen hielt. Schlagartig wird ihr bewusst, dass sie zwar die Blätter bewegt hat, die Buchstaben entziffert und gelesen hat, aber nichts davon hängengeblieben ist. Sie kann sich in keinster Weise an die Handlung dieses Werkes erinnern. Nichts! Sie weiß gar nichts mehr.
»ich konnte nicht schlafen!«, spricht sie zerstreut und verlegen weiter. Ohne darüber nachzudenken, weiß sie weshalb sie nicht schlafen konnte. Nach dem Nervenzusammenbruch in der Dusche, hat sie es tunlichst vermieden sich im Spiegel zu betrachten. Sie schämte und ekelte sich vor sich selbst. Dass sie sich das wirklich angetan hat und damit leider auch nicht aufhören wird. Sie wollte diese Schande in ihren grünen Augen nicht sehen! Sie wollte aus unerfindlichen Gründen auch nicht zu Hause bleiben. Sie fühlte sich dort gefangen und gefesselt. Denn dort wuchsen der Gedanke und die Idee für diesen Nebenjob. Beraubt von der guten Moral und ihrem reinen Gewissen, gab sie in ihren vier Wänden die Anzeige für diese Tätigkeit auf. Als ihr das unter der Dusche bewusst wurde, wollte sie nur noch fliehen! Raus aus ihrer Wohnung! Raus aus diesem Horrortrip, der erst begonnen hat. Sie weiß nicht wie lange sie diesen Job machen wird und wie viele Männer sie ertragen muss. Aber sie wird mit Sicherheit nicht schon in zwei Wochen genug Geld verdient haben, um damit aufzuhören. Und dieser Gedanke treibt ihr eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken. Sie schüttelt sich und blickt ihre Mitarbeiterin mit großem Kraftaufwand lächelnd an, obwohl sie derzeit am liebsten in Tränen ausbrechen würde. Heulen wäre jetzt genau das richtige was sie gebrauchen könnte. Heulen, Kaffee und danach eine verdammt große Mütze Schlaf.
Ohne heulen, ohne Schlaf, aber mit sehr viel Kaffee intus, geht Kim ihrem Traum nach und beginnt mit der Mitarbeiterin die Arbeit.
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Am Vormittag reicht sie einem Stammkunden eine Tasse Kaffee, als plötzlich ihr Handy piept. Mit einem ehrlich gemeinten und freundlichen Lächeln, wendet sie sich von dem Kunden ab, holt das Handy aus der Hose und kann sofort Mark als Absender ihrer besonderen Mailadresse erkennen.
-Wo bist du?- Was soll das denn??
-Wieso?-
-Ich habe noch hundert Dollar!-
-Und?-
-Und die würde ich gerne bei dir ausgeben! Du hast einen bleibenden Eindruck hinterlassen!-, liest sie und sieht einen zwinkernden Smiley. Nervös blickt sie um sich und sieht all die