Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Auf ihren Spuren - Sabine von der Wellen страница 5
Sie hielt das für wichtig. Sie glaubte daran, dass wir Resonanzen abbauen müssen, damit es uns dann in einem neuen Leben bessergeht.
Ich war damals zwölf oder dreizehn und verstand nicht viel von dem, was sie mir da erzählte. Es interessierte mich auch nicht. Sie war schließlich nur meine Mutter!
Heute weiß ich, sie war alles auf dieser Welt und ich hätte ihre Worte aufsaugen müssen, sie aufnehmen, einrahmen, in Gold gießen müssen. Aber ich tat sie nur ab.
Doch nach dem Besuch bei ihrem Mörder fielen sie mir wieder ein und ich hatte plötzlich das Gefühl, dass das Zusammentreffen dieses Autofahrers und meiner Mutter, mitten in der Nacht in Frankfurt, einen Sinn hatte. Wie meine Mutter so schön geschrieben hatte, konnte sie deswegen endlich diesem Leben entkommen und ein neues anstreben. Und dieser Mann - vielleicht war er jemand, der sie in einem anderen Leben über alles geliebt hatte - erlöste sie in dieser Nacht nur. Zumindest gefällt mir diese Variante viel besser, als die, dass meine Mutter ihm in einem anderen Leben Schlimmstes zugefügt hatte und der Unfall nur eine Retourkutsche war.
Ich helfe noch den Tisch abzuräumen, wobei Katja und Timo mehr herumalbern, als sich am Abräumen zu beteiligen. Darum überlasse ich ihnen den Abwasch und verdrücke mich in mein Zimmer.
Ich beneide Timo manchmal, wie ungezwungen und locker er mit Katja umgeht. Er hat überhaupt kein Problem damit, bei ihr auf Tuchfühlung zu gehen.
Katja höre ich noch kreischen, weil Timo sie beim Abwaschen von hinten umschlingt, sie an die Spüle presst und wer weiß was mit dem Wischwasser anstellt.
Ich schließe schnell meine Tür, gehe zu meiner Musikanlage und drehe meine Musik etwas lauter. Ich will die beiden nicht hören. Das verursacht immer einen seltsamen, unangenehmen Druck in meinem Bauch.
Ungeduldig ziehe ich eine Schalosie hoch und sehe aus dem Fenster, wo die letzten Sonnenstrahlen im Grau des aufsteigenden Abends versinken und alles in ein schönes Rot färben. Hinter den gegenüberliegenden Häuserblöcken sehe ich das Grün des Stadtparks ein letztes Mal aufleuchten.
Wenn Manuel nicht bald aufkreuzt und mit mir Mamas Laptop checkt, drehe ich durch. Nachdem wir wochenlang versuchten, den Pin zu knacken, hat er sich nun ein Programm zugelegt, dass unser Problem lösen soll. Das läuft seit gestern Abend und ich hoffe, dass wir endlich ein Ergebnis präsentiert bekommen.
Mir wird mulmig bei dem Gedanken, dass auch der Laptop bereinigt worden sein könnte, wie das zweite Handy meiner Mutter.
Das ist ein weiteres Geheimnis, das Manuel und ich entdeckten.
Als ich Manuel das Handy brachte, konnte er es soweit richten, dass wir es untersuchen konnten. Es war eine Prepaid Karte mit der üblichen IMSI und einer Kontaktliste. Da waren Nummern wie meine, die von ihrem Internetcafe, Onkel Andreas, von Michelle, die ich bei der Testamentseröffnung erst kennenlernte, ihrem Friseur, ihrer Autowerkstatt und vielen Taxiunternehmen aus fast jeder Stadt drauf. Alles ganz normal anzurufende Nummern.
Es gab aber auch andere gespeicherte Nummern, die mit irgendwelchen Namen zusammenhingen, die mir keinen Erkennungswert gaben. Natürlich versuchte ich überall anzurufen, weil ich herausfinden wollte, was diese Menschen mit meiner Mutter zu tun gehabt hatten. Doch eine mechanische Stimme wies mich immer wieder darauf hin, dass diese Nummern nicht vergeben sind.
Ich habe keine Ahnung, warum meine Mutter ihren Kontaktspeicher mit Menschen und Telefonnummern gefüllt hat, die es nicht gab.
Ansonsten fand ich keine Bilder, keine SMSen oder sonst was auf dem Handy. Nichts. Selbst die Anrufspeicher präsentierten mir ein vollkommen leeres Dasein und nicht mal ihr letzter Anruf wurde angezeigt.
Manuel ist aber ein Schlaukopf und fand heraus, dass meine Mutter auch einer gewesen sein muss. Und das, obwohl sie sich mir gegenüber immer als völlige Technikniete ausgab. Sie konnte nicht mal ihren Pin ändern oder etwas herunterladen. Doch Manuel fand ein Programm auf ihrem Handy, mit dem man Daten verschlüsseln und Kontakte als Privat kennzeichnen kann, die dann weder in den Kontakten noch in Anruflisten auftauchen. Aber weil auch alles andere aus dem Handy verschwunden war, glaubt er, dass Daten gelöscht wurden.
„Das kann man mit so einem Programm. Man kann von außerhalb auf das Handy zugreifen und alles löschen, was anderen nicht in die Hände fallen soll“, hatte er mit roten Wangen erklärt und seine blauen Augen hatte diesen Ausdruck, den sie schnell bekommen, wenn ihn etwas aufregt oder fasziniert. Er hatte damals auch diesen Blick, als Katja einzog. Daher wusste ich da schon, dass sie unser Untergang sein wird.
Meine Mutter hatte dieses Handy also nicht nur gesichert, sondern es gab auch jemanden, der alle Daten darauf gelöscht hatte, nachdem sie tot war. Natürlich gab ich Manuel auch Mamas anderes Handy.
Er konnte nichts darauf finden, dass Mamas Aufstieg zum Super-Technik-Hirn anzeigte. Es war ganz normal und ohne Schnick-Schnack und zu ganz normalem Gebrauch bestimmt, ohne irgendwelche Sicherheitsprogramme.
Nun warten wir darauf, dass Cecilias Laptop einen Blick in seine Daten preisgibt. Der hat hoffentlich noch einige Antworten für mich parat. Aber Manuel erklärte mir schon, dass ich Pech haben könnte und dort auch das Programm seinen Platz gefunden hat, das alles vor uns sichert oder sogar alles gelöscht ist. Das wäre natürlich fatal. Dann wären meine Nachforschungen am Ende. Zumindest die Nachforschungen, in die Manuel involviert ist.
Es gibt aber noch etwas, dass sich vehement dagegen wehrt, mir seinen Inhalt zu präsentieren und von dem ich mir einiges erhoffe. Es ist dieser versteckte Tresor in einem der beiden Schränke in meinem Zimmer. Niemand weiß, dass es ihn gibt. Ich entdeckte ihn, als ich hierherzog. Ich wollte dort meine drei Kisten mit den Sachen meiner Mutter aus unserer alten Wohnung verstauen. Um Platz zu schaffen, sollte die im Schrank befindliche Kiste entsorgt werden, die mit „Altkleider“ deklariert war. Ich hatte ihn bei meinem ersten Besuch in dieser Wohnung geöffnet und wirklich unansehnliche Pullover, alte Socken und so einen Kram darin gefunden. Klar, dass da keiner drin wühlen wollte. Nicht mal ich. Aber als ich ihn aus dem Schrank heben wollte, ging das nicht. Darum dachte ich mir, dass er etwas sehr, sehr schweres beinhalten muss und zog die unansehnliche Wäsche heraus. Und zu meinem Erstaunen fand ich den Grund, warum sich die Kiste nicht mal verschieben ließ. Sie war um einen Tresor gestellt worden und die Wäsche hatte meine Mutter nur oben auf platziert, um Neugierige von einem Blick hinein abzuhalten.
Bisher konnte ich diesen Tresor aber noch nicht öffnen.
Das mit der Kombination und den Passwörtern gestaltete sich wirklich schwierig, weil Mama nicht die genommen hat, die ich erwartete. Kein Geburtsdatum, keine denkenswerte Kombination passte und auch nicht Mamas heißgeliebtes und einziges Passwort, dass sie mir mein Leben lang präsentiert hatte, als wäre sie unfähig, sich mehr als ein Wort zu merken. So gab es dieses eine: Vogelmiere.
Natürlich hatte meine Mutter über die Vogelmiere auch einiges zu berichten. „Das ist ein wirklich zartes Gewächs mit winzigen, weißen Blüten, dass völlig unscheinbar wirkt. Aber es ist unglaublich widerstandsfähig. Es trotzt Wind und Wetter, Kälte und Schnee … einfach allem. Und es vermehrt sich unglaublich. Es ist einfach nicht totzukriegen.“ Das waren ihre Worte.
Mama liebte offenbar Kämpfer, obwohl sie mich eher zu einem Weichei machen wollte, mit ihrem: „Sei nett zu allen, respektiere jede Form von Leben und Lebensweise, sei immer hilfsbereit und zuvorkommend und denke immer daran, dass jeder Mensch gleich ist.“ Es fehlte nur noch: Wenn dich jemand schlägt, dann halte auch die andere