Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen

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Auf ihren Spuren - Sabine von der Wellen Cecilia Hyde

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immer brav zur Schule gehe und er keinen Ärger wegen uns bekommt. Somit riefen wir unsere WG ins Leben, der Manuel sich anschloss.

      Die Möbel aus unserer alten Wohnung wurden wieder aus der Versenkung geholt und unser neues Domizil damit eingerichtet. So veränderten sich die Räume im Nu. Nur Mamas Zimmer blieb wie es war.

      Mein Onkel war nicht so erstaunt wie ich, dass Cecilia die Wohnung genutzt hatte. Ich weiß nicht, ob er mehr über das weiß, was meine Mutter dort getrieben hat. Er war immer sehr kurz angebunden, wenn ich versuchte, mehr aus ihm herauszuquetschen. Er sprach auch erst wirklich von ihr, als wir uns in unserem Urlaub etwas mehr annäherten.

      Um uns von dem Tod meiner Mutter zu erholen, buchte mein Onkel in den Sommerferien für uns alle eine Finka auf Mallorca. Vier Wochen verbrachten wir dort und das hat uns als Familie ein wenig mehr zusammengeschweißt. Ich hatte nie viel mit Onkel Andreas zu tun gehabt. Nur mit meinen Cousins und meiner Cousine und meiner Tante, die aber vor einigen Jahren mit einem von Onkel Andreas Bauarbeitern durchbrannte. Das war im selben Jahr, als auch Oma und Opa starben. Ich glaube, da hatte meine Mutter mir das mit dem - selbstverantwortlich für sein Schicksal sein – erzählt und dass man diese alten Resonanzen aus anderen Leben aufarbeiten muss.

      Die Geschichten, die mein Onkel mir von sich und Cecilia erzählte, gaben mir ein Bild einer glücklichen Kindheit. Zumindest solange, wie mein Onkel noch zuhause lebte. Meine Mutter war zwölf, als er auszog und in die Lehre ging. Deshalb hatte er auch nicht viel aus ihrer späteren Jugendzeit zu berichten … oder er wollte es nicht.

      Nach dem Urlaub war das Verhältnis zwischen mir und meinem Onkel allerdings fast schon freundschaftlich und uns hatte die gemeinsame Zeit ein Stück weit Mamas Tod verkraften lassen. Darum ließ er uns das mit der WG in Angriff nehmen.

      Ich hätte sowieso die Schule wechseln müssen und so suchte ich mir ein Gymnasium ganz in der Nähe der Wohnung und wurde dort in die elfte Klasse aufgenommen, weil mir zu viel Stoff wegen Mamas Tod fehlte und mein Zeugnis somit nicht das beste war. Am 3 August hatte ich dort meinen Einstand, muss aber sagen, dass mich alle für etwas eigenbrötlerisch halten. Aber ich habe auch zu viel mit dem zu kämpfen, was ich bisher herausfand.

      Wenn man von dem Menschen, den man glaubte am besten zu kennen, plötzlich lauter verrückte Dinge erfährt, dann ist das schwer zu verkraften.

      Das Prepaid Handy mit dem Sicherheitsprogramm war ja schon seltsam … und dass wir in einer Mietwohnung lebten, obwohl Mama eine Eigentumswohnung hatte. Dazu kommt der Tresor in der Altkleiderkiste, den ich bisher nicht knacken konnte. Mamas Unterwäschegeschmack war auch seltsam und dass sie auf Geschäftsreisen ging, obwohl sie doch angeblich nur das Internetcafe besaß. Gut, das mit den Geschäftsreisen hatten erst in den letzten drei Jahren begonnen. Ich war ja froh, dass ich dann sturmfreie Bude hatte und habe das nie hinterfragt. Wir waren viel zu beschäftigt damit, dann Partys zu feiern. Mein Freund Jonas war wirklich der Held in Partys organisieren. Ich hatte nicht mal ausgesprochen, dass Mama weg sein würde und er hing schon am Telefon und lud Leute ein.

      Aber dann hatten wir einen heftigen Streit, weil er mit Marie in Mamas Zimmer geschlichen war und sie in ihrem Bett gevögelt hatte. Ausgerechnet das einzige Mädchen, dass ich gut fand und ausgerechnet das einzige Zimmer, dass niemand betreten durfte.

      Ich war sowas von sauer, zumal Jonas wusste, dass ich das Mädchen mochte. Er meinte zwar, Marie war diejenige, die ihn in das Zimmer gezogen hatte und vernaschte. Aber das war mir egal. Jonas war für mich gestorben. Und Marie sowieso. Somit gab es keine Partys mehr bei mir, die ich nur zugelassen hatte, weil ich Marie näherkommen wollte. Die fanden woanders statt und meistens ohne mich. Aber das war mir egal. Nach der Pleite mit Marie verbrachte ich meine Zeit lieber mit Internetspielen.

      Und dann war meine Kindheit sowieso mit einem Schlag vorbei. Der Tod meiner Mutter hatte alles aus den Angeln gehoben und nachhaltig meine Grundfesten erschüttert, weil ich erkennen musste, dass ich sie nie wirklich gekannt habe. Nun will ich ihre Geheimnisse ergründen. Alle.

      Gut, sie hatte mich in dem Brief inständig gebeten, genau das nicht zu tun. Aber sorry, wer kann so etwas einhalten? Also ich nicht!

      Ich hatte am ersten Tag, als ich meine neue Wohnung begutachtete und Mamas geheimes Domizil fand, all ihre Wäsche zusammengelegt und in dem Schrank verstaut, in dem auch noch einige andere Kleidungsstücke zu finden waren, die mich Mama mit anderen Augen sehen ließen. Während es Zuhause nur nette Sommerkleider, schicke Röcke und Blusen, bequeme Pullover und Jeans gab, fand ich hier im Schrank hautenge, schwarze, rote, oder blaue Kleider und Hosen, zum Teil aus diesem Plastik oder Gummi oder was das auch immer sein mag. Ihre Unterwäsche und seltsamen Korsetts waren echt nuttenmäßig. Extrem nuttenmäßig. Erschreckend nuttenmäßig. Und ihre Mäntel und Röcke waren aus Leder oder Lederimitat. Dazu hatte sie fünf Paar Stiefel im Schrank, die alle einen so hohen Schaft hatten, dass man sich darin hätte verstecken können. Dazu die hochhakigen Schuhe. Lauter Knochenbrecher.

      Natürlich ahnte ich, dass ich eine Seite meiner Mutter aufgedeckt hatte, die mich entsetzte und verstörte. Ich fragte mich ernsthaft: War meine Mutter eine Prostituierte oder ein Spion?

      Mir gefiel die Sache mit dem Spion natürlich besser. Dazu passten auch das Handy und die seltsamen Zeichnungen, die ich alle vom Fußboden aufgelesen hatte und von den Wänden klaubte und auch in besagtem Mama-Schrank deponierte. Mit ihnen kann ich bis heute nichts anfangen. Gar nichts. Denn sie zeigen seltsam kranke Dinge.

      Natürlich bekamen auch alle anderen Sachen mit Erinnerungswert einen Platz dort. Er wurde zu meinem Riesentresor mit Erinnerungen, den ich immer abgeschlossen halte, um ihn vor unliebsamen Blicken zu schützen. Genauso, wie meine Mutter den Inhalt des kleinen Tresors in diesem Schrank immer noch vor meinen Blicken schützen kann. Ich finde einfach nicht die Kombination heraus. Es ist zum Verzweifeln.

      Ich versuchte auch ihre Geschäftsreisen zu rekonstruieren, die wenigstens ein wenig in meine Spion-Wunschvorstellung passen. Aber ich musste feststellen, dass mich Mamas Ausflüge so wenig interessiert hatten, dass ich kaum etwas Verwertbares auf die Reihe bekam.

      Sie sagte: „Schatz, ich bin für drei Tage da und da“, und ich sagte nur: „Super!“, ohne wirklich zu registrieren, was sie sagte. Fertig. Ich merkte meistens erst richtig, dass sie länger ausblieb, wenn der Kühlschrank sich langsam leerte und ich nicht mehr fand, worauf ich Appetit hatte.

      So weiß ich nur, dass sie schon einmal in Frankfurt war und einmal länger in Berlin. Daran erinnere ich mich, weil ich auch immer mal nach Berlin wollte und der Kühlschrank wirklich leer war, bevor Mama wieder da war.

      Ich reiße mich von dem Anblick der untergehenden Sonne los, gehe zu meinem Schreibtisch und werfe mich auf den Drehsessel.

      Ich hätte sie fragen sollen, was sie auf diesen Geschäftsreisen tat. Ich hätte sie auch fragen sollen, wie ihr Leben so ist und ob es ihr gut geht. Mir wird klar, dass ich nicht annähernd der Mann im Haus war, den ich in mir zu sehen glaubte. Ich war nur ein dummer Junge, der nicht mal schnallte, was seine Mutter so trieb.

      Mit dem Gedanken schieben sich wieder die Geschichten aus dem Heft in meinen Kopf. Das passiert mir immer, wenn sich mir aufdrängt, dass meine Mutter diese Geheimnisse hatte. Diese seltsamen, kranken Geheimnisse.

      Irgendwie wiederstrebt es mir, Mama die Geschichten überhaupt anzulasten.

      Vielleicht gab es noch jemanden in ihrem Leben als mich. So ein echt widerliches, krankes Arschloch. Vielleicht hatte sie deshalb die Doku über Psychopaten.

      Dass Mama einer sein könnte, das kann ich nicht glauben. Obwohl sie schon manchmal komisch war. Vor allem in den letzten zwei Jahren.

      Ich

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