Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen
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Ich flitze zu ihm und schiebe mich neben ihn, während er grinsend den Desktop präsentiert.
„Sind wir drin?“, frage ich aufgedreht.
„Ja! Und das Passwort ist Agamemnon.“
„Agamemnon?“, frage ich fassungslos und nehme mir ein Blatt und schreibe das auf.
„Das ist irgend so ein Griechischer Herrscher aus dem Jahre schlag mich tot. Keine Ahnung. Aber halt irgend sowas. Voll abgefahren. Da kommt doch keine Sau drauf.“
Nein, wirklich nicht.
„Und sie hat noch Windows 7“, stellt er fest. Er drückt auf den Tasten herum und atmet scharf ein. „Verdammt, nicht zu fassen.“
„Was?“, frage ich beunruhigt.
Er hat die Programme geöffnet und murrt. „Scheiße ist. Da ist auf alle Fälle auch so ein Programm drauf, dass die Sicherheit auf dem PC gewährleistet. Wer auch immer das Handy säuberte, wird es wahrscheinlich auch mit dem Laptop gemacht haben.“
Ich zische aufgebracht. „Ist da nichts drauf?“
„Schau doch!“ Er klickt im Schnellverfahren in alle Ordner und alle geben nur ein leidvolles Leer sein an.
„Das gibt es doch gar nicht!“, zische ich und frage mich, wo Mamas Bilder hin sind, ihre gespeicherten Dokumente und Downloads, von denen ich weiß, dass sie da sein müssen, weil ich sie mit ihr zusammen auf ihren Laptop speicherte. Ich erinnere mich an Urlaubsfotos von ihrem und meinem Handy und ein paar Alben von ihren Lieblingsbands, die ich ihr heruntergeladen hatte.
„Wenn sie alles als privat markierte oder verschlüsselte, dann sind sie gelöscht oder unsichtbar. Sorry Joel. Aber ich kann nichts mehr tun.“ Manuel scheint wirklich geknickt zu sein. Nachdem wir wochenlang wegen dem Passwort kämpften, scheint uns der Ausgang unserer Laptop-Recherche wirklich niederzudrücken. Doch plötzlich raunt Manuel: „Hey, schau mal. Deine Mutter hat den Tor Browser. Soso!“
Ich starre ihn an. „Den Tor Browser?“
„Damit kannst du ohne Rückverfolgbarkeit der IP Adresse ins Internet gehen. Viele nutzen das vorwiegend für das Darknet. Das ist Internet, wo du alles bekommst und alles angeboten wird, was nicht legal ist. Und der Tor Browser ermöglicht, dass man anonym bleibt.“
Ich hatte schon davon gehört, mich aber niemals damit auseinandergesetzt, weil ich nicht im Internet einkaufe, sondern nur Spiele spiele. Legale Spiele.
„Und auf dem Laptop ist dieser Browser?“
Manuel zeigt mir den Button und grinst: „Also war deine Mutter bestimmt im Darknet unterwegs.“
Weil er wohl sieht, wie mich diese Aussage fast zum Heulen bringt, lenkt er ein: „Oder sie hat ihn nur benutzt, um bei Zalando zu shoppen und weil sie nicht will, dass sie der Staatsüberwachung oder Verkaufsmacht zum Opfer fällt. Die sind wie die Geier und nehmen deine Daten, um dich gezielt mit Werbung zu bombardieren, was echt ätzend ist.“
Ich weiß, er will mich trösten und weiß nicht, wie wichtig mir Trost ist, nach dem, was ich mittlerweile alles von Mama weiß, und nach dieser erschreckenden Geschichte, die mir Bilder von ihr in einem Hoteldress in den Kopf geschoben hatte.
Er weiß das alles nicht und das ist gut so. Was würde er sonst von ihr denken?
„Hey, Alter. Mach dir keinen Kopf“, will er mich beruhigen.
Ich wanke zum Sofa und lasse mich darauf fallen. Ich will alles von Mama erfahren, wissen, was sie trieb und was diese Geschichten auf sich haben. Aber jedes Mal ziehen mich neue seltsame Aufdeckungen runter, weil ich eigentlich wohl hoffe, dass ich einfach nur eine gute Erklärung für alles finde, die mir den Glauben an meine Mutter, wie ich sie kannte, wiedergibt. Stattdessen finden wir Sicherheitsprogramme, die Daten unsichtbar machen oder löschen, wenn Gefahr droht und Browser, die Identitäten im Internet verschleiern.
Mit jedem dieser Entdeckungen habe ich das Gefühl, meine Mutter noch weniger gekannt zu haben. In was war sie verstrickt und was tat sie, wenn sie nicht die brave Hausfrau und Mutter mimte?
Ich habe keine Ahnung von all dem Dunklen im Leben. Ich hatte noch nicht mal Sex!
„Kannst du rausfinden, was Mama da im Tor Browser gemacht hat?“
Manuel sieht mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. „Joel, deine Mutter war über den Tor-Browser ins Net gegangen, damit keiner herausfinden kann, was sie da so trieb.“
Ich schüttele resigniert den Kopf. „Okay. Also wars das?“
Manuel nickt bedächtig. „Ich denke schon. Ende mit dem Sherlock Holms Spiel.“
Ich überlege. Ich will nicht, dass er aufgibt. Er ist meine einzige Hilfe.
„Ich hole uns ein Bier“, raune ich, weil ich mir noch nicht sicher bin, ob ich wirklich tun will, was mir vorschwebt.
Als ich mit den zwei Bierflaschen in mein Zimmer zurückkomme, sieht Manuel mich mitleidig an. „Ich verstehe ja, dass du mehr von deiner Mutter wissen willst. Aber sie hat wahrscheinlich ihr Handy und ihren Laptop nur mit diesem Sicherheitsprogramm gesichert, falls es mal geklaut wird. Mittlerweile haben viele Menschen eine regelrechte Paranoia entwickelt und wollen ihre Daten schützen. Und darum der Tor Browser. Mach dir da mal keinen Kopf.“
Ich glaube, seine Worte geben den Stein des Anstoßes. Ich winke ihn zum Sofa, drücke ihm eine Flasche in die Hand, als er Platz nimmt und bitte leise: „Manuel, wenn ich dir etwas anvertraue, behältst du das dann für dich? Es darf niemand erfahren. Vor allem Timo und Katja nicht.“
Manuel sieht mich verunsichert an. Ich weiß nicht, ob ihn verwirrt, dass ich ihm klar den Vorzug gebe oder dass es doch noch etwas Geheimnisvolles gibt. „Sicher. Ich werde schweigen wie ein Grab.“
Ich atme tief ein und erzähle Manuel, dass Mamas Zimmer schon in unserer alten Wohnung immer Tabu war und was ich nach ihrem Tod dort fand. Er kannte weder mich noch meine Mutter zu der Zeit. Wir lernten uns ja erst nach ihrem Tod kennen. Dann erzähle ich ihm, warum ich dieses Zimmer wollte und warum wir überhaupt diese Wohnung bewohnen können.
„Das ist deine?“, ruft er völlig perplex. „Ich dachte, sie gehört deinem Onkel.“
Ich schüttele den Kopf. „Meine Mutter hat sie gekauft und sie mir dann vererbt. Ich wusste nicht, dass sie die überhaupt hat.“ Ich trinke einen Schluck und erkläre leise. „Sie war wohl einige Male hier.“
Manuel sieht mich nur groß an und ich erzähle ihm, was ich vorfand, als ich das erste Mal hier drinnen war und dass sie hier ganz anders gewesen sein muss, als zuhause. „Ich schwöre dir, sie hat bei uns nie etwas herumliegen lassen. Aber hier lag alles kreuz und quer. Und sie hat niemandem gesagt, dass sie diese Wohnung hat. Sie war immer extrem kniepig und dennoch wohnten wir weiter in der Mietwohnung, obwohl es diese Wohnung gab.“
Ich sehe Manuel an, dass er langsam anders über meine Mutter denkt. Vor allem die nuttigen Dessous lassen ihn unruhig auf dem Sofa herumrutschen. Dabei zieht er die Kappe von seinem Kopf und streicht sich die viel zu langen Haare zurück.
Mit einem seltsamen Drücken im Magen berichte ich ihm letztendlich sogar