Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen

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Auf ihren Spuren - Sabine von der Wellen Cecilia Hyde

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in Nachsicht und Verständnis für alles und jeden. Es kam mir dann immer so vor, als mochte sie Außenseiter besonders. Penner, Junkies, Homos, Psychopaten … alles ganz tolle Menschen, bei denen nur etwas im Leben anders gelaufen war.

      Sie liebte auch Ordnung. Aber als ich damals das erste Mal in diese Wohnung kam, fand ich hier keine Spur von der ordnungsliebenden Cecilia. Ich denke, wenn mein Onkel Andreas gewusst hätte, dass Mama diese Wohnung nutzte und was darin zu finden war, dann hätte er sie vorher inspiziert und ausgeräumt. So stieß ich auf diese andere Cecilia.

      Ich hatte die Schlüssel schon seit der Testamentsvollstreckung im Besitz, war aber noch so entsetzt, dass Mama tot war, dass ich gar nicht in der Lage war, mich dem Leben wirklich wieder zu stellen. Damals war es auch eher Timo, der darauf brannte zu erfahren, wie es um diese von mir geerbte Wohnung bestellt war. Er malte sich aus, dort einziehen zu können, wenn er sein Studium beginnt. Natürlich ahnten wir beide nicht, dass es eine superteure Penthousewohnung ist. Das wusste nur Onkel Andreas, weil er meiner Mutter wohl damals gesteckt hatte, dass sie noch zu kaufen ist.

      Timo lag mir lange in den Ohren mit seiner WG Idee. So raffte ich mich eines Tages auf und fuhr mit dem Bus in die nahegelegene Stadt, um sie mir anzusehen.

      Natürlich wollte Timo mit. Aber ich wollte erst alleine hinfahren und mich dem Stellen, was mir dort begegnen würde. Ich rechnete nicht mit viel. Doch was ich fand, haute mich um.

      Das sechsstöckige Haus mit den Geschäften im Erdgeschoß war erst vor einigen Jahren erbaut worden. Onkel Andreas Baufirma hatte wohl einen nicht geringen Anteil an dessen Entstehung. Die nächsten vier Stockwerke waren Büroanlagen verschiedenster Firmen und oben gab es dann die Wohnungen. Ich weiß nicht warum, aber diese stand wohl lange leer, bis meine Mutter sie kaufte. Ich weiß nicht mal, ob sie die Küche ausgesucht hatte oder ob die schon drinnen war. Zumindest gebraucht worden war sie nie. Es gab auch kein Geschirr oder Töpfe.

      Der Eingangsbereich hatte mich schon schlucken lassen. Der Flur war groß und mit schwarzweiß gekachelten Fliesen belegt, sowie einer schwarzen Flurgarderobe. Die gleichen Fliesen waren auch in der Küche und im Badezimmer zu finden. Alle anderen Räume sind mit Holzfußboden. Das Wohnzimmer ist riesig und bietet einen Balkon und einen unglaublichen Blick über die Stadt und hat einen offenen Bereich in die Küche. Mich hatten diese drei Räume schon sprachlos gemacht und ich konnte nicht fassen, dass uns das schon lange gehörte und wir doch niemals hergezogen waren.

      Ich war langsam durch das Wohnzimmer geschlichen und hatte in alle Räume geschaut, deren Türen offenstanden. Aus irgendeinem Grund umging ich die einzige Tür, die geschlossen war. Doch als ich alles inspiziert hatte und mich sogar der Ausblick von dem großen, überdachten Balkon schwindelig gemacht hatte, steuerte ich diese Tür an. Ich erwartete nichts. Gar nichts. Aber was ich fand, zog mir die Beine unter dem Arsch weg.

      Der Raum war dunkel, weil alle Schalosien heruntergelassen waren. Als ich das Licht anknipste, offenbarte sich mir ein voll eingerichteter großer Raum mit einem überdimensionalen Schreibtisch, einem dicken Leder-Chef-Drehsessel, zwei großen, massiven Schränken, die fast eine ganze Wand einnahmen, und einem Sofa mit einem kleinen Glastisch gegenüber der Schränke. Erst als ich den Raum betrat, sah ich die Nische mit dem Bett, das durchwühlt war, als hätte darin noch vor Kurzem jemand geschlafen. Und über allem lag Mamas Parfüm, dass sie immer großzügig aufgetragen hatte, wenn sie zur Arbeit oder sonst wohin ging. Es schwebte beständig durch unsere alte Wohnung wie eine undurchdringbare Dunstwolke. Dass meine Klamotten diesen Geruch annehmen könnten, beunruhigte mich mit zunehmendem Alter. Deshalb trat ich dem süßlichen Gestank mit einer maskulinen Duftnote und Zigarettenqualm entgegen. Als Cecilia sich darüber aufregte, dass ich in meinem Zimmer rauche, konterte ich, dass sie erstens auch raucht und ich zweitens somit diesen süßen Duft entgegensteuere, der penetrant alles verseuchte.

      Wir stritten uns um so viele Kleinigkeiten und um so viel Unnützes. Dabei gab es so viel, um was wir uns wirklich hätten streiten können. Zum Bespiel ihrem Lebenswandel, den sie so akribisch vor mir verbarg und dem Umstand, dass sie eine Penthousewohnung besaß. Mal ganz zu schweigen von den vielen Lügen, die sie mir immer aufgetischt hatte.

      Und genau auf die traf ich in diesem Zimmer.

      Auf dem Fußboden fand ich Wäsche und einige vollgezeichnete Blätter. Genau solche Zettel hingen auch an der Wand über dem Schreibtisch. Sie zeigen Orte oder Szenen mit Strichmännchen an.

      Mama war kein Maler. Überhaupt nicht. Das sah man.

      Ich hob völlig perplex ein Wäschestück auf, auf das ich sonst getreten wäre. Es war ein Pullover meiner Mutter, den ich kannte. Alle anderen Wäschestücke, die ich aufsammelte, kannte ich nicht. Es sah so aus, als hätte sich hier jemand eilig angezogen und dabei alles Mögliche ausprobiert. Von Unterwäsche über zusammengeknuddelten Netzstrümpfe, Strapse, ein schwarzer Rock aus Plastik oder Gummi, ein anderer aus Spitze, Schnürkorsetts in verschiedenen Farben und Ausführungen und eine Maske mit Verzierungen und Federn lagen auf dem Boden verstreut und erinnerte mich an Utensilien, die ich in diversen Pornos gesehen hatte.

      Ich wusste in dem Moment, dass ich der anderen Cecilia noch ein weiteres Stück mehr auf die Schliche gekommen war. Der Cecilia, die auch ein Stück weit in unserer alten Wohnung gelebt hatte. Auch dort war ich ihr nach ihrem Tod schon begegnet.

      Als mein Onkel Andreas, meine Cousins Timo und Martin und eine Umzugsfirma die Wohnung ausräumen wollten, hatte ich mir ein Herz genommen und hatte Mamas Zimmer in Angriff genommen. Bis dahin hatte ich nur viele Stunden in ihrem Bett gelegen und versucht zu erfassen, dass sie nicht mehr zurückkommt. Doch da musste ich mich entscheiden, was ich von ihr behalten wollte. Onkel Andreas hatte mir drei Kisten zugestanden und ich hatte mir die größten der Umzugskartons herausgesucht und mich in Cecilias Zimmer eingeschlossen. Alle Kleider, Röcke, Jeans, Pullover, Blusen, die mir einen bestimmten Erkennungswert an schöne Zeiten gaben, legte ich zusammen und verstaute sie in einer Kiste. Auch ihren heißgeliebten alten Mantel und ihre Stiefel und Puschen. Auch dort gab es Unterwäsche, die mich schwer Schlucken ließ und die bei mir die Frage aufkommen ließ, wann Mama so etwas getragen hat.

      Ich packte auch einige Bücher ein, zwischen denen ich auf ein A5 Heft stieß, wie wir sie in der Schule haben. Das machte mich natürlich neugierig und ich sah hinein. Es gab eine Überschrift mit einer Geschichte, die über vier Seiten ging. Dann folgte eine weitere Überschrift mit erneuten drei Seiten und so weiter. Sie waren in Mamas feinsäuberlicher Schrift geschrieben.

      Ich wusste bis dahin nicht, dass Mama überhaupt Geschichten schrieb. Es gab dazwischen gefaltete Dina 4 Blätter, die von einem PC stammten und ausgedruckt worden waren. Ich dachte, dass das alles ein kleines Sammelsurium netter Kurzgeschichten ist und nahm mir vor, sie irgendwann zu lesen.

      Mittlerweile hoffe ich, sie stammen alle von jemand anderem. Denn die Geschichten darin können einem schlaflose Nächte bereiten. Darum dürfen sie niemanden in die Hände fallen.

      Auch ihren Schmuckkasten, ihr Parfüm und ihre Schminksachen … alles behielt ich. Die CDs mit ihrer Musik und mit unseren Fotos und Videos, ihren kleinen Koffer mit Erinnerungen, die wohl aus ihrer Kindheit stammen und alles, was mich an sie erinnert, packte ich auch ein. Der restliche Hausstand wurde sowieso verpackt, sowie die Möbel. All das lagerte Onkel Andreas in einem Teil seiner Halle ein. Nur meine drei Kisten klebte ich mir ans Bein. Sie gingen, wohin ich ging und waren mit fast einer ganzen Rolle Paketkleber verklebt gewesen, damit niemand sie öffnen konnte.

      Tatsächlich öffnete ich sie erst, als ich in diese Wohnung zog. Dass ich hierherziehen würde, stand für mich in dem Moment fest, als ich diese Wohnung das erste Mal betrat und Mamas zweites Leben vorgefunden hatte.

      Ende Juli war es dann soweit. Da Timo ab September etwas zum Schlafen in der Stadt brauchte, willigte Onkel Andreas ein, dass wir meine Penthousewohnung

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