Die Farbe der guten Geister. A. A. Kilgon

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Die Farbe der guten Geister - A. A. Kilgon

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Ersparnisse investiert. Das konnte man sehen und auch fühlen. Tilda liebte ihr großes Wohnzimmer. Diesen hellen, sonnendurchfluteten, freundlichen Raum mit den vielen Büchern, dem Holzdielen-Fußboden, den weißen Möbeln und dem Sammelsurium aus bunten Blumentöpfen vor der riesigen Fensterfront, die hinaus auf die Dachterrasse führte. Dort sah sie, wie sich die blau-weiß gestreifte Markise im Wind der frühen Dämmerung wiegte. Offenbar hatte Ludwig sie geöffnet, als er nach Hause gekommen war und die Nachmittagssonne mit Kraft gegen die großen Glasscheiben geschienen hatte. Schnell konnte es auf diese Art unerträglich warm im Raum werden. In Gedanken ging Tilda jetzt weiter durch ihre Wohnung. Sie schloss die Augen und ging hinaus aus der Wohnzimmertür, durch den Flur, hinein in die kleine Küche mit den schicken Einbaumöbeln, den vielen Gewürzen, dem Chaos der vielen Kochutensilien und den großen Dachfenstern, dem gemütlichen Essplatz in der Ecke mit den Familienfotos und dem Gummibaum, der mittlerweile schon bis zur Decke reichte. Nachdem sie in Gedanken einmal den Gummibaum umrundet hatte, spazierte sie wieder durch den Flur zurück, huschte an den eingebauten Schränken aus Lärchenholz vorbei und stand wenig später mitten im Schlafzimmer. Sie konnte in Gedanken alles haargenau vor ihrem geistigen Auge sehen. Hier standen die gediegenen, alten Möbel, die sie gemeinsam mit Ludwig in München auf einem Flohmarkt gekauft hatte und die ein Schulfreund von ihr mit viel Sachkenntnis und Liebe zu einem zweiten Leben erweckt hatte. Den großen Schrank mit den vier Türen und den Verzierungen, das Doppelbett mit dem würdevoll geschwungenen Giebel, die Kommode mit den Schmuckelementen aus Perlmutt und die alte Seefahrertruhe, in der sie ihre Wintersachen aufbewahrte. Einen Moment lang sinnierte Tilda darüber, ob es tatsächlich stimmte, dass an alten Möbeln immer noch die Energien der Vorbesitzer hingen und so Unglück ins Haus gebracht werden konnte. Tatsache war allerdings, dass es wohl in ihrem Falle nette und freundliche Leute gewesen sein mussten, denen die Möbel in ihrem ersten Leben gehört hatten. Von Negativität hatte Tilda noch nie etwas gespürt. Und doch: War sie am Ende vielleicht deshalb krank? Die Frage kam ihr in den Sinn, ob es vielleicht böse Flüche gab.

      Nach kurzem, nachdenklichem Innehalten wandten sich ihre Gedanken erneut dem Flur zu und gelangten so ins Badezimmer. Das Badezimmer war der einzige Ort, der Tilda in ihrer Wohnung nicht gefiel. Der Fußboden war mit glänzenden schwarzen und weißen Fliesen ausgestattet, die einem Schachbrett ähnelten. Das wirkte kalt und ungemütlich und schaffte die Atmosphäre einer Bahnhofs-Wartehalle. Der übrige Raum war glänzend weiß gefliest. In Augenhöhe führte eine schwarz-weiße Fliesen-Bordüre mit geometrischen Mustern einmal um den gesamten Raum herum. Das Badezimmer hatte in Tildas Augen den spröden Charme eines Vorstadtkrankenhauses. Es war vermutlich dem entgleisten Geschmack eines jungen Architekten entsprungen, der alles besser, alles schöner, und vor allem alles ganz anders machen wollte. Tilda hatte zwar versucht, die kalte Ausstrahlung des Badezimmers mit ein wenig Dekoration abzumildern, aber bei so viel schwarz und weiß hatte sie nur wenig Erfolg damit gehabt. Es blieb einfach schwarz und weiß und dieser scharfe Kontrast erschlug sie förmlich jedes Mal neu, wenn sie die Tür des Raumes öffnete.

      Tilda hörte ganz entfernt an dem Klappern, das aus der Küche drang, dass Ludwig sich offenbar immer noch mit der Zubereitung ihres Tees beschäftigte. Merkwürdigerweise fühlte sie sich plötzlich besser. Genau genommen fühlte sich mit einem Male viel besser. Sie unterdrückte aber das Verlangen, sofort aufzuspringen und wartete auf den Tee. Sie war beinahe eingeschlafen, als er kurz darauf mit einer großen Tasse zur Tür hereinkam. Tilda pustete über das dampfende Getränk und nahm einen kleinen Schluck davon. Es war Kamillentee. Er schmeckte ein bisschen wie eingeschlafene Füße, aber Ludwig hatte es gut gemeint.

      Etwa zwei Minuten später fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Tilda hatte ihn nicht zurückgehalten. Vielleicht wäre er geblieben, wenn sie ihn darum gebeten hätte. Durch das leicht geöffnete Fenster hörte sie, wie Ludwig unten vor dem Haus den Range Rover startete und davonbrauste. Ein Range Rover war schon lange sein Traum gewesen. Er hatte sich so sehr gefreut, als er ihn sich nach langem Hin und Her schließlich doch vor kurzem gekauft hatte. Tilda war richtig ein wenig eifersüchtig gewesen, obwohl es schon verrückt war, auf ein Auto eifersüchtig zu sein. Am liebsten hätte Ludwig sein Auto vermutlich mit nach oben in die Wohnung genommen und hätte es mitten im Wohnzimmer geparkt. Tilda war allerdings von Beginn an gegen den Range Rover gewesen. Sie war auch jetzt noch der Meinung, dass er keine so große Kiste brauchte. Natürlich war das ein schönes Auto. Aber darum ging es nicht.

      Was sollten Ludwig und sie in Hamburg mit so einem überdimensionierten Schlitten anfangen? Die meiste Zeit über stand der Kasten auf einem Parkplatz vor dem Haus im Freien, denn Ludwig und sie fuhren normalerweise mit Bus und Bahn zur Arbeit. Nur selten nahm Ludwig das Auto. Und wenn sie seine Eltern in München besuchen wollten, dann waren sie bisher immer geflogen. Das war sogar oft noch billiger und ging schneller. Im Grunde war Tilda überzeugt davon, dass man in einer Stadt wie Hamburg eigentlich überhaupt kein Auto brauchte. Selbstverständlich war es zum Einkaufen nützlich. Aber es war den Dingen wie Wasserflaschen, Waschpulver, Kartoffeln, Äpfeln und Brot vollkommen egal, in welchem Auto sie nach Hause gekarrt wurden. Irgendein Kleinwagen, so wie ihr in die Jahre gekommener, roter Nissan, hätte es auch getan.

      Sich wie Ludwig regelrecht in ein Auto zu verlieben, das konnte wahrscheinlich nur ein Mann. Tilda wusste, dass sie sich in dieser Hinsicht mit ihrer Freundin Conny einig war. Männer und ihre Autos, das war immer so eine Sache. Dabei hatte sie vor dem Kauf noch rechtzeitig interveniert. Genau dieses Modell war es, das in letzter Zeit in Deutschland am häufigsten gestohlen wurde. Jede neue Polizeistatistik sagte das aus. Und Ludwigs Wagen stand Tag und Nacht draußen auf der Straße, mitten im Stadtgebiet. Wenn das keine Einladung für Diebe war! Zweifellos tat es der deutschen Wirtschaft gut, wenn es immer wieder Menschen gab wie Ludwig, die die neuesten, teuersten, größten oder schicksten Autos mit allem Schnickschnack haben wollten. Aber musste Ludwig auch zu denen gehören, die ihr Geld auf diese Art und Weise vernichteten? Er, der ansonsten extrem sparsam war, zumindest was die Ausgaben für den gemeinsamen Haushalt anbelangte. Da war er oft regelrecht geizig. Tilda hatte sich schon so manches Mal darüber geärgert. Sie fand Geiz schrecklich unattraktiv. Für sie war das beinahe die schlimmste Eigenschaft, die ein Mensch haben konnte. Das Merkwürdige aber war, dass sich Ludwig im Gegensatz zu seiner sonstigen Sparsamkeit bei Ausgaben für sich selbst wesentlich großzügiger zeigte. Er war im Grunde genommen ein Geizhals, der sich mit einem Range Rover belohnt hatte. Das war schon skurril.

      Langsam erhob sich Tilda. Inzwischen fühlte sie sich besser. Sorgfältig legte sie die schottische Wolldecke zusammen. Mit einem kleinen Schwung warf sie das Bündel auf die Lehne der Couch. Sie fühlte sich wieder gut, eigentlich vollkommen beschwerdefrei. Früher, noch vor Wochen, hatte sie jedes Mal in so einer Situation gehofft, sie hätte ihre Krankheit überwunden. Leider hatte das nie gestimmt. Ihre Anfälle von Schwäche und Übelkeit, zu denen sich zuletzt auch noch Durchfall eingestellt hatte, kamen im Laufe der Zeit in immer kürzeren Abständen. Es war keine Besserung in Sicht.

      Nachdenklich ging sie in die Küche und brachte ihre leere Tasse zurück. Sie stellte sie in den Geschirrspüler. Wider Erwarten hatte sie es tatsächlich geschafft, den Kamillentee auszutrinken. Er hatte ziemlich fade geschmeckt, doch sie hatte ihn zügig und mit voller Verachtung hinuntergeschluckt. Als er nur noch lauwarm war, gelang ihr das besser. Jetzt hinterließ die Kamille einen merkwürdigen, trockenen Nachgeschmack in ihrem Mund.

      Vielleicht war es der Tee, vielleicht war es auch ihr zu Hause, die Geborgenheit in ihren eigenen vier Wänden, die die Besserung herbeigeführt hatten. Tilda wusste es nicht.

      Wie ein Blitz durchzuckte sie plötzlich die Erinnerung an ihr letztes Telefonat mit Ludwigs Mutter. Ludwigs Eltern hatten sie beide neulich erst wieder nach München eingeladen. Ein ungutes Gefühl machte sich in Tilda breit. Sie würde mit Ludwig nach München fliegen müssen. Aber würde sie das in ihrem momentanen Zustand überhaupt schaffen? Von Hamburg nach München dauerte die Reise alles in allem gut dreieinhalb Stunden. Tilda spürte eine innere Abwehr in sich, die sich ausbreitete wie gärende Hefe. Ludwigs Eltern waren eigentlich nett, aber sie waren auch sehr konservativ und festgefahren in ihren Gewohnheiten. Sie legten jedes Wort, das gesagt wurde, auf die Goldwaage. Und sie mussten immer sticheln, weil

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