Soulless Places. Ana Dee

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Soulless Places - Ana Dee

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hochrotem Kopf stand sie neben ihrem Chef. So ein Patzer war ihr bisher noch nie passiert. Es fehlte genau eine Stufe zum Obergeschoss, sie hatte die Maße falsch eingetragen. Dieser Fehler erschien so winzig auf dem riesigen Plot des Einkaufszentrums, und doch hätte er die Firma in Unkosten gestürzt.

      „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stammelte sie schuldbewusst.

      Ihr Chef musterte sie aufmerksam. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass die momentan anfallenden Überstunden meinen Mitarbeitern einiges abverlangen. Es ist unser erstes Projekt in dieser gigantischen Größenordnung, und sollten wir in der Branche Fuß fassen, bekommen Sie auch einen neuen Kollegen an Ihre Seite gestellt. Aber jetzt müssen wir durchhalten und Gas geben.“ Aufmunternd nickte er ihr zu.

      „Geht klar, Herr Rode, ich werde sämtliche Maße noch einmal überprüfen.“

      „Na dann, frohes Schaffen.“

      Geknickt verließ sie das Büro.

      „Und?“, fragte Sandra, „Kopf noch dran?“

      Sophie winkte ab. „Master of Desaster, ich habe die Treppenhöhe falsch berechnet. Zum Glück ist es dem Cheffe noch rechtzeitig aufgefallen. Das hätte wieder ein Theater gegeben, oh Mann.“ Mit einem Ächzen ließ sie sich auf ihren Bürostuhl fallen.

      „Was ist eigentlich los mit dir?“ Sandra hatte eine sorgenvolle Miene aufgesetzt. „Ich dachte, du bist frisch verliebt? Da läuft man doch bekanntlich zur Höchstform auf.“ Ein wissendes Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Kollegin.

      „Genau das ist ja mein Problem. Ich habe manchmal das Gefühl, völlig neben mir zu stehen. Körperliches Unwohlsein, haarsträubende Albträume … es ist zum Verrücktwerden.“

      „Warum gehst du nicht zum Arzt? Der kann dir sicher weiterhelfen. Auf keinen Fall solltest du das auf die leichte Schulter nehmen, lass das sicherheitshalber abklären.“

      „Werde ich machen“, versprach Sophie mit wenig Begeisterung in ihrer Stimme.

      „Kopf hoch, Sophie“, tröstete Sandra. „Ich braue uns erst einmal einen starken Kaffee, dann sehen wir weiter.“

      Mit starken Kopfschmerzen steuerte Sophie den Wagen heimwärts. Es hatte sie etliche Überstunden gekostet, die Baupläne bis ins kleinste Detail zu überprüfen. Ihre Augen tränten und sie fühlte sich ausgelaugt. Ein Wannenbad nach dem Abendessen wäre genau das Richtige, um zu entspannen. Sie schleppte sich die Treppe nach oben, schloss die Eingangstür auf und schlüpfte in ihr kleines Reich.

      Verwundert blieb sie im Flur stehen und schaltete das Licht an. Wieso waren die Jalousien heruntergelassen? Ja, sie hatte verschlafen, aber sie konnte sich noch daran erinnern, wie die Staubflocken im einfallenden Sonnenlicht über das Parkett getanzt waren. Konnte sie ihren eigenen Wahrnehmungen nicht mehr trauen? Für einen Arztbesuch war es mittlerweile zu spät, den würde sie auf morgen verschieben müssen.

      Obwohl sie einen Bärenhunger verspürte, war ihr nicht nach Kochen zumute. In weiser Voraussicht brühte sie sich einen magenschonenden Tee und schmierte zwei Butterbrote. Dann ließ sie Wasser in die Wanne laufen und versank bis zur Nasenspitze im Schaum. Sie versuchte, sich zu entspannen, doch die Gedanken kreisten hinter ihrer Stirn. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie sich ins Schlafzimmer zurück. Der Liebesroman lag seit Tagen achtlos auf dem Nachtschränkchen, zum Lesen fehlten ihr Zeit und Muße. Silbern schimmerte das Mondlicht durch die Vorhänge und ehe sie sich’s versah, war sie eingeschlafen.

      Ein leises Geräusch holte Sophie aus ihren Träumen. Im Wohnzimmer knarrte das Parkett und sie vernahm leise Schritte. Benommen richtete sie sich auf. Hatte sich eine fremde Person Zutritt verschafft? Sie hasste geschlossene Türen, hoffentlich wurde ihr das jetzt nicht zum Verhängnis.

      „Hallo? Ist da wer?“

      Das Sprechen fiel ihr außergewöhnlich schwer, der Puls raste und kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Die Schritte näherten sich dem Schlafzimmer. Sie raffte die Bettdecke schützend vor den Oberkörper und hielt den Atem an. Panik machte sich breit.

      Ein Schatten baute sich vor ihr auf und lehnte sich lässig an den Türrahmen.

      „Nick? Was machst du denn hier?“, nuschelte sie. Ihre Zunge fühlte sich wie ein unförmiger Klumpen an und klebte am Gaumen.

      Er hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und musterte sie belustigt.

      „Wie bist du überhaupt in die Wohnung gekommen?“

      Sie konnte nicht mehr klar denken. Auf keinen Fall hätte sie Nick einen Schlüssel anvertraut, da war sie sehr eigen. Ein zweiter Schatten gesellte sich dazu. Maike! Nicks Ex legte ihre Hände lasziv auf seine Schultern und küsste ihn leidenschaftlich. Sophie konnte nicht begreifen, was da vor sich ging. Wieso erwiderte Nick diesen Kuss mit einer Intensität, die sie nie bei ihm vermutet hätte?

      „Warum tust du mir das an?“, stammelte sie bestürzt.

      Er hob seinen Kopf. „Weil du wahnsinnig bist, mein Schatz.“

      „Ich bin nicht verrückt“, widersprach sie heftig. Mit zwei Fingern kniff sie sich in den Oberschenkel. Sie spürte den Schmerz, das konnte kein Traum sein. „Verlasst auf der Stelle meine Wohnung“, rief sie fassungslos. „Raus, sofort!“

      Sie versuchte, ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen, doch die Stimme wollte ihr einfach nicht gehorchen. Sie sprang entschlossen auf, um die beiden hochkant aus ihrer Wohnung zu werfen. Dabei verhedderten sich ihre Beine in der Bettdecke und sie stürzte auf das Parkett. Schlagartig wurde es dunkel.

      „So, dann erzählen Sie einmal, unter welchen Beschwerden Sie in letzter Zeit leiden.“ Der Arzt musterte sie aufmerksam über den Rand seiner Brille hinweg.

      Stockend berichtete Sophie von ihren beängstigenden Erlebnissen, bei denen sie anscheinend unter Wahnvorstellungen litt. Am Morgen war sie neben dem Bett aufgewacht und hatte einige Minuten gebraucht, um sich zu orientieren. Sie konnte nicht begreifen, was sich in dieser Nacht abgespielt hatte. Der Hausschlüssel steckte von innen im Schloss, Nick konnte also unmöglich auf herkömmlichen Weg in die Wohnung gelangt sein.

      Inzwischen musste sie sich eingestehen, dass ihr Problem größer war, als sie angenommen hatte. Besorgt hatte sie einen Termin beim Hausarzt vereinbart und hockte nun in der Praxis, um ihr Innerstes nach außen zu kehren.

      Der Arzt räusperte sich. „Ich werde ihnen ein pflanzliches Präparat verschreiben und Sie sollten sich in nächster Zeit unbedingt schonen. Ihre Werte sind in bester Ordnung, wahrscheinlich macht Ihnen der berufliche Stress zu schaffen. Für die nächsten fünf Werktage sind Sie krankgeschrieben.“

      „Aber das geht nicht“, widersprach sie. „Wir arbeiten an einem wichtigen Projekt und der Termindruck lässt uns keine Wahl.“

      „Wenn Sie sich keine Auszeit nehmen, Frau Thiel, wird sich an der jetzigen Situation nichts ändern. Sie kennen mich inzwischen schon eine Weile und ich bin bekannt dafür, Krankschreibungen äußerst sparsam auszustellen.“

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