'I'-Gene. C.-A. Rebaf
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Auch ihre Ohren waren klein und meist von Haar bedeckt. Ihren Augen konnte kein Mann widerstehen. Weder Felix noch Walt. Selbst ich war oft in Gefahr von ihnen verführt zu werden. Manchmal waren ihre Augen 'comme la biche', wie es ein Chorlied von Debussy am besten beschreibt. Die deutsche Übersetzung: 'wie eine Hirschkuh' klingt blöd! Nur das Französische gibt die geheimnisvolle Stimmung im Wald wieder, voll Angst und Umsicht, die Bäume widerspiegelnd. Wenn sie ganz glücklich war, schlossen sich ihre Augen, um alles für sich zu behalten. Ihre Augen hätten sie sonst zu sehr verraten.
Ihre Nase war eigenartig: Ihr Nasenrücken war kantig und bildete in der Mitte eine kleine fast waagrechte Plattform, verengte sich, um dann am Ende wieder auseinander zu gehen. Ihr Mund war von der Seite wie ein rotes Löwenmäulchen mit elfenbeinernen Staubblättern. Sie liebte sie sehr, seine innigen Küsse auf ihren Hals und ihren hervorstehenden Schlüsselbeinen. Ihr Rücken war stets dankbar für alle Arten von streichelnden Liebkosungen.
Ihre Haut war ein süßes Geheimnis. Wenn er sie berührte, verfiel er in einen romantischen Traum: In einem lichten Waldhain, in den die Sonnenstrahlen mild durch die Blätter rieseln und so alles in zartes Grün hüllen, lockten ihn tausend kleine nackte Nixen mit holden Stimmen zu einem ganz bestimmten Ort, auf den sie mit ihren zierlichen Händen deuten. Ihre kleinen, weißen Brüste erschienen unter dem Blattwerkfilter wie von einem verführerischen grünen Schleier umwoben. Mit zarten Stimmen riefen sie: "Komm, süßer Knabe, komm, folge uns. Wir führen dich zum Glück!" Parsifal... Ein prickelndes Gefühl von Abenteuer, Begierde, Leidenschaft und Lust überfiel ihn dann und ließ ihn folgen. Der Wald wurde dichter, es ging bergan. Plötzlich eröffnete eine mächtige Buche, die durch ein Unwetter besiegt, zerbrochen am Boden lag, ein gleißendes Lichtloch, durch das das grelle Tageslicht in den dämmrigen Waldschatten fiel. Er blickte hindurch und entdeckte eine zauberhafte Landschaft mit tropischen, üppig wuchernden Pflanzen und Blüten. Daraus erhoben sich zwei kleine, kreideweiße Hügel, die grell in der Sonne standen und von Nymphen umtanzt wurden. Auf ihrem Gipfel blühen fleischfarbene Rosen. Felix, wie ich sehr viel später erfuhr, war von diesem Bild so angetan, dass er die Nixen um sich völlig vergaß und gar nicht merkte, wie sie ihn am Ärmel zupften. Er mochte sich am liebsten bücken, um eine Rose zu pflücken. Er konnte sich gar nicht von dem Anblick trennen. Er ging dann immer tiefer in den Wald hinein. Zauberblumen standen am Wege und erglühen in den prächtigsten Farben. Üppig laden sich ihre Blütenblätter aus. Die Nixen bahnen seinen Weg durch all diese Ranken. Plötzlich war er vor einem geheimnisvollen Höhleneingang. Die Begleiterinnen bogen den rankenden Efeu von der Öffnung und ließen ihn eintreten. Am Ende der dunklen Höhle sah er ein Licht. Er hielt darauf zu und erkannte einen lieblichen Quell. Er trank von dem Wasser und fühlte sich erleichtert, berauscht, glücklich, abgeklärt und unsagbar müde. Felix erwachte und sah nur, dass er seine Hand auf ihre Haut gelegt hatte. Ihre Haut, die ein Geheimnis war. Das Geheimnis des rotblonden Quell.
Andromeda war fasziniert und konnte nicht aufhören zu lesen. „Was waren das für Namen?“ fragte sie sich in Gedanken. Irgendwie fühlte sie sich stark angesprochen. War nicht sie selbst diese Geraldine? Wie konnte das sein?
Leipzig, 2053 n.Chr.: Das ‚Hucanoidea-Genom'
Es fiel sogar schon Thor auf, dass sich Andromeda völlig zurückgezogen hatte. Er dachte natürlich, dass es mit der Auseinandersetzung in der Küche mit Carol bei der Hausparty zusammenhing.
Sie versuchte, ihre Arbeitstage so kurz wie möglich zu gestalten, um dann am Abend in ihre Daten eintauchen zu dürfen. Dort fand sie folgendes:
Selbständige politische Einheit Berlin-West:
Sex und Bruckner am Leopoldplatz
Gaby, meine blonde Vermieterin aus dem West-Berliner Wedding, gehörte zu den Frauen, die erst mit einem Mann schlafen und ihn danach küssen. Sie war knabenhaft klein, hatte aber alles andere als Chinesinnen-Brüstlein und ihre Brustwarzen zeigten immer zur Sonne. Wie ich es schon geahnt hatte, war Gaby eine Expertin in Sachen Sex. Mit der richtigen Anzahl an Lebensjahren hatte sie schon einige Mieterwechsel für die Studentenbude hinter sich, die sie zu vermieten pflegte. Wusste sie von ihren literarischen Vorbildern, etwa der Demoiselle Vischer aus Stuttgart, die einst an einen gewissen Schiller vermietete und ihm neben einer Bude noch etwas darüber hinaus gab?
Hatte ich doch Gabys 'magic numbers' nie von ihr erfahren, nämlich ihr Alter und die Anzahl von Untermieter vor mir.
Ich hörte sie sehr kompetent reden über juristische Staatsexamina, versicherungsmathematische Statistik-Übungen, literarische Seminararbeiten, medizinische Multiple-Choice-Fragen über Nerven, Knochen, Muskeln und schloss daraus, dass zumindest ein Jurist, ein Mathematiker, ein Germanist und ein Mediziner zuvor in meinem Zimmer gewohnt haben musste.
Sie, die selbst als Laborantin in einer kleinen Weltfirma in Tempelhof arbeitete, hatte ein phänomenales Gedächtnis für den Wissensstoff ihrer Untermieter. Sehr gerne redete sie auch über Bruckner, ja reden ist kein Ausdruck, sie dozierte geradezu. Zählte etwa auch ein hoch semestriger Musikwissenschaftler zu ihren Verflossenen? Ich konnte es nur aus verschiedenen Andeutungen ableiten, war mir aber nach einiger Zeit sicher, dass dessen Thema ganz im Stile der Zeit der Post-68er „Das bivalente Verhältnis von Sex und Bruckner unter spezieller Berücksichtigung seiner eruptiven Musik und unglücklichen Frauenbekanntschaften“ gelautet haben muss oder zumindest so ähnlich. Hatte der Student doch erreicht, dass die Musik Bruckners Einzug in Gabys Schlafzimmer hielt, wo sie, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, eine veritable HIFI-Stereoanlage, mit mächtigen Lautsprechern, stehen hatte. Immer wenn die Sterne im zweiten langsamen Satz der 7. Sinfonie aufgehen, wusste ich, dass es eine günstige Zeit, ja mehr, regelrecht eine Aufforderung für mich war, sachte an ihr Schlafzimmer anzuklopfen.
„Was war das für ein Text?“, fragte sich Andromeda in Gedanken. „Ein erotisches Tagebuch? Wer war dieses 'Ich'. Ein Student? Offensichtlich! Warum schreibt er diese Zeilen? Der Stil gefällt mir, der Text macht mich an und rührt mich! Ich bin froh, dass ich das Dokument gesteigert habe!“ Damit stand ihr erstes Urteil fest und sie las weiter:
Ich kannte diese Musik bisher nur von einem Besuch im Deutschen Museum in München, wo sie im Planetarium dann gespielt wurde, wenn theatralisch im Westen am blutroten Horizont die Sonne unterging und man nach langsamem Verdunkeln die Sterne leuchten sah. Einen zweiten Satz als Vorspiel für ein spezielles Duett zwischen Frau und Mann zu missbrauchen war neu für mich. Allerdings gewöhnte