Filmgenres: Horrorfilm. Группа авторов

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Filmgenres: Horrorfilm - Группа авторов Reclam Filmgenres

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rumänischen Walachei herrschenden Fürsten Vlad Ţepeş (gesprochen ›Zepesch‹). Dessen Vater Vlad war seit 1431 Ritter des christlichen Drachenordens, dem Kaiser Sigismund vorstand; sein Beiname »Dracul« geht auf das rumänische Wort für den Drachen zurück, das aber auch ›Teufel‹ bedeutet. Als »Dracula« ging die zusätzliche Bezeichnung auch auf seinen Sohn Vlad junior über. Dieser verdiente sich seinen Beinamen Ţepeş« (›der Pfähler‹) als grausamer Kriegsherr im Winter 1461, im Kampf gegen den Eroberer von Konstantinopel Sultan Mehmed II. Die Verstümmelung von Sexualorganen, die puritanische Abstrafung junger Frauen, die vorehelichen Geschlechtsverkehr hatten, fügen sich ebenso ins Bild eines impotenten Sadisten, der den Körper als prinzipiell strafwürdig und den Menschen als Folterbank wahrnimmt, wie seine Vorliebe, die Mahlzeiten zwischen den von ihm Gefolterten einzunehmen.

      Viele der Motivstränge, die Stoker mit den balkanischen Sagen über blutrünstige Untote verband, finden sich im narrativen Fundus des Kinos: beispielsweise ›Boy meets Girl‹, nur dass der Junge hier »ein besonders unreifes Wesen« (Seeßlen) aufweist. Zwei grundlegende Merkmale sind dem Subgenre eigen und kommen in den verschiedenen Verfilmungen und Bearbeitungen in unterschiedlicher Ausprägung und Stärke zum Tragen: Erlösungsbedürftigkeit und der Thrill einer angstbesetzten, einer tabuisierten Sexualität. Das Blut, das ihm gegeben wird, erlöst den Vampir, der verdammt ist, ewig zu nehmen – die Anklänge ans christliche Abendmahl sind nicht zu übersehen. Nicht umsonst steht in einem Buch über Vampire, das in Nosferatu die Runde macht, »es bedürfe einer Frau reinen Herzens, um den Vampir bis zum Morgengrauen festzuhalten«. Und eben dieses Buch ist Murnaus Mina-Figur Ellen verboten wie für Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis. Natürlich liest sie es dennoch. Ohne Sündenfall keine Erlösung, Blut und Leib gibt sie fort. Bei Browning erfüllt dieses Selbstopfer »in seiner doppeldeutigen Zuwendung zum Tiermann zugleich die dem Vampirmythos eingeschriebene Formel von der todbringenden, dem Tode ähnelnden Sexualität« (Seeßlen). Der Horror manifestiert sich in der Erkenntnis, dass man auf Lust oder Leben verzichten muss, wo der Vampir als Verkörperung uneingestandener Begierden umgeht.

      Minas Opfer steht in der Tradition des »Anti-Vampirs Christus« (Seeßlen). In seinem Gothic-Western Vampires (John Carpenters Vampire, 1998) erzählt John Carpenter, berüchtigt dafür, seine Gangster- und Horrorfilme wie Western aussehen zu lassen, aber noch nie einen Western gedreht zu haben, den Ex-Priester und Vampir Valek als stark sexuell konnotierte Christusfigur unter umgekehrten Vorzeichen: Begleitet von zwölf Vampir-Aposteln, verspricht diese charismatische Gestalt, der selbst Kardinäle erliegen, ihren Anhängern im Namen des Kreuzes Unsterblichkeit und das Anbrechen eines neuen Reiches. Der Film ist eine Bagatellisierung aller Genres, aber aufschlussreich in seiner antifreudianischen Fremden-, Lust- und Frauenfeindlichkeit und zelebriert im Breitwandformat Jagdszenen aus John-Wayne-Country in einer von Vampiren buchstäblich unterminierten Wüste. Die Vampire ersetzen dabei die Indianer. Carpenters Film ist der peinliche Versuch, einem von europäischen Spitzfindigkeiten ausgelaugten Kino den Mann als Helden zurückzugeben. Unter der homophoben Kraftmeierei des obersten Vampirjägers Crow kommt jedoch die Angst vor der tabuisierten Sexualität ans Licht: Vampires krankt an der unfreiwilligen Komik eines unterdrückten Coming-out.

      Im Horrorgenre ist der Vampir der mit Abstand am stärksten sexuell konnotierte Protagonist, wie es ja auch bei Carpenter der Fall ist. Seine Angriffe sind ins Negative, ins Zerstörerische gewendete Zärtlichkeiten – Bisse wie Küsse. Sein Image als gefürchteter Liebhaber wurde den Zeiten und Gesellschaften angepasst, in denen es wiederbelebt wurde. Unter der Herrschaft viktorianischer Prüderie hatte der Blutsauger aus Leidenschaft beispielsweise den Ruf eines verbrecherischen Don Juans, ebenso elegant wie stilbildend verkörpert von Bela Lugosi in Dracula. Ein Unhold, ein Europäer eben. Aber auch ein Gentleman. Bei aller Lust und Gier verschmäht der Vampir die Geschlechtsteile der Frau – von denen die Sexualwissenschaftlerin Marielouise Janssen-Jureit in ihrem Buch Sexismus notiert, sie seien in der Menschheitsgeschichte so gefährlich besetzt wie ein offenes Grab – und schafft sich am Hals den Durchbruch zu verbotenen Gefühlen. Das weibliche Geschlecht, das Männerphantasien zur Wunde verunglimpft haben, ist selbst dem Vampir unheimlich. Im Vampirismus ist nicht das Geschlecht die Wunde, sondern die Wunde das Geschlecht. Um ein Publikum zu erreichen, das mit viktorianischen Tabuisierungen nichts zu tun haben wollte, entstaubte die englische Hammer Production, die sich seit Ende der fünfziger Jahre um die Verjüngung des Vampirfilms bemühte, den Nimbus des Gentleman-Monsters und präsentierte mit Christopher Lee eine deutlich stärker triebgeleitete Variante des tödlichen Liebhabers. Nach Terence Fishers Dracula (1958), der für sich genommen nichts Besonderes darstellte, aber als Auftakt der Hammer-Serie berühmt wurde, arbeitete sich Hammer Production bis in die siebziger Jahre daran ab, den blutsaugenden Grafen jeglicher Subtilität zu entkleiden. Der Mythos tritt in den Hintergrund und wird bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Sex & Crime, Blut und Gewalt füllen die Leinwand mit den Vorboten eines Horrors, der keinen Mut hat, Pornographie zu sein, und es darum bei feuchtfröhlichen Anspielungen der schlichteren Art belässt. Dracula jagt Minimädchen (Dracula A.D., 1972) lautet der deutsche Filmtitel, der diese dröge Mischung aus Verklemmtheit und im Gefolge der ›sexuellen Revolution‹ verordnetem Selbstenthüllungszwang auf den Punkt bringt. Der letzte Film aus der Produktionsreihe Dracula braucht frisches Blut (The Satanic Rites of Dracula, 1973) benannte unfreiwillig das Problem der Serie und verlagerte Draculas persönliche Obsession auf die Ebene der globalen Weltvernichtung. Korrupte Politiker und die Pest, die Dracula verbreitet, drohen der Welt den ultimativen Aderlass zu bereiten. Als Opfer blieb das Vampir-Genre geschändet und geplündert zurück. Wie der Western, der den Italo-Western hervorbrachte, verfiel das Genre in eine Phase der Dekadenz. Die Persiflage hatte es bereits 1967 mit Polanskis unschlagbar komischem Film Dance of the Vampires (Tanz der Vampire) unterwandert. Edouard Molinaris Dracula Père et Fils (Die Herren Dracula, 1976) knüpfte an die Figur des zum lachhaften Stehaufmännchen und Quartalssäufer verkommenen Untoten an. Der Sohn des erneut von Cristopher Lee gespielten Vampirs weigert sich, die Tradition fortzusetzen, arbeitet lieber als Nachtwächter und ernährt sich von Schweineblut. Die Komik des zeitgemäßen Generationskonflikts, hier gedämpft durch eine Liebesgeschichte, die den Sohn des Vampirs in einen Menschen zurückverwandelt, wird in späteren Filmen wie Blade für drastische Kriegsszenen zwischen den Vampiren des Ursprungs und ihren Sonnenbrillen tragenden, mit hohem Lichtschutzfaktor eingecremten Nachkömmlingen sorgen.

      Stets ruft die Freigeisterei des Vampirs, die den spirituellen wie den menschlichen Zeugungsakt pervertiert, reaktionäre Kräfte auf den Plan. Das bürgerlich-christliche Imperium schlägt zurück, denn das Uralte – schließlich ist Dracula ein adeliger Ruinenbesitzer – will nicht sterben und bedroht die (erotischen) Besitzverhältnisse der Moderne. Die Waffen der selbsternannten Erlöser sind Phallus-Attribute der zurückschlagenden ›guten‹ Macht, der Macht der Männer über die gebissene Frau. Nicht umsonst müssen Vampire gepfählt werden, und zwar von Männern, die mit dem Vampir den Konkurrenten wie zugleich die homosexuelle Versuchung erschlagen. Der verquälte Sexus sollte vom Kino der Aids-Ära wieder ausgegraben werden. In vielen neueren Vampirfilmen finden sich Anklänge an die Verbreitung von Aids. Coppola lässt in Bram Stoker’s Dracula (1992) während der zersetzenden Liebesräusche des Vampirs mikroskopische Blutblasen aufsteigen, in denen eine höchst ungesunde Zellteilung stattfindet. Den Vampir verklärt er zum unerlöst Liebenden, der nicht das Eine, sondern dem ›Safer Sex‹ gemäß die Eine sucht. Robert Rodriguez und sein Drehbuchautor Quentin Tarantino bestrafen in From Dusk till Dawn (1996) die Geilheit, die Trucker in die Falle des Bums- und Amüsierlokals »Titty Twister« lockt, mit tödlichen Bissen. Blade trieb die Racheorgien des halb menschlichen, halb draculesken Vampirjägers und ›Daywalkers‹ Blade in einer Begegnung mit seiner verstorbenen, aber als Konsumentin fremder Säfte ansehnlich konservierten Mutter auf die Spitze. Der zwittrige Exterminator muss vor dem Sieg über die dunklen Mächte erst einmal seine ödipalen Begierden bekämpfen.

      Zu den Grundregeln des Vampirismus gehört eine dem Unbewussten angelastete Übereinkunft zwischen Blutsauger und Opfer. In der Einverleibung durch den Vampir durfte die Dame von Stand gewiss sein, die quälende Unschuld loszuwerden, ohne schuldig gesprochen zu werden. Bei Stoker ist es die wohlhabende Lucy Westenra,

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