Filmgenres: Horrorfilm. Группа авторов

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Filmgenres: Horrorfilm - Группа авторов Reclam Filmgenres

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sich ihr. Spielt sie bei Murnau keine Rolle, so ist sie bei Coppola der bloße Körper, an dem sich der Vampir abrackert, um bis zur Vereinigung mit der begehrten Reinkarnation seiner Braut Elisabeth in Form zu bleiben. Tod Browning hat der psychohygienischen Bedeutung dieser Lucy nachgespürt, die als laszives Alter Ego der asexuellen Mina die heimliche Hauptrolle spielt. Der allseits umschwärmten höheren Tochter gesteht er angesichts der Qual der Wahl eine geradezu komische Verzweiflung zu. Wen soll sie nehmen? Den Arzt, den Banker, den amerikanischen Selfmademan, den Dichterling? Alle, ist die Antwort in Lucys blitzenden Augen, und diese Unbescheidenheit macht sie reif für den Vampir. Der Casanova-Vampir, als der Bela Lugosi aus heutiger Sicht wenig gruselig im Frack daherkommt, hat von allen Männern etwas. Die abgewiesenen Verehrer werden sich für das Ius primae noctis rächen, das der Graf als adeliger Schmarotzer wahrgenommen hat. Aus der schmollenden Schnute der untoten Lucy rinnt Blut. Es erinnert ihren Verlobten an die Defloration, die nach der von dem todbringenden Rivalen verpatzten Hochzeitsnacht nachgeholt werden muss. Der Pflock, mit dem der enttäuschte Lover Lucys Herz durchbohrt, sitzt nur aus Anstandsgründen nicht tiefer. Die Strafe folgt der Lust, das ist gewiss. Der Horror versteht sich als Lustangst, als Phantasie der eigenen Enthemmung.

      Die sexuelle Erweckung durch den Vampir ist aber nicht als Freiheit zu verstehen. Die Frau, die auf das Versprechen hereinfällt, die dunklen Seiten ihrer Sexualität austoben zu können, ist letztlich eher mehr Zwängen ausgesetzt: Der unstillbare Hunger, der den Vampir zum Blut-Junkie macht, der seine Sucht Nacht für Nacht stillen muss, zwingt Dracula und seine Bräute in einen pubertären Teufelskreislauf, der Reifeprozesse und Ruhephasen nicht zulässt. Die Vampiria ist eine Gefangene, die für ihren alterslos verführerischen Körper den höchsten Preis bezahlt: Es gibt keine Weiterentwicklung, nur den Überdruss der Begierde. Die Freisetzung vom Gebärenmüssen ist an den Verlust gebunden, Leben schenken zu können. Die Vampirin ist nicht länger Frau. Ihre Geschlechtsorgane sind fortan phallischer Natur. So paradox das klingen mag: Der weibliche Vampir ist ein Mann, der sich im Gewand verwesender Brüste anderen Männern nähert. Selbst die lesbischen Vampirinnen kommen, so sie von Regisseuren in Szene gesetzt sind, als Männerphantasien nicht besser weg. Und auch Sheridan Le Fanus lesbischer Vampir Carmilla wird eher vom Hass auf das eigene Geschlecht angetrieben als von eingestandener homosexueller Sehnsucht.

      Der Hybris des Vampirs, der sich gottgleich wähnt, weil er den Tod bringt und aufhebt, ist die Verdammnis zu ewiger Wiederholung entgegengesetzt. Besonders deutlich wird der Fluch der Stagnation bei der altägyptischen Vampirin Miriam aus The Hunger (Begierde, 1983; Tony Scott) oder wenn sich Kinder, vor allem kleine Mädchen, in Vampire verwandeln. In Interview with the Vampire (Interview mit einem Vampir, 1994; Neil Jordan) wird die fünfjährige Claudia während einer Pestepidemie von dem Gutvampir Louis gefunden. Louis ist kein typischer Beißgenosse, er gehört zu der seltenen Blutgruppe der melancholischen und skrupulösen Vampire. Er erwägt, die kleine Vollwaise vor dem sicheren Tod zu retten, indem er sie zum Vampir macht, lässt aber dann davon ab: Den traurigsten aller Vampire hält eine menschliche Moral in Schach, die seinen Schöpfer und Gefährten Lestat zur Verzweiflung bringt. Also ist es Lestat, der Claudia ihr Menschsein nimmt und sie Louis als ewiges Ersatztöchterchen verehrt, das aber den Erfahrungen seines Scheinlebens nicht Rechnung tragen kann. Auf ewig gefangen im Kinderkörper, wird Claudia zur tolldreisten Mörderin, die es besonders auf junge Frauen abgesehen hat. Das Mädchen, das nicht Frau werden kann und sich an Frauen rächt, gehört zu den schrecklichsten und zugleich psychoanalytisch ergiebigsten Erfindungen der Vampir-Autorin Anne Rice. Denn obschon das vampiristische Kind niemals zur sexuellen Reife gelangt, ist es andererseits das sexualisierte Kind schlechthin: eine Ikone pädophiler Verführung, in Claudias Fall eine durch Blutschande erzeugte Vater-Tochter, die aus dem Kindchen-Schema nicht ausbrechen kann.

      Mit dem philosophischsten und filmsprachlich innovativsten Vampir-Melo seit Nosferatu überraschte Po-Chih Leong, Mitbegründer des Neuen Hongkong-Kinos, Ende der neunziger Jahre: The Wisdom of Crocodiles (Die Weisheit der Krokodile, 1998). Der junge Arzt Steven Grlscz ist ein moderner, weder vor Kreuzen noch vor den Gesetzmäßigkeiten des Genres zurückscheuender Vampir. Anne ist die Frau, die sein Parasitentum in Frage stellt. Sie verkörpert für den Gefühlshungrigen die reine Liebe. Soll er diese einmal im Leben erleiden – und daran sterben, dass er die Geliebte schont? »It is the wisdom of crocodiles that shed tears when they would devour«, lautet der Aphorismus des Philosophen Francis Bacon, dem der Filmtitel entlehnt ist: ein Hinweis darauf, dass auch der melancholischste Gefühlstote am Ende seiner und damit der vampiristischen Natur jeder Liebe nachgibt. Der Film knüpft an den Mythos an, allerdings nur, um die Distanz zwischen Ur-Ur-Ur-Großvater Dracula und seinem Nachkommen als einen Weg zu skizzieren, der von der Verfeinerung der blutschänderischen Motive zum Verfall vampiristischer Gewissheiten führt. Mit dem charismatischen Steven hat Po-Chih Leong einen Großstadtvampir geschaffen, der nur noch um Metaphern- und Fangzahnlänge von der existenziellen Krise seiner Opfer entfernt ist. Steven braucht nicht nur das Blut der einsamen und lebensmüden Frauen, sondern vor allem die Essenz ihrer Emotionen. Wenn der dekadente Held einer therapiebedürftigen Endzeit seine naturgemäß häufig wechselnden Freundinnen im Liebesakt ausbluten lässt, wird er von Krämpfen geschüttelt. Aus seinem seelenlosen Inneren würgt er gläserne Nadeln hervor: jeder Kristall die Manifestation der Gefühle, die sein Opfer beherrschten und ohne die er nicht leben kann.

       Heike Kühn

      Literatur: Rudolf Kurtz: Expressionismus und Film. Berlin 1926. – Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Frankfurt a. M. 1984. (Engl. Orig.-Ausg. Princeton, N. J. 1947). – Lotte H. Eisner: Die dämonische Leinwand. Frankfurt a.M. 1980.

      Dr. Jekyll und Mr. Hyde

      Dr. Jekyll and Mr. Hyde

      USA 1931 f 98 (gekürzt 91) min

      R: Rouben Mamoulian

      B: Samuel Hoffenstein, Percy Heath, nach der gleichnamigen Erzählung von Robert Louis Stevenson

      K: Karl Struss

      M: Johann Sebastian Bach, Robert Schumann

      S: William Shea

      D: Frederic March (Dr. Jekyll / Mr. Hyde), Miriam Hopkins (Ivy Pierson), Edgar Norton (Poole), Rose Hobart (Muriel Carew), Holmes E. Herbert (Dr. Lanyon), Halliwell Hobbes (Brigade General Sir Danvers Carew), Tempe Pigott (Mrs. Hawkins)

      Die Frage nach Gut und Böse interessiert seit jeher Philosophen und Künstler. Existieren im Menschen Gut und Böse nebeneinander, als feste, eigenständige Größen? Oder sind sie zwei Seiten einer Medaille? In seiner berühmten Erzählung Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mister Hyde schuf Robert Louis Stevenson 1886 zwei Figuren, die zum Sinnbild der menschlichen Doppelnatur und innerer Spaltung wurden, ohne Gut und Böse miteinander in Einklang bringen zu können. Es handelt sich um eine der ersten Horrorgeschichten, deren Schrecken nicht aus der Konfrontation der Zivilisation mit dem Unerklärlichen wie Vampiren, Werwölfen oder Geistern resultiert, sondern menschlichen Ursprungs ist.

      Der 1850 geborene Autor entstammt einer streng protestantischen schottischen Bürgerfamilie und wurde zur Staatskonformität des viktorianischen Zeitalters erzogen. Als Schriftsteller und Journalist stellte er dieses System nicht in Frage, bis er sich in eine verheiratete Amerikanerin verliebte, die seinetwegen ihren Mann verließ – was in seinem Umfeld zu Irritationen führte und ihn die Doppelmoral der britischen Gesellschaft am eigenen Leib erfahren ließ. Denn während gerade in London, dem Zentrum des viktorianischen Weltreiches, die Prostitution wie zu keiner anderen Zeit blühte und für Tausende von Frauen die einzige Überlebenschance darstellte, wurden er und seine Frau dafür verurteilt, einander zu lieben. Gut und Böse, Doppelmoral, das sind Begrifflichkeiten, die sich wiederholt in seinen Geschichten finden, am häufigsten in Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mister Hyde.

      Während sämtliche der zahlreichen Verfilmungen

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