Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
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3. Art und Weise des Verwaltungszwangs
Das Öffnen der Tür mittels Schlüsseldienst wurde angedroht (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW).
4. Ermessen (§ 3 PolG NRW) / Übermaßverbot (§ 2 PolG NRW)
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Ersatzvornahme war zweifelsohne (auch) geeignet. Mit der Heranziehung des Schlüsseldienstes wählten die Polizeibeamten auch ein milderes Mittel, als wenn sie z. B. die Wohnungstür eingetreten hätten. Im Verhältnis zu den bedrohten Rechtsgütern war die Ersatzvornahme auch angemessen.
Lösung zu Aufgabe 2
Die strafprozessuale Sicherstellung von sog. Zufallsfunden ist geregelt in § 108 StPO.39 Diese Norm geht über §§ 94, 98 StPO insoweit hinaus, als dadurch eine sofortige, vorläufige Zugriffsmöglichkeit auf Beweismittel für ein anderes Verfahren geschaffen wurde. Zufallsfunde sind solche Gegenstände, die nicht zur Anlasstat der jeweiligen Durchsuchung gehören, sondern zufällig bei der Durchsuchung aufgefunden werden. § 108 StPO stellt eine Erweiterung, nicht aber eine Einschränkung des allgemeinen Beschlagnahmerechts nach den §§ 94 ff. StPO dar. Zufallsfunde dürfen mithin auch dann nach § 108 StPO vorläufig sichergestellt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO nicht vorliegen. Das ist – obwohl es in der Praxis kaum vorkommen dürfte – dann der Fall, wenn die durchsuchenden Polizeibeamten nicht Ermittlungspersonen der StA sind oder keine Gefahr im Verzuge besteht und die Beamten deshalb nach § 98 Abs. 1 StPO zur Anordnung einer Beschlagnahme nicht befugt sind, oder dann, wenn der vollstreckende Beamte die Beweisbedeutung des Gegenstands für ein anderes Verfahren nicht abschätzen kann und nicht weiß, ob ein solches anderes Verfahren bereits eingeleitet ist. Die Sicherstellung nach § 108 setzt also insbesondere nicht voraus, dass bereits jetzt davon ausgegangen werden kann, der Gegenstand könne i. S. des § 94 als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein. Liegt ein solcher Ausnahmefall indes nicht vor, so bilden auch § 94 Abs. 1, Abs. 2 und § 98 Abs. 1 StPO eine gesetzliche Grundlage für die Beschlagnahme. Str. ist, ob es sich um eine strafprozessuale Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) handeln muss oder ob auch eine polizeirechtliche Durchsuchung (§§ 41, 42 PolG NRW) in Frage kommen kann. Dagegen spricht die Stellung des § 108 StPO im Zusammenhang mit den Durchsuchungsvorschriften der StPO, die auf eine ausschließlich nach der StPO vorgenommen Durchsuchung hindeutet. Indes spricht der Wortlaut des § 108 StPO („bei Gelegenheit einer Durchsuchung“) dafür, auch polizeirechtliche Durchsuchungen mit einzubeziehen. Unter Zugrundelegung der teleologischen Auslegung des § 108 StPO will die Beschlagnahme von Zufallsfunden verhindern, dass die Polizei zwar von solchen Gegenständen anlässlich einer rechtmäßigen Durchsuchung Kenntnis nimmt, sie aber nicht beschlagnahmen kann und im Nachhinein, wenn die Erkenntnisse für eine Sicherstellung vorliegen, diese nicht mehr möglich ist, da die Gegenstände zwischenzeitlich beiseitegeschafft wurden. Letztlich sind auch Durchsuchungen aus präventiv-polizeilichen Gründen erfasst. Es kommt mithin nur auf die Rechtmäßigkeit der Anlassdurchsuchung an, d. h. eine Durchsuchung nach dem PolG NRW reicht tatbestandlich aus.40 Anordnungsgefugt sind Polizeibeamte. Gefahr im Verzuge i. S. von § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO oder die Eigenschaft als Ermittlungsperson (§ 152 GVG) ist nicht erforderlich. Die StA ist in Kenntnis zu setzen (§ 108 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Lösung zu Aufgabe 3
Im Sachverhalt wurden die Betroffenen in Gewahrsam genommen. Als Ermächtigung fungiert § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Unterbindungsgewahrsam). Hiernach ist eine Gewahrsamnahme zulässig, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Das VG Schleswig bejahte die Voraussetzungen der Eingriffsnorm in einem entsprechenden Fall (entsprechend § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW).44 Die Betroffenen haben eine Ordnungswidrigkeit begangen, die auch von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit – verkörpert durch die betroffenen Nachbarn – gewesen ist. Angesichts des uneinsichtigen Verhaltens der Ruhestörer ist das Mittel der Ingewahrsamnahme auch „unerlässlich“ zur Beseitigung der Gefahr weiterer Störungen. Wird die Nachtruhe durch laute Musik oder auf sonstige Weise empfindlich gestört, so dürfen die Verursacher in Gewahrsam genommen werden, wenn andere mildere Maßnahmen nicht möglich sind. Vorliegend hätte auch eine Sicherstellung der Anlage in Erwägung gezogen werden können (§ 43 Nr. 1 PolG NRW). Indes mussten die Polizeibeamten damit rechnen, dass die Kläger auch nach Entfernung der Anlage andere Wege – wie das bereits begonnene „Trommeln“ – finden würden, um sich lautstark bemerkbar zu machen. Die Ingewahrsamnahme zwecks Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten ist aus rechtlichen Gründen nicht unproblematisch. Strittig ist hier, ob eine Ingewahrsamnahme zur Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit überhaupt zulässig ist. Diesbezüglich wird ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2c EMRK angenommen, wonach die Freiheit der Person nur zur Verhinderung einer strafbaren Handlung entzogen werden darf. Die Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit wird nicht erwähnt. Aufgrund Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG steht die EMRK im Rang eines Bundesgesetzes. Bei Interpretation nationalen Rechts ist die Konvention zu beachten. Das bedeutet grundsätzlich auch, dass die Konvention als Bundesgesetz dem Landesrecht vorgeht und dass die in Art. 2 ff. EMRK verbürgten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu beachten sind.45 Die Regelung des polizeilichen Unterbindungsgewahrsams ist mit Art 5 Abs. 1 EMRK vereinbar.46 Nach dem BayVerfGH lässt sich nicht feststellen, dass nur die mit Kriminalstrafe bedrohten Handlungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2c EMRK erfasst werden.47 Art. 5 Abs. 1 Satz 2c EMRK lässt auch eine Freiheitsentziehung zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten zu, wenn diese mit