Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller страница 12
![Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller](/cover_pre1170752.jpg)
Der letztgenannten Auffassung wird hier Folge geleistet.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Auch bei dieser Maßnahme ist der präventiv-polizeiliche Handlungsraum eröffnet. Die Polizeibeamten forderten A auf, die Wohnungstür zu öffnen. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt keinen besonderen Formvorschriften unterworfen. Der Verwaltungsakt wurde offensichtlich auch wirksam bekannt gegeben (§§ 41, 43 Abs. 1 VwVfG NRW).
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Unter den Voraussetzungen von § 41 PolG NRW darf die Polizei eine Wohnung auch ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen.18
a) § 41 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW
Gem. § 41 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW kann die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach § 10 Abs. 3 vorgeführt oder nach § 35 in Gewahrsam genommen werden darf. Zum Zeitpunkt des Betretens der Wohnung stand noch nicht fest, dass A und seine Gäste in Gewahrsam genommen werden.
b) § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW
Gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach § 43 Nr. 1 sichergestellt werden darf. Die Ermächtigung verlangt die Voraussetzungen der Sicherstellung. Dass es schließlich tatsächlich zur Sicherstellung einer Sache kommt, ist nicht Bedingung für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. An der Gegenwärtigkeit der Gefahr (§ 43 Nr. 1 PolG NRW) bestehen keine Bedenken, weil die Störung bereits eingetreten war. Typisch in der polizeilichen Praxis sind Fälle, in denen Musikanlagen sichergestellt werden und zu diesem Zweck die Wohnung betreten wird.
c) § 41 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW
Gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn von der Wohnung Immissionen ausgehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer zu einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft führen. § 41 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW dient insbesondere dem wirksamen Schutz der Nachtruhe vor erheblichen Ruhestörungen und zur Beendigung einer Ordnungswidrigkeit i. S. des § 17 Abs. 1d LImSchG. Von einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft ist in der Regel nur auszugehen, wenn die Polizei um Hilfe gerufen wird und nach Würdigung aller Umstände die Immissionen nicht zumutbar sind (VV 41.12 zu § 41 PolG NRW). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW liegen mithin vor. Angesichts des Sachverhaltes bestehen daran keine Zweifel. Zu denken wäre überdies an § 41 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW. Dann müsste die Lärmbelästigung eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert bedeutet haben. Die „Gegenwärtigkeit der Gefahr“ ist gegeben. Die Verursachung von Lärm in einem Maße, dass die Nachbarn in ihrer Nachtruhe gestört sind, stellt eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar, auch wenn die Schwelle zur Verwirklichung der Gesundheitsschädigung i. S. von § 223 StGB noch nicht überschritten sein sollte.
2. Besondere Verfahrensvorschriften
Die besonderen Verfahrensvorschriften des § 42 PolG NRW gelten nur für Durchsuchungen.19 Sofern man von einer Durchsuchung ausgeht, war insbesondere der Richtervorbehalt entbehrlich (§ 42 Abs. 1 PolG NRW). Die Polizei kann ohne richterliche Entscheidung eine Durchsuchung nur anordnen und durchführen, wenn Gefahr im Verzug besteht, d. h. wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde.20 Das Vorliegen von „Gefahr im Verzug“ muss mit Tatsachen belegt werden, die auf den Einzelfall bezogen sind; reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Da die Polizei im Bereich der Gefahrenabwehr aber in der Regel eilige Maßnahmen zu treffen hat, kommt in diesem Aufgabenbereich die Anordnung der Durchsuchung durch den Richter in der Praxis nur verhältnismäßig selten vor.21
3. Adressatenregelung
Adressat der Durchsuchungsmaßnahme ist der bzw. sind die berechtigten Wohnungsinhaber, unabhängig davon, ob es sich um Eigentümer oder um Mieter handelt.22 Eine Ausnahme bildet nach zutreffender Auffassung § 41 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW. Da eine gegenwärtige Gefahr abgewehrt werden soll, ist auf die §§ 4–6 PolG zurückzugreifen; der betroffene Wohnungsinhaber muss entweder Verhaltens- oder Zustandsstörer sein.23
4. Rechtsfolge der konkret herangezogenen Ermächtigungsgrundlage
Rechtsfolge ist das Betreten und Durchsuchen der Wohnung. Hier wird zunächst nur aufgefordert, die Wohnungstür zu öffnen. Da das notwendige Voraussetzung ist, um die Räume zu betreten und zu durchsuchen, handelt es sich um eine Begleitmaßnahme, die schon unter die Rechtsfolge des § 41 PolG NRW gefasst werden kann.24 Die Befugnis zum Betreten einer Wohnung umfasst das Recht, sich Zugang zu einer Wohnung zu verschaffen, dort auch von Personen, Sachen und Zuständen Kenntnis zu nehmen und in der Wohnung zu verweilen, solange die Voraussetzungen des Betretens vorliegen.25 Ein Betreten liegt auch vor, wenn in der Wohnung Feststellungen durch einfache Nach- bzw. Umschau getroffen werden. Beim Betreten werden keine Behältnisse geöffnet oder Veränderungen in der Wohnung vorgenommen.26 Entscheidendes Begriffsmerkmal der Durchsuchung ist mithin das ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts (Gefahrenquelle) in einer Wohnung27. Es soll etwas aufgespürt werden, was der Inhaber des Raumes von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will. Die Durchsuchung ist letztlich durch zwei Handlungselemente gekennzeichnet: (1) Das Betreten der Wohnung und (2) die Vornahme von Suchhandlungen in der Wohnung. Die Durchsuchung erfolgt in der Regel, um eine Person aufzufinden und zu ergreifen, zum Auffinden und zur Sicherstellung einer Sache oder zur Verfolgung von Spuren.28