Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
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4. Rechtsfolge der konkret herangezogenen Ermächtigungsgrundlage
a) Rechtsfolge entspricht der Ermächtigungsgrundlage
Die Rechtsfolgen der Generalklausel sind auf den Erlass der „notwendigen Maßnahmen“ gerichtet. Gemeint sind grundrechtseingreifende Maßnahmen aller Art, gebietende und verbietende Verwaltungs- und (auch) Realakte. Denkbar sind mithin auch faktische Rechtseingriffe aufgrund der Generalklausel. Die „notwendigen Maßnahmen“ sind also die Maßnahmen, die auch i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich sind.
b) Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW)
§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW enthält mit dem Bestimmtheitserfordernis in Abs. 1 ein materiell-rechtliches Erfordernis. Verstöße sind hier nicht ersichtlich.
c) Ermessen (§ 3 PolG NRW)
Rechtsfehler hinsichtlich der pflichtgemäßen Ermessensausübung, insbesondere eine Missachtung der Grundsätze aus § 40 VwVfG NRW sowie des Differenzierungsge- und -verbotes sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.
d) Übermaßverbot (§ 2 PolG NRW)
Die Verfügung ist geeignet (objektiv zwecktauglich), die beschriebene Gefahr abzuwehren. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Erforderlichkeit ist nicht ersichtlich. Eine andere (mildere) Maßnahme – als eine polizeiliche Verfügung – ist vorliegend nicht denkbar. Da die Maßnahme auch (insbesondere) der Verhältnismäßigkeit i. e. S. entspricht, dürfte die polizeiliche Verfügung rechtmäßig sein.
Parallelnormen § 8 Abs. 1 PolG NRW (Generalklausel): § 14 Abs. 1 BPolG; § 3 BWPolG; Art. 11 Abs. 1 BayPAG; § 17 Abs. 1 ASOG Bln; § 10 Abs. 1 BbgPolG; § 10 Abs. 1 BremPolG; § 3 Abs. 1 HmbSOG; § 11 HSOG; § 13 MVSOG; § 11 NdsSOG; § 9 Abs. 1 RhPfPOG; § 8 Abs. 1 SPolG; § 3 Abs. 1 SächsPolG; § 13 LSASOG; § 174 SchlHVwG; § 12 ThürPOG
B. Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür und Aufforderung, die Wohnungstür zu öffnen (Betreten der Wohnung)
I. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist.
1. Grundrechtseingriff
a) Art. 2 Abs. 1 GG
Da die Aufforderung („Öffnen Sie die Tür“) nicht unbedingt mit einer Durchsuchung oder einem Betreten der Wohnung einhergehen muss, greift nach einer Auffassung die Aufforderung, die Tür zu öffnen, als eigenständiger Grundrechtseingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, ein. Dieses Grundrecht gilt für alle natürlichen Personen und schützt jegliches Tun und Unterlassen. Hier wird eine Handlung von dem Adressaten gefordert. Dieser Auffassung folgend liegt ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG dann noch nicht vor, weil die durch dieses Grundrecht geschützte Intimsphäre noch nicht betroffen ist.
b) Art. 13 Abs. 1 GG
Sieht man die Aufforderung, die Tür zu öffnen, als eine Maßnahme an, die zur Ermächtigung des § 41 PolG NRW (Betreten und Durchsuchen von Wohnungen) gehört, so könnte man hier von einem Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG ausgehen. Sieht man in der Aufforderung nur einen Begleiteingriff zum Betreten der Wohnung, so liegt kein eigenständiger Eingriff vor.7 Geschützt ist die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das Private der Räume wird hier gestört, indem die Polizei dazu auffordert, die Tür zu öffnen. Die Beamten wollen die Wohnung betreten und nicht nur vor der Wohnungstür mit dem A reden. Das begründet den Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG.8 Vorliegend wollen die Beamten die Wohnung betreten bzw. durchsuchen, sodass in der Aufforderung, die Tür zu öffnen, ein Begleiteingriff zu einer Durchsuchung oder einem Betreten der Wohnung zu sehen ist.9
2. Zielrichtung
Zielrichtung ist die Gefahrenabwehr (Verhinderung der Fortsetzung von Ordnungsstörungen).
3. Ermächtigungsgrundlage
Strittig ist, ob § 41 PolG NRW Ermächtigungsgrundlage für den Verwaltungsakt ist oder aber (nur) einen Realakt beinhaltet. So wird die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Wortlaut des § 41 PolG NRW (nur) die Pflicht ergibt, das Betreten der Wohnung bzw. deren Durchsuchung zu dulden. Daraus kann aber nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, die Wohnung aktiv zugänglich zu machen.10 Dieser Auffassung folgend bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Verwaltungsaktes mit dem Gebot an A, die Tür zu öffnen. Eine solche Ermächtigungsgrundlage wäre dann mangels Spezialermächtigung § 8 Abs. 1 PolG NRW.11
Nach a. A. umfasst § 41 PolG NRW ggf. auch das Öffnen der Tür, d. h. die Ermächtigung verpflichtet den Wohnungsinhaber nicht nur zur Duldung des Betretens und Durchsuchens der Wohnung, sondern auch zu deren Öffnung.13