Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
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Der Grund hierfür liegt in der Situationsgebundenheit der Entscheidung, deren Vollzug nicht bis zur (evtl. auch vorläufigen) Klärung der Entscheidung aufgeschoben werden kann.27 Das BVerfG stützt sich dabei auf die Unterscheidung zwischen „Situationsebene“ und „Sanktionsebene“. Für die Gefahrenabwehr auf der Primärebene sei das Treffen von Prognoseentscheidungen unter Zeitdruck charakteristisch, die naturgemäß irrtums- und fehleranfällig seien.28 Anders sei die Rechtslage auf der Sekundärebene (Sanktionsebene) zu beurteilen.29 Nachfolgend wird geprüft, ob die Grundverfügung rechtmäßig ergangen ist.
Ein Verwaltungsakt ist u. a. unanfechtbar, wenn förmliche Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden können. Zu diesen förmlichen Rechtsmitteln gehören z. B. Widerspruch30 (§§ 68 ff. VwGO) und Anfechtungsklage (s. § 42 Abs. 1, § 74 VwGO). Weiterhin müssen die Berufung (§§ 124 ff. VwGO), die Revision (§§ 132 ff. VwGO) und die Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision ausgeschlossen sein. Die Voraussetzungen liegen (dann) vor, wenn die Fristen abgelaufen sind oder rechtskräftige Entscheidungen getroffen wurden. Außer im Falle der Unanfechtbarkeit (Rechtsbeständigkeit) von Verwaltungsakten können diese (auch) zwangsweise durchgesetzt werden, wenn Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben. Gem. § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage (grundsätzlich) aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt). Dieser nach § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene Suspensiveffekt entfällt jedoch nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wenn es sich um unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten handelt. Diese Regelung will primär solche Fälle erfassen, in denen ein Polizeibeamter vor Ort angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit seines Handelns tätig werden muss und den Eintritt der Unanfechtbarkeit aus naheliegenden Gründen nicht abwarten kann. So gelten als unaufschiebbar i. d. R. (nur) zeitlich dringliche Maßnahmen, also solche, die Polizeibeamte mündlich (oder durch Zeichen) treffen. Ein Wirksamwerden dieser Maßnahmen kann nicht aufgeschoben werden. In diesen Fällen geht der Schutz der öffentlichen Sicherheit dem Interesse des Betroffenen an nochmaliger rechtlicher Überprüfung des Verwaltungsaktes vor seinem Vollzug vor. Bei der polizeilichen Verfügung (§ 34 PolG NRW) handelt es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme zur Gefahrenabwehr, sie ist sofort vollziehbar, da gem. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung förmlicher Rechtsbehelfe entfällt. Die Voraussetzungen des sog. gestreckten Zwangsverfahrens nach § 50 Abs. 1 PolG NRW liegen vor.
Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren): § 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt vorliegend der unmittelbare Zwang. Nach § 55 PolG NRW kann die Polizei unmittelbaren Zwang anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Andere Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW) und das Zwangsgeld (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 53 PolG NRW). Sowohl Zwangsgeld als auch Ersatzvornahme scheiden zur Durchsetzung des Platzverweises vorliegend (eindeutig) aus.
Letztendlich ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der (Vollstreckungs-)Ermächtigung (§ 55 PolG NRW) vorlagen. Die Polizei durfte somit das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges anwenden. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW gelten für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges die §§ 57 ff. PolG NRW. Ist die Polizei nach diesem Gesetz (PolG NRW) oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt, gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58 bis 66 und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes (§ 57 Abs. 1 PolG NRW).31
3. Art und Weise des (Verwaltungs-)Zwangs
Mangels entsprechender Hinweise im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass alle Verfahrensvorschriften beachtet wurden, und zwar insbesondere hinsichtlich der Androhung des unmittelbaren Zwanges (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1, 61 Abs. 1 PolG NRW).