Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG. Lisa Maria Völkerding
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(cc) Reformierung des Kündigungsverfahrens
Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung soll gem. Art. 5 Abs. 4 S. 3 GrOkathK n.F. vor jeder beabsichtigten Kündigung wegen Verstößen nach Art. 5 Abs. 2 GrOkathK die Stellungnahme eines seitens der Diözesen beauftragten, im kirchlichen und weltlichen Arbeitsrecht erprobten Volljuristen eingeholt werden, der selbst der katholischen Kirche angehört (Art. 5 Abs. 4 S. 2 GrOkathK). Gem. Art. 5 Abs. 4 S. 4 GrOkathK ist die Einholung der Stellungnahme allerdings ausdrücklich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Eine Rechtsfolge für den Fall des Unterlassens der Einholung einer Stellungnahme dieser „zentralen Stelle“ benennt die Grundordnung nicht. Art. 5 Abs. 5 GrOkathK n.F. sieht schließlich die turnusmäßige Prüfung der Loyalitätsanforderungen hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit durch den Verband der Diözesen Deutschlands vor.
b) Evangelische Kirche
Die evangelische Kirche hat ihre Loyalitätsanforderungen für den kirchlichen Dienst im Wege einer Richtlinie kodifiziert, für die eine Ermächtigung in Art. 9 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht. Die evangelische Loyalitätsrichtlinie bedarf zu ihrer unmittelbaren Wirksamkeit der landeskirchlichen Transformation, da es sich hierbei nicht um ein Kirchengesetz i.S.d. § 10a Abs. 2 der Grundordnung der evangelischen Kirchen Deutschland handelt.290 § 1 S. 2 der EKD-RL empfiehlt den Gliedkirchen und diakonischen Werken lediglich, ihre Regelungen auf Grundlage der Richtlinie zu treffen. Daher existiert für die evangelische Kirche in Deutschland dem Grunde nach keine einheitliche Regelung von Loyalitätsobliegenheiten.291
aa) Grundlagen des kirchlichen Dienstes
Der kirchliche Dienst in der evangelischen Kirche ist gem. § 2 Abs. 1 EKD-RL auf die Bezeugung des Evangeliums „in Wort und Tat“ gerichtet. Dieser Auftrag ist der Ausgangspunkt für die Ausformung von Loyalitätsanforderungen für die Beauftragten.
bb) Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten die zu einer Kündigung berechtigen
(1) Bis zur Novellierung
Die Kodifizierung der Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung der in § 4 EKD-RL normierten Loyalitätsanforderungen ist an den Art. 5 GrOkathK a.F. angelehnt. § 5 EKD-RL a.F. differenzierte allerdings anders als die GrokathK nicht hinsichtlich der Konfession der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst.292
Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EKD-RL a.F. war allerdings nur die außerordentliche Kündigung ultima ratio. Die ordentliche Kündigung erschien demgegenüber als „anderes“ bzw. „vorletztes Mittel“.293 Hinsichtlich der besonders schwerwiegenden Verstöße fasste sich die evangelische Kirche deutlich kürzer als die katholische und bediente sich eines weitgehend unbestimmten Tatbestands. Bei einer außerordentlichen Kündigung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EKD-RL a.F. musste ferner eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Absolute Kündigungsgründe kannte die EKD-RL damit bereits vor ihrer Reformierung nicht.
Der Austritt aus der evangelischen Kirche rechtfertigte den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung (§ 5 Abs. 2 Var. 2 EKD-RL a.F.), die allenfalls durch einen Wiedereintritt verhindert werden konnte.294 Daneben kam eine außerordentliche Kündigung bei grober „Missachtung der evangelischen Kirche“ und damit verbundener „Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes“ in Betracht (§ 5 Abs. 2 Var. 2 EKD-RL a.F.). Zwar mochte eine Beeinträchtigung der kirchlichen Glaubwürdigkeit durch nachweisebare negative Auswirkungen für die evangelische Kirche objektivierbar gewesen sein295, jedoch war der Tatbestand im Übrigen kaum greifbar und führte zu Rechtsunsicherheiten.296
Die Ehe ist aus evangelischer Sicht kein Sakrament.297 Die zivilrechtlich wirksame Wiederheirat konnte nicht ohne Weiteres unter die Norm subsumiert werden, da die evangelische Kirche die Wiederheirat von Geschiedenen unter bestimmten Bedingungen anerkennt.298 Die Wiederheirat wird bspw. in § 7 Kirchengesetz über die Ordnung der Trauung in der Evangelischen Kirche von Westfalen299 nicht als absolutes Hindernis einer erneuten Eheschließung gewertet.300 Auch hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie der gleichgeschlechtlichen Ehe nimmt die evangelische Kirche mitunter eine wesentlich liberalere Haltung ein als die katholische Kirche.301 Einzelne Landeskirchen stellten die gleichgeschlechtliche Ehe homosexueller Paare der Trauung von Mann und Frau sogar bereits rechtlich als auch theologisch gleich.302 Demgemäß dürfte das Eingehen einer solchen Verbindung mithin nicht in allen Landeskirchen als pflichtwidriges Verhalten eingestuft werden können.
Soweit in § 5 Abs. 1 S. 1 EKD-RL bestimmt ist, dass der Anstellungsträger durch Beratung und Gespräch auf die Beseitigung des Anforderungsmangels des Mitarbeiters hinwirken „soll“, ist fraglich, ob es sich hierbei um eine zwingende Verfahrensvorschrift handelt, die sogar die Unwirksamkeit der getroffenen Maßnahme bewirken könnte.303 Wegen der „Soll“-Formulierung vertritt die Literatur überwiegend die Ansicht, das Unterlassen von Beratung und Gespräch habe keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme.304 Dafür spricht, dass die evangelische Kirche diese Formulierung in Kenntnis der katholischen Normierung wählte, die in der GrOkathK von 1993 das Wort „muß“ verwendete. Allerdings wird wegen der mit der Vorschrift verbundenen Rechtsunsicherheit die Durchführung eines Beratungsgesprächs vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung angeraten.305
(2) Auswirkungen der Novellierung vom 9. Dezember 2016
Auch nach der Novellierung ist die außerordentliche Kündigung als ultima ratio nur nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls möglich.
In dem überarbeiteten § 5 Abs. 2 EKD-RL wird der Kirchenaustritt als Kündigungsgrund restriktiver formuliert und insbesondere der Austritt zwecks Eintritts in eine andere Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland als Kündigungsgrund ausgenommen. Die Regelung erweist sich insoweit gegenüber der GrOkathK als großzügiger.
Die Überarbeitung des unbestimmten Tatbestands der groben Missachtung der evangelischen Kirche bringt wenig Klarheit mit sich. Mitarbeiter müssen wegen Verstoßes gegen die Pflichten aus § 4 EKD-RL unter Abwägung der Interessen im Einzelfall ebenfalls mit einer außerordentlichen Kündigung gem. § 5 Abs. 1 EKD-RL rechnen. Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte benennt die Regelung allerdings, anders als Art. 5 Abs. 3 GrOkathK, nicht.
Die Neufassung der Loyalitätsrichtlinie der EKD stellt unter § 5 Abs. 2 S. 3 EKD-RL schließlich die grobe Missachtung der evangelischen Kirche als Spezialfall der Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes heraus.
3. Zusammenfassung und Stellungnahme
Durch die Aufstellung von Loyalitätsanforderungen machten die Kirchen von ihrem verfassungsmäßigem Recht zur Ordnung ihrer eigenen Angelegenheiten Gebrauch.306 Die in der GrOkathK und der EKD-RL kodifizierten Loyalitätsanforderungen