Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD). Christian Warns
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Schließlich muss das Verhältnis zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und der Koalitionsfreiheit austariert werden. Der Koalitionsfreiheit kommt aufgrund von Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG eine unmittelbare Drittwirkung zu. Insoweit bindet sie auch die Kirche ohne weiteres unmittelbar als ein für alle geltendes Gesetz.203 Dennoch ist auch zwischen der Ordnung des kirchlichen Dienstes nach dem Selbstverständnis der Kirche und der Koalitionsfreiheit eine Abwägung unter Berücksichtigung der asymmetrischen Ausgangslage vorzunehmen.204 Insoweit wird auch hinsichtlich der Dienstvereinbarung das Verhältnis zu auf der Koalitionsfreiheit beruhenden Regelungsformen zu thematisieren und ein entsprechender Ausgleich nachzuweisen sein.
C. Zusammenfassung zur staatskirchenrechtlichen Grundlegung und Folgerungen für die weitere Untersuchung
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts hat zur Folge, dass die Kirche ein durch ihr Selbstverständnis geprägtes Mitarbeitervertretungsrecht regeln kann. Die kirchliche Gesetzgebung entfaltet grundsätzlich nicht nur innerkirchlich Wirkung, sondern wird darüber hinaus auch im staatlichen Bereich wirksam. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV verleiht dem kirchlichen Handeln im staatlichen Rechtskreis innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes diese Anerkennung. Berücksichtigung finden müssen aber die verfassungsrechtlich begründete Schutzverpflichtung des Staates gegenüber den Arbeitnehmern, die Individualrechte der Arbeitnehmer und die grundgesetzlich gesicherte Freiheit der Koalitionen.
Die weitere Untersuchung zum Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung wird durch diese Vorgaben vorstrukturiert. Ihnen lässt sich entnehmen, dass zunächst die Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsgesetzes durch den kirchlichen Gesetzgeber in den Blick zu nehmen und im Wege der Auslegung auf ihren Regelungsinhalt zu überprüfen ist. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben obliegt die Entscheidung über das Selbstverständnis allein dem zuständigen Organ der Kirche; für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht bedeutet dies, dass primär die Entscheidung des kirchlichen Gesetzgebers zu berücksichtigen ist.
Über die Schranke des für alle geltenden Gesetzes wirken schließlich verfassungsrechtliche Rechtspositionen in mehrfacher Hinsicht auf das kirchliche Recht ein. Sie stellen zum einen die äußere Schranke für die Geltung des kirchlichen Rechts im staatlichen Rechtskreis auf. So zieht das Verfassungsrecht dem Mitarbeitervertretungsgesetz insoweit Grenzen, als es verfassungsrechtlich verbürgte Gegenpositionen nicht beachtet. Zum anderen bedingt es die Verpflichtung des kirchlichen Gesetzgebers zur Rücksichtnahme auf andere Verfassungsgüter, sodass regelmäßig bereits bei der Auslegung des Kirchenrechts ein vom Gesetzgeber intendierter Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgüter zu beachten sein wird. Mit der Bestrebung, das Mitarbeitervertretungsrecht umfassend durch kirchliches Recht zu regeln, geht es schließlich einher, dass der kirchliche Gesetzgeber auch den an den Staat gerichteten Schutzverpflichtungen auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts ausreichend Rechnung tragen muss, will er einer ergänzenden Regelung durch den staatlichen Gesetzgeber zuvorkommen. Aus alledem folgt, dass die weitere Untersuchung sich zwar maßgeblich an der kirchengesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung zu orientieren hat, verfassungsrechtliche Erwägungen allerdings auch die kirchengesetzgeberische Entscheidung beeinflusst haben können.
Hiervon ist indessen abzugrenzen, dass der Rechtsanwender aufgrund zahlreicher Parallelen des Mitarbeitervertretungsrechts, des Betriebsverfassungsrechts und des Personalvertretungsrechts205 geneigt sein mag, unreflektiert Erkenntnisse zum staatlichen Recht unmittelbar auf das kirchliche Recht zu übertragen. Insofern ist zu beachten, dass der kirchliche Gesetzgeber gerade nicht gehindert ist, entsprechende Regelungen in einen anderen systematischen oder teleologischen Zusammenhang zu stellen. Die jeweilige Norm ist deshalb zunächst eigenständig und in Bezug auf ihren kirchenrechtlichen Kontext auszulegen. Eine Rechtsvergleichung kann erst zur Absicherung des gefundenen Ergebnisses herangezogen werden, wohingegen zugleich kritisch zu hinterfragen ist, ob ein vergleichbares Ergebnis tatsächlich auf entsprechenden Wertungen beruht. Die Parallelwertung im staatlichen Arbeitsrecht kann deshalb die eigene Würdigung des kirchlichen Rechts nicht ersetzen, sie aber durchaus ergänzen. Mit dieser gebotenen Vorsicht gegenüber einem Ergebnisabgleich ist es wiederum allerdings nicht zu verwechseln, dass hinsichtlich der Annäherung an Problemstellungen der prüfende Blick auf entsprechende Ansätze im staatlichen Recht durchaus ergiebig sein kann. Folglich ist ein Automatismus gleichlaufender Wertungen auszuschließen, die Orientierung am Diskurs zum staatlichen Recht jedoch nicht zu beanstanden.
47Insbesondere in der evangelischen Kirche waren zuvor enge Verschränkungen von Kirche und Staat zu beobachten. Ausführlicher zu diesem landesherrlichen Kirchenregiment (Summepiscopat) Munsonius, Evangelisches Kirchenrecht, § 3 III., IV.; de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 5 und § 6.
48Vgl. insoweit die Ausführungen der Abgeordneten im Verfassungsausschuss, abgedruckt in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 19. Sitzung vom 1.4.1919 und 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 188 ff.
49So insbesondere der Abgeordnete Meerfeld (SPD), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 19. Sitzung vom 1.4.1919, S. 188 f.
50So der Abgeordnete Cohn (USPD), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 202, der eine Regelung des Mitgliedschaftsrechts im Sinne einer Gleichstellung aller Mitglieder in einer Religionsgesellschaft forderte.
51Zur Diskussion vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 19. Sitzung vom 1.4.1919 und 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 195 ff.
52So Naumann (DDP), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 197.
53So Quarck (SPD), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 199.
54So Mausbach (Zentrum), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 19. Sitzung vom 1.4.1919, S. 191 f.: „Ich möchte dabei erinnern an die vielen sozialen Aufgaben, die von diesen religiösen Gesellschaften erfüllt worden sind und weiterhin erfüllt werden. […] Es muß doch auch berücksichtigt werden, daß die sog. Vorrechte der Kirchen durch große sittliche und soziale Leistungen im Volksleben aufgewogen werden.“; Katzenstein (SPD), in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Aktenstück Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses, 20. Sitzung vom 2.4.1919, S. 201: „Es entsteht