Strafrecht Besonderer Teil. Группа авторов
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162(2) Sittenwidrigkeit: In den oben genannten BGH-Urteilen finden sich nicht nur grundlegende Ausführungen zur Einwilligungsfähigkeit lebensgefährlicher Körperverletzungen. Der 3. und der 2. Strafsenat haben sich auch allgemein zum Begriff der Sittenwidrigkeit geäußert. Das StGB knüpfe mit diesem »die Rechtsfolgen der Einwilligung an außerrechtliche, ethisch-moralische Kategorien. Die Prüfung der Rechtfertigung der Körperverletzungstat durch die Einwilligung des Geschädigten ist daher in diesem Punkt weniger ein Akt normativ-wertender Gesetzesauslegung als vielmehr ein solcher empirischer Feststellung bestehender Moralüberzeugungen. Der Begriff der guten Sitten ist für sich gesehen allerdings konturenlos. Wird er als strafbegründendes Element in das Strafrecht integriert, gerät er in Konflikt mit dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot (Art 103 Abs. 2GG). [Daher] muss der Begriff der guten Sitten auf seinen Kern beschränkt werden. Nur dann ist dem Gebot der Vorhersehbarkeit staatlichen Strafens genügt. Dies bedeutet, dass ein Verstoß der Körperverletzungstat gegen die guten Sitten nur angenommen werden kann, wenn sie nach allgemein gültigen moralischen Maßstäben, die vernünftigerweise nicht in Frage gestellt werden können, mit dem eindeutigen Makel der Sittenwidrigkeit behaftet ist […]. In diesem Sinne ist eine Körperverletzung trotz Einwilligung des Geschädigten nach der allgemein gebrauchten Umschreibung dann sittenwidrig, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt […]. Ein Verstoß gegen die Wertvorstellungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen oder des mit der Tat befassten Strafgerichts genügt daher nicht.«[274] Diese Wertungen spitzt der BGH dann in einer kurz darauf folgenden zweiten Entscheidung weiter zu: »Für das Sittenwidrigkeitsurteil i.S.d. § 228 StGB ist demnach grundsätzlich auf Art und Gewicht des Körperverletzungserfolgs |77|und den Grad der möglichen Lebensgefahr abzustellen, weil generalpräventiv-fürsorgliche Eingriffe des Staates in die Dispositionsbefugnis des Rechtsgutsinhabers nur im Bereich gravierender Verletzungen zu legitimieren sind […].«[275]
163Das bedeutete bezogen auf die konkreten, oben geschilderten Sachverhalte, über die die beiden BGH-Strafsenate zu entscheiden hatten, dass weder der Konsum illegaler Drogen, noch sadomasochistische Sexualpraktiken für sich genommen eine Rechtfertigung gem. § 228 StGB ausschließen. In Hinblick auf beide Phänomene gäbe es keine einheitliche gesellschaftliche Haltung, ein eindeutiges Sittenwidrigkeitsurteil sei nicht möglich.[276]
164Mit dieser Haltung nähert sich der BGH stark der in der Literatur vertretenen Meinung an, nach der es für die Sittenwidrigkeit ausschließlich auf die Intensität der Gefährdung ankommen soll und nicht auf schwer zu bestimmende moralische Vorstellungen der Bevölkerungsmehrheit.[277]
165Der dritte Strafsenat hat auf dieser Grundlage das Merkmal der Sittenwidrigkeit weiter systematisiert: »Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann, wie dies etwa in Fällen des ärztlichen Heileingriffs angenommen wird […] oder auch bei Kampfsportarten der Fall ist, die direkt auf die körperliche Misshandlung des Gegners ausgelegt sind und bei denen die ausgetragenen Kämpfe zu schwersten Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen, ja selbst zum Tod der Kontrahenten führen können […]. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie hingegen nicht herangezogen werden.«[278] Mit Verweis auf die »billig und gerecht Denkenden« kann also heute nur die Wirksamkeit einer Einwilligung (und damit die Straflosigkeit) und nicht deren Unwirksamkeit (und damit die Strafbarkeit) begründet werden.
166(3) Exkurs: Ärztliche Heileingriffe: Eines der Hauptanwendungsfelder des § 228 StGB sind in der Praxis die ärztlichen Heileingriffe. Ungeachtet der in der Literatur bestehenden Kritik werden diese von der Rechtsprechung als tatbestandsmäßige Körperverletzungen angesehen.[279] Gegen diese Position wird u.a. eingewandt, dass der soziale Sinngehalt einer ärztlichen Heilbehandlung das Gegenteil einer Körperverletzung sei. Sie diene nicht dazu, den Körper zu schädigen, sondern Schäden zu beheben. Es bedürfe daher bei aus ärztlicher |78|Sicht erforderlichen und kunstgerecht ausführten Eingriffen bereits eines Ausschlusses auf Tatbestandsebene.[280] Die Rechtsprechung führt dagegen mit guten Gründen den Gedanken ins Feld, dass man ärztliche Heileingriffe nicht anhand ihrer objektiven Geeignetheit zur Heilung als rechtlich unbedenklich einstufen könne. Entscheidend sei vielmehr der Wille des Patienten: »Das in Art 2 Abs. 2 Satz 1GG gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit fordert auch bei einem Menschen Berücksichtigung, der es ablehnt, seine körperliche Unversehrtheit selbst dann preiszugeben, wenn er dadurch von einem lebensgefährlichen Leiden befreit wird. Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein sollte, seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden. Diese Richtlinie ist auch für den Arzt verbindlich. Zwar ist es sein vornehmstes Recht und seine wesentlichste Pflicht, den kranken Menschen nach Möglichkeit von seinem Leiden zu heilen. Dieses Recht und diese Pflicht finden aber in dem grundsätzlichen freien Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seinen Körper ihre Grenze. Es wäre ein rechtswidriger Eingriff in die Freiheit und Würde der menschlichen Persönlichkeit, wenn ein Arzt – und sei es auch aus medizinisch berechtigten Gründen – eigenmächtig und selbstherrlich eine folgenschwere Operation bei einem Kranken, dessen Meinung rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne dessen vorherige Billigung vornähme. Denn ein selbst lebensgefährlich Kranker kann triftige und sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er durch sie und nur durch sie von seinem Leiden befreit werden könnte […].«[281] Demnach ist ein ärztlicher Eingriff nach Ansicht der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann keine Körperverletzung, wenn er vom Willen des Patienten gedeckt ist.[282] Die Frage der Einwilligung ist jedoch gem. § 228 StGB erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu prüfen.