Neue Theorien des Rechts. Группа авторов
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ders., Schurken. Zwei Essays über die Vernunft (2003), Frankfurt am Main 2006.
ders./Caputo, John D., Deconstruction in a nutshell: a conversation with Jacques Derrida, New York 1997.
|46|ders./Kittler, Friedrich, Nietzsche – Politik des Eigennamens. Wie man abschafft, wovon man spricht (1984), Berlin 2000.
Culler, Jonathan, Dekonstruktion (1982), Reinbek 1988.
Luhmann, Niklas, Dekonstruktion als Beobachtung zweiter Ordnung, in: ders., Aufsätze und Reden, Stuttgart 2001.
Teubner, Gunther, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, in: Joerges, Christian/Teubner, Gunther (Hrsg.), Rechtsverfassungsrecht. Recht-Fertigung zwischen Privatrechtsdogmatik und Gesellschaftstheorie, Baden-Baden 2003, 25–45.
Wilke, Christiane, Enter Ghost: Haunted Courts and Haunting Judgments in Transitional Justice, Law Critique 21, 2010, 73–92.
|47|SystemtheorieSystemtheorie des Rechts: Teubner und Luhmann
Kolja Möller
Die SystemtheorieSystemtheorie des Rechts knüpft an Erkenntnisse der Soziologie zur funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft an. Der Ausgangspunkt besteht darin, dass sich Gesellschaften in einem andauernden Evolutionsprozess befinden. Er ist von der Ausdifferenzierung unterschiedlicher Teilsysteme – wie Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und auch Recht – gekennzeichnet, die ihre KommunikationKommunikation selbstreferentiell schließen und sich auf je eigene Funktionen spezialisieren: »Ein System kann man als selbstreferentiell bezeichnen, wenn es die Elemente, aus denen es besteht, als Funktionseinheiten selbst konstituiert und in allen Beziehungen zwischen diesen Elementen eine Verweisung auf diese Selbstkonstitution mitlaufen lässt, auf diese Weise die Selbstkonstitution also laufend reproduziert«[176]. Demnach wird auch Recht als ein sich selbst konstituierendes Sozialsystem verstanden. Es verkettet Kommunikationen, die sich am Code Recht/UnrechtUnrecht orientieren, und verweist alle anderen Kommunikationen in seine soziale Umwelt.
Die Grundlagen für die SystemtheorieSystemtheorie des Rechts haben vor allem der Soziologe Niklas LuhmannLuhmann, Niklas und der Rechtstheoretiker Gunther TeubnerTeubner, Gunther ausgearbeitet[177]. Beide verbinden auf je eigene Weise schon bestehende Erkenntnisse der Soziologie zur Bildung sozialer Systeme mit dem Wissensstand der Evolutionsforschung und der Kybernetik. Niklas LuhmannLuhmann, Niklass und Gunther TeubnerTeubner, Gunthers Arbeiten sind zwischenzeitlich zu einschlägigen Bezugspunkten avanciert. Dies gilt für die Diskussionen um die Europäisierung und TransnationalisierungTransnationalisierung des Rechts, um die Krise und die Zukunft des Wirtschaftsrechts, um die Politik des Rechts genauso wie für die Herausforderungen, die sich im Zuge der Post- und Dekolonialisierung stellen[178]. Stets bestehen die systemtheoretischen Forschungsarbeiten darauf, |48|dass erst die Annahme einer funktionalen Differenzierung in der Lage ist, rechtliche Entwicklungen aufzuklären und ihre Kritik anzuleiten.
Im Folgenden soll zunächst skizziert werden, wie die funktionale Differenzierung des Rechts zu verstehen ist (I.). Sodann wird vertiefend nachgezeichnet, welche Impulse die SystemtheorieSystemtheorie des Rechts seit den 1980er Jahren im Hinblick auf die jeweiligen rechtspolitischen und rechtstheoretischen Herausforderungen gegeben hat (II.). Dabei tritt hervor, wie die systemtheoretischen Grundlagen für die Analyse und Kritik des Rechts fruchtbar gemacht wurden (II.1.- II.2.) – bis hin zu aktuellen Suchbewegungen nach einer Kritischen Systemtheorie (II.3.), die das Verhältnis von Recht und Gesellschaft einer nochmaligen Betrachtung unterziehen.
A. Funktionale Differenzierung des Rechts
I. Recht und soziale Evolution
Die SystemtheorieSystemtheorie begreift die Ausdifferenzierung des Rechts als Teil eines breiteren Evolutionsprozesses. Gesellschaften, so die Annahme, entwickeln sich nicht zweckgerichtet und planbar. Eher ist zu beobachten, wie sich untergründig und teils ungeordnet-anarchisch evolutionäre Mechanismen herausbilden, die die jeweiligen Kommunikationsverhältnisse organisieren[179]. Ein besonderer Fall sind soziale Systeme. Dort verketten sich Kommunikationen in einem selbstreferentiellen Zirkel immer wieder aufs Neue, bis sie »im Selbstvollzug« zu Systemen gerinnen[180]. Dies gilt auch für das Recht. Nicht die politische KommunikationKommunikation, die wirtschaftliche Kommunikation oder die wissenschaftliche Kommunikation sind der Grund des Rechts. Es ist das Recht selbst, »das seine eigenen Grenzen im Verhältnis zur Umwelt erzeugt« und sich von allen anderen Kommunikationsverhältnissen abgrenzt[181]. Das Recht selbst produziert »alle Unterscheidungen und |49|Bezeichnungen, die es verwendet«, so dass sich die »Einheit des Rechts« als »Faktum der Selbstproduktion, der ›AutopoiesisAutopoiesis‹« darstellt[182].
Die grundlegende Einheit, die die SystemtheorieSystemtheorie des Rechts beobachtet, ist KommunikationKommunikation. Sie wird als Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen fassbar[183]. Die Systemtheorie analysiert mit diesem Zugriff die Stabilität und den Wandel der juridischen Kommunikationsverhältnisse. Diese Umstellung der Analyseperspektive auf Kommunikation erstreckt sich bis auf den »Menschen«, der ja in vielen Fällen Gegenstand juridischer Kommunikation ist. Vom Standpunkt der Systemtheorie dient die verallgemeinernde Rede vom »Menschen«, um einen Ort zu kennzeichnen, an dem unterschiedliche Kommunikationen affektiv-psychischer, körperlicher und sozialer Provenienz zusammenspielen. Die vermeintliche Einheit des Subjekts täuscht darüber hinweg, dass es stets »Kommunikationszusammenhänge« sind, die »Menschen bezeichnen«[184]. Die Differenzierung der Kommunikationsverhältnisse zerlegt das Subjekt in unterschiedliche Kontexte. Denn die jeweiligen Systeme erkennen nur spezifische Personenrollen in ihren Kommunikationskreisläufen an. Menschen sind Marktteilnehmer_innen, Käufer_innen, Verbraucher_innen, Gesunde, Kranke oder Wähler_innen, die jeweils nur hinsichtlich ihrer Inklusion in ein gesellschaftliches Subsystem zu Personen werden. Das Subjekt ist nur sinnvoll als Knotenpunkt unterschiedlicher Personenrollen zu erschließen. Dementsprechend ist auch das Rechtssubjekt der Effekt einer kommunikativen Bezeichnung des Rechts und keine vorausliegende Einheit. Dies bedeutet nicht, dass die Systemtheorie inhuman verfährt, wenn sie solche Einheitsfiktionen freilegt. Im Gegenteil versucht sie, den jeweiligen gesellschaftlichen Phänomenen tatsächlich auf den Grund zu gehen und sie möglichst angemessen zu rekonstruieren.
Nun hat zwar schon immer KommunikationKommunikation über Regeln, Normen oder Gesetze stattgefunden, doch der entscheidende Schritt zur Systembildung, der die rechtlichen Operationen selbstständig aus dem »Netzwerk eigener Operationen« heraus generiert, tritt erst im Übergang zur modernen Gesellschaft ein[185]. In einem langen Prozess, der mit der Entdeckung römischer Rechtsquellen im 12. und 13. Jahrhundert beginnt, entwickelt sich ein juridischer Spezialdiskurs, der das Recht von allen anderen sozialen Sphären abgrenzt[186]. Das Recht gewinnt |50|schrittweise an Eigenständigkeit: Im Recht gelten nur noch Rechtsbegriffe, Gerichte und Rechtsgelehrte werden damit betraut, das Recht anzuwenden und es fortzuentwickeln. So schließt sich das Rechtssystem und grenzt sich von seinen sozialen Umwelten ab. Unter den »sozialen Umwelten« versteht die SystemtheorieSystemtheorie nichts Vorgängiges oder Wesenhaftes. Die Umwelt bleibt ein »systemrelativer Sachverhalt«: »Jedes System nimmt nur sich aus seiner Umwelt aus. Daher ist die Umwelt eines jeden Systems eine verschiedene. Die Umwelt ist nur ein Negativkorrelat des Systems«[187]. An dieser Stelle zeigt sich die Radikalität der Selbstreferenz, denn erst die Systembildung bringt die Unterscheidung zwischen System und Umwelt hervor. Wer Anschluss im Recht finden will, muss sich auf diesen Typ der kommunikativen Selbstreferenz einlassen. Politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Kommunikation kann jedenfalls nicht vollkommen unvermittelt auf das Rechtssystem zugreifen, sondern muss in juridische Grammatik überführt werden, um dort anschlussfähig zu sein.
Gunther TeubnerTeubner,