Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher

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Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht - Thomas Rauscher Schwerpunkte Klausurenkurs

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nachdem Frieda 2008 die italienische Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben hat. Jedoch hat Frieda hierdurch die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StAG verloren, weil dieser Verlusttatbestand nicht eintritt, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats erwirbt (§ 25 Abs. 1 S. 2 StAG in der seit 28.8.2007, also bereits beim Antragserwerb, geltenden Fassung). Fraglich könnte sein, ob die deutsche Staatsangehörigkeit der Frieda nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB vorgeht; dies ist im Anwendungsbereich von EG/EU-Verordnungen zu verneinen; jedenfalls bei Doppelstaatern mit zwei mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeiten sind diese auch für Zwecke der kollisionsrechtlichen Anknüpfung als gleichwertig zu betrachten.[10] Damit besitzen die Ehegatten iSd. Art. 8 lit. c Rom III-VO gemeinsam die italienische Staatsangehörigkeit.

      f) Sachnormverweisung

      156

      Die Verweisung in italienisches Recht ist Sachnormverweisung auf das materielle Scheidungsrecht (Art. 11 Abs. 1 Rom III-VO).

      2. Italienisches Ehescheidungsrecht

      a) Scheidung bei Aufhebbarkeit nach Scheidungsstatut

      157

      Fraglich ist schon, ob nach italienischem Recht die Ehe geschieden werden kann, weil sie (Rn 149) aus italienischer Sicht noch immer als bigamisch und daher aufhebbar anzusehen ist. Aus Art. 117 Abs. 1 cc (MAT g) ergibt sich aber, dass die Ehe deshalb nicht nichtig, sondern vorbehaltlich eines Aufhebungsurteils wirksam ist. Eine Aufhebung ist aber nicht erfolgt und dem beim AG Köpenick anhängigen Aufhebungsantrag kann (soeben Rn 150) nicht stattgegeben werden.

      158

      Anders als im Fall der (oft auf Formmängel beruhenden) hinkenden Nichtehe lässt sich auch nicht sagen, dass es widersprüchlich wäre, die Scheidung einem Recht zu unterstellen, welches die Ehe für mangelhaft hält. Das italienische Recht betrachtet die Ehe ja gleichwohl als wirksam; eine aufhebbare Ehe kann aber, solange sie nicht aufgehoben ist, durchaus geschieden werden. Würde einer der Ehegatten (in Italien) einen Antrag nach Art. 117 Abs. 1 cc (MAT h) stellen, müsste sich das Gericht sogar mit dem in jeder zivilisierten Rechtsordnung beachtlichen Einwand des Rechtsmissbrauchs (Berufung auf einen bei Eheschließung beiden Ehegatten bekannten Mangel nach über 30 Jahren) auseinandersetzen.

      b) Zerrüttungsscheidung nur bei gerichtlicher Trennung

      159

      Einzig in Betracht kommender Ehescheidungsgrund ist Art. 3 Abs. 2 lit. b des italienischen Scheidungsgesetzes (MAT i). Dieser Scheidungsgrund setzt nach dem klaren Wortlaut eine gerichtliche oder gerichtlich bestätigte Ehetrennung und nachfolgend 1-jähriges bzw 6-monatiges Getrenntleben voraus. Das ist nicht gegeben, da ein Ausspruch oder eine gerichtliche Bestätigung einer Trennung nicht stattgefunden hat. Faktische Trennung genügte nur übergangsweise bei Inkrafttreten des Scheidungsgesetzes. Danach wäre der Scheidungsantrag als unbegründet abzuweisen.

      3. Deutsche lex fori als „regelwidriges“ Scheidungsstatut

      160

      161

      

      Somit ist der Scheidungsantrag ausschließlich nach italienischem Recht zu beurteilen und damit unbegründet. In Betracht kommt eine Antragsänderung (§ 263 ZPO) zu einem Antrag auf gerichtliche Ehetrennung nach italienischem Recht, über den dann ebenso zu entscheiden wäre wie nachfolgend Rn 180 ff. Eine divorzio breve, also eine Ehescheidung im Verfahren der anwaltlich unterstützen außergerichtlichen Ehescheidung, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Form der Ehescheidung nur einvernehmlich möglich ist (MAT k) und Marcello nicht geschieden werden will.

      Ergebnis:

      162

      Die Ehe kann derzeit nach dem maßgeblichen italienischen Scheidungsstatut im gerichtlichen Verfahren nicht geschieden werden.

      Frage 2: (Abwandlung 1): Gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten in Locarno

      1. Brüssel IIa-VO: Vorrang gegenüber lex fori

      163

      

      Die Abwandlung in Frage 2 betrifft nur die internationale Zuständigkeit.

      a) Fehlende Zuständigkeit nach Art. 3 Brüssel IIa-VO

      164

      Wie im Ausgangsfall beurteilt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ausschließlich nach der Brüssel IIa-VO, denn der Antragsgegner ist Italiener (Art. 6 lit. b Brüssel IIa-VO). Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich damit nur aus Art. 3 Brüssel IIa-VO ergeben.

      Art. 3 Brüssel IIa-VO kennt jedoch keine Zuständigkeit, die alleine an die Staatsangehörigkeit des Antragstellers anknüpft. Weder haben die Ehegatten beide eine deutsche Staatsangehörigkeit (Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO) noch ist die deutsche Staatsangehörigkeit der Frieda durch einen 6-monatigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstärkt (Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 6 Brüssel IIa-VO).

      b) Lex fori bei Zuständigkeit in keinem Mitgliedstaat

      165

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