Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
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Damit ist die Rechtswahl wirksam und italienisches Recht Scheidungsstatut.
3. Materiell aussichtsreicher Antrag
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Damit ist aber ein Scheidungsantrag nicht aussichtsreich, weil (Rn 157) ohne gerichtliche Ehetrennung kein Scheidungsgrund nach materiellem italienischem Recht vorliegt. Eine einvernehmlich anwaltlich vermittelte Scheidung kommt nicht in Betracht, da Marcello der Ehescheidung nicht zustimmen will. Der Rechtsanwalt kann also nur ein Ehetrennungsverfahren (separazione personale) erwägen, um nach Fristablauf in einem neuen Verfahren eine Scheidung nach italienischem Recht (MAT i) zu beantragen.
4. Internationale Zuständigkeit für Ehetrennung
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Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein Ehetrennungsverfahren ist wiederum nach Art. 3 ff Brüssel IIa-VO zu beurteilen. Sachlich erfasst die VO (Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO) auch Ehetrennungsverfahren ohne Auflösung des Ehebandes. Die Zuständigkeiten sind wiederum ausschließlich, denn der Antragsgegner Marcello ist Italiener und hat gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 6 lit. a und b Brüssel IIa-VO). Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1 Brüssel IIa-VO im gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsstaat. Nach der örtlichen Zuständigkeit ist nicht gefragt.
5. Ehetrennung vor deutschen Gerichten
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Fraglich ist, ob einem Verfahren vor deutschen (Familien-)Gerichten der Umstand entgegensteht, dass das deutsche Recht eine Ehetrennung ohne Auflösung des Ehebandes nicht (mehr) kennt. Eine solche ablehnende Haltung konnte die deutsche Rechtsprechung zu einer Zeit einnehmen, in der selten Ausländer in Deutschland lebten und die Heimatzuständigkeit in Statussachen ohnehin das überragende Zuständigkeitsprinzip war. Angesichts großer Zahlen von in Deutschland lebenden Ausländern muss das deutsche Verfahrensrecht, soweit dies ohne tiefgreifende Verwerfungen zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht möglich ist, Statusverfahren fremden Rechts durchführen. Eine Ehetrennung ist, abgesehen von der schwächeren Rechtsfolge, einer Ehescheidung nicht unähnlich. Sie lässt sich im Verfahren der §§ 121 ff FamFG ohne Weiteres bewältigen.[13] Erst recht muss das nach Inkrafttreten der Brüssel II-VO, der die Brüssel IIa-VO nachfolgt, gelten; es erschwert in einem vereinheitlichten Zuständigkeitssystem den Rechtsverkehr erheblich und könnte sogar zu Rechtsverweigerung führen, wenn im Aufenthaltsstaat eine nach Heimatrecht erforderliche Ehetrennung nicht durchgeführt würde. Die Ehegatten auf die Rechtssuche im Heimatstaat zu verweisen, wäre einigermaßen hinderlich für die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit.
6. Ehetrennungsstatut
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Festzustellen ist damit das anwendbare Recht. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO gilt diese nicht nur für die Anknüpfung der Ehescheidung, sondern ausdrücklich auch für die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, was insbesondere die gerichtliche Trennung und die gerichtlich bestätigte Trennung umfasst.
Fraglich könnte allerdings sein, ob die ehevertragliche Rechtswahl des „für die Scheidung unserer Ehe“ vereinbarten italienischen Rechts auch für das Ehetrennungsstatut gilt. Dies ist eine Frage der Auslegung der Rechtswahl; würde man sie dem Wortlaut entsprechend eng auslegen, so hätten die Ehegatten italienisches Recht als Scheidungsstatut gewählt; die damit heraufbeschworene Notwendigkeit einer gerichtlichen Ehetrennung wäre jedoch abhängig von einer anderen Rechtsordnung (hier deutschem Recht nach Art. 8 lit. a Rom III-VO), das eine gerichtliche Ehetrennung nicht ermöglicht. Einen solchen Widerspruch wird man schwerlich den Ehegatten unterstellen können, so dass mit der Wahl des Scheidungsstatuts auch das Ehetrennungsstatut gewählt wurde. Die Formbedürftigkeit der Vereinbarung steht einer Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen.
7. Ehetrennung im italienischen Recht
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Auch nach materiellem italienischem Recht ist der Antrag auf gerichtliche Trennung aussichtsreich; für die Antragstellerin Frieda ist die jahrelange Untreue von Marcello ein Umstand, der iSd Art. 151 cc (MAT m) die Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar macht.
Ergebnis:
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Ein Ehescheidungsantrag kommt nach dem als Scheidungsstatut wirksam gewählten italienischen Recht nicht in Betracht. Deutsche Gerichte sind jedoch für einen Ehetrennungsantrag nach italienischem Recht international zuständig; der Ehetrennungsantrag ist auch begründet.
Anmerkungen
EuGH Rs. C-68/07 ECLI:EU:C:2007:740 (Sundelind Lopez/Lopez Lizazo); zum Streitstand: Rauscher/Rauscher (2015) Art. 6 Brüssel IIa-VO Rn 6 f; Hau FamRZ 2000, 1333, 1340 ff.
Zum Streitstand: Staudinger/Spellenberg Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen (2015) Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn 42 f; Rauscher/Rauscher (2015) Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn 45 f.
BGH IPRspr 1996 Nr 65.
Jayme/Hausmann19 Nr 30 Fn 1; zum Anwendungsbereich OLG Hamm FamRZ 2007, 656.
BVerfGE 31, 58.
BGH NJW 1997, 2114.
Erst seit Inkrafttreten des FamFG ergeht die Scheidung durch Scheidungsbeschluss.
Vgl BVerfGE 31, 58, 81.
Praktiziert wurde der „Tondern-Trick“ deshalb, weil geschiedenen Ausländern aus Staaten, die