Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher

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Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht - Thomas Rauscher Schwerpunkte Klausurenkurs

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zumisst. In diesem Fall ist in der Tat nach verbreiteter Ansicht Art. 6 Brüssel IIa-VO teleologisch zu beschränken oder der Rechtsgedanke des Art. 7 Brüssel IIa-VO greift auch gegen die Ausschließlichkeit nach Art. 6 Brüssel IIa-VO durch.[12]

      c) Vorliegen der Ausnahme

      166

      Die Voraussetzungen für diese Ausnahme von Art. 6 Brüssel IIa-VO liegen vor: Hätten die Ehegatten wie im Ausgangsfall eine gemeinsame italienische Staatsangehörigkeit, so ergäbe sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO die internationale Zuständigkeit italienischer Gerichte. Mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit in der Abwandlung 1 führen hingegen alle Zuständigkeitsanknüpfungen des Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO in einen Staat, in dem beide oder ein Ehegatte gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe hatten. Alle Varianten weisen damit in die Schweiz, die kein Mitgliedstaat ist und daher auch nicht nach der Brüssel IIa-VO zuständig sein kann.

      d) Internationale Zuständigkeit nach § 98 FamFG

      167

      Folgt man der hM im Schrifttum, so ist damit vorliegend Art. 6 Brüssel IIa-VO verdrängt und der Rückgriff auf § 98 Abs. 1 Nr 1 FamFG möglich. Deutsche Gerichte sind zuständig, weil Frieda Deutsche ist.

      2. Örtliche Zuständigkeit

      168

      Friedas Anwalt wird also Scheidungsantrag bei einem örtlich zuständigen deutschen Familiengericht stellen. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 122 Nr 6 FamFG, da kein Ehegatte im Inland gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zuständig ist das AG – FamG – Schöneberg in Berlin.

      3. Vorabentscheidungsersuchen zum EuGH

      169

      Fraglich ist, ob das AG Schöneberg die Auslegungsfrage zu Art. 6, 7 Brüssel IIa-VO nachhaltig klären kann.

      a) Kein Vorlagezwang

      170

      Das Gericht kann sich auf den Standpunkt stellen, die Auslegung des Art. 7 Brüssel IIa-VO sei zweifelsfrei, die Bestimmung verdränge auch Art. 6 Brüssel IIa-VO und kann dann im Sinn der hM entscheiden.

      b) Vorabentscheidungsersuchen bei Zweifel

      171

      Da der herrschend vertretenen Auslegung freilich partiell widersprechende Wortlaute von Art. 6 und Art. 7 Brüssel IIa-VO zugrunde liegen, ist ein fakultatives Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH (Art. 267 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 AEUV) zu erwägen. Erst recht wäre ein solches Verfahren zu erwägen, wenn das Gericht sich gegen die hM stellen will, weil das Argument, die Auslegungsfrage sei klar, dann kaum verfängt.

      c) Vorlagebefugnis

      172

      Hierzu müsste das Gericht vorlagebefugt sein. Für die EG-/EU-Verordnungen zum Internationalen Verfahrensrecht gelten, anders als für das frühere EuGVÜ, die Rechtsbehelfe des Europarechts unmittelbar. Art. 267 AEUV ist also anwendbar.

      Eine Einschränkung der Vorlagebefugnis, wie sie Art. 68 EGV für die auf Art. 65 ff EGV gestützten Rechtsakte vorsah, enthält der AEUV (seit der Fassung von Lissabon) nicht mehr. Das FamG, gegen dessen Entscheidung immer die Beschwerde (§ 58 Abs. 1 FamFG) stattfindet, ist allerdings nicht verpflichtet, die Frage dem EuGH vorzulegen; eine Verpflichtung besteht nur für Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit innerstaatlichen Rechtsmitteln anfechtbar sind (Art. 267 Abs. 3 AEUV).

      Ergebnis:

      173

      Das AG Schöneberg – FamG – hat die Wahl, die Auslegung selbst vorzunehmen und die abschließende Klärung dem Instanzenzug zu überlassen oder die Auslegungsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

      Frage 3: (Abwandlung 2): Beide Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland

      1. Keine Eheaufhebung

      174

      Da beide Ehegatten in dieser Variante in erster Ehe verheiratet sind, geht es nicht um Fragen der Eheaufhebung.

      2. Ehescheidungsstatut

      a) Zulässigkeit der Rechtswahl

      175

      Bevor Überlegungen zur internationalen Zuständigkeit angestellt werden können, ist (Anwaltsfrage) zunächst zu erwägen, welcher Antrag nach dem anwendbaren Recht aussichtsreich wäre.

      176

      

      Auf den im Januar 2018 zu stellenden Antrag sind wie im Ausgangsfall die Kollisionsnormen der Rom III-VO anzuwenden (Rn 151).Vorrangig ist nach Art. 5 Rom III-VO eine Rechtswahl zu prüfen. Das italienische Recht gehört gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO zu den für die Ehegatten wählbaren Rechten; es genügt, dass ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtswahl Italiener ist.

      Fraglich ist, ob die vor Geltung der Rom III-VO (ab dem 21.6.2012) getroffene Rechtswahl zulässig ist; dies ist gemäß Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 Rom III-VO zu bejahen, sofern die Voraussetzungen der Art. 6, 7 Rom III-VO vorliegen. Zustandekommen und Wirksamkeit der Vereinbarung bestimmen sich gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO nach italienischem Recht als dem gewählten Recht; wie der Vergleich von Art. 6 Rom III-VO mit dem nahezu wortgleichen Art. 10 Rom I-VO zeigt, bedeutet dies keine Verweisung hinsichtlich der Zulässigkeit; diese folgt aus Art. 18 iVm Art. 5 Rom III-VO. Vielmehr geht es hier nur um Fragen der materiellen Einigung (Schweigen, AGB, Stellvertretung); solche stellen sich bei der ausdrücklichen ehevertraglichen Regelung nicht.

      b) Form der Rechtswahl

      177

      Die Formgültigkeit der Rechtswahl unterliegt Art. 7 Rom III-VO; das Mindesterfordernis der Schriftform, der Unterschrift beider Ehegatten und der Datierung ist durch einen vor einem deutschen Notar geschlossenen Ehevertrag gewahrt. Jedoch sind bei gewöhnlichem Aufenthalt im selben teilnehmenden Mitgliedstaat zusätzlich Formvorschriften im Recht dieses Mitgliedstaates zu wahren (Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO). Da Deutschland, gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten, teilnehmender Mitgliedstaat ist, bedarf die Rechtswahl gemäß Art. 46d Abs. 2 EGBGB der notariellen Beurkundung. Fraglich könnte sein, ob diese Bestimmung, die als Ausführungsregelung zur Rom III-VO verspätet in Kraft getreten ist, auf eine vor ihrem Inkrafttreten geschlossene Rechtswahl anzuwenden ist, oder ob, was höchst misslich wäre, für eine Zwischenphase die Form des Art. 7 Rom III-VO genügt. Dies kann hier dahinstehen. Zwar unterscheidet das BGB zwischen der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB) und der Form des Ehevertrages (§ 1410 BGB). Nach

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