Strafrecht Besonderer Teil. Olaf Hohmann
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Beachte:
Derart negativ besetzte Motive tragen die Annahme niedriger Beweggründe zwar oft, aber nicht notwendig. Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem gesonderten Prüfungsschritt festzustellen, ob sie ihrerseits auf einer niedrigen Einstellung des Täters beruhen[167] oder es sich ausnahmsweise in der konkreten Tatsituation um eine menschlich verständliche Reaktion handelt,[168] die Tat beispielsweise aus tiefer Verzweiflung und innerer Ausweglosigkeit heraus oder als Reaktion auf eine erhebliche Beleidigung oder Drohung begangen wurde.
Beispiele:
A ist von B verlassen worden. Er ist darüber so verzweifelt, dass er sie erschießt und sich anschließend durch einen Schuss in den Kopf selbst schwere Verletzungen zufügt.[169]
C ersticht D, nachdem diese ihm mit der Begründung, er „sei ohnehin impotent“, ihre Absicht mitgeteilt hat, sich von ihm zu trennen.[170]
E tötet F mittels einer Morphininjektion, weil dieser ihr gedroht hatte, dafür zu sorgen, dass sie ihre „gesamte berufliche, wirtschaftliche und soziale Existenz“ verliert.[171]
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Vergleichbares gilt auch bei einer Tatbegehung aus sog. politischen Gründen.[172] Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung wird allerdings die Erwägung von ausschlaggebender Bedeutung sein, dass in einer Demokratie (auch) politische Konflikte – jenseits eines sich aus Art. 20 Abs. 4 GG ergebenden Widerstandsrechts – grundsätzlich gewaltfrei auszutragen sind.[173] Aus niedrigen Beweggründen handelt jedenfalls, wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung Unbeteiligte tötet.[174] Dasselbe gilt dann, wenn das Opfer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer politischen, sozialen oder ethnischen Gruppe quasi als deren „Repräsentant“ getötet wird.[175]
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Ähnlich den auf die objektiven Merkmale bezogenen subjektiven Anforderungen (vgl. Rn. 53 f.) müssen dem Täter die Umstände bewusst sein, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen.[176] Dies bedarf namentlich bei Spontantaten genauerer Prüfung.[177] An der genannten Voraussetzung kann es etwa fehlen, wenn der Täter unter dem Einfluss starker emotionaler oder triebhafter Regungen stand, sofern er nicht in der Lage war, diese Antriebe gedanklich zu beherrschen und willentlich zu steuern,[178] etwa infolge einer erheblichen Persönlichkeitsstörung.[179] Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Täter sein Vorgehen aufgrund der bekannten Umstände selbst als verwerflich bewertet.[180]
Vertiefungshinweis:
Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die rechtlichen und sittlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen.[181] Deshalb wird das Motiv der sog. Blutrache regelmäßig als niedrig einzustufen sein, wenn allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen oder ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird.[182] Das Bewusstsein niedriger Tatumstände kann allerdings in besonderen Ausnahmefällen fehlen, wenn der aus einem völlig anderen Kulturkreis stammende Täter noch derart stark von den Vorstellungen und Anschauungen seiner Heimat beherrscht wird, dass er sich von ihnen zur Tatzeit aufgrund seiner Persönlichkeit und der gesamten Lebensumstände nicht lösen konnte.[183] Dies wird jedoch meistens zu verneinen sein, wenn er bereits längere Zeit in Deutschland lebt[184] oder sogar dort aufgewachsen ist.[185]
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Bei einem sog. Motivbündel (vgl. Rn. 69) ist der Beweggrund zu ermitteln und hinsichtlich der Niedrigkeit zu beurteilen, der vorherrschend war und der Tat „ihr Gepräge gegeben hat“.[186]
e) Ermöglichungsabsicht
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Nach der 3. Gruppe von Modalitäten (vgl. Rn. 3) begeht schließlich einen Mord, wer einen Menschen tötet, um eine andere Straftat zu ermöglichen (oder zu verdecken; vgl. Rn. 84 f.).
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Wie die subjektive Fassung („um“) zeigt, muss die andere Tat mit der Tötung nur angestrebt, nicht aber tatsächlich begangen werden. Da es somit allein auf die Vorstellung des Täters ankommt, reicht es im Übrigen aus, dass dieser sein beabsichtigtes Verhalten irrtümlich für strafbar hält.[187] Es ist auch hinreichend, dass die Tat eines Dritten ermöglicht werden soll.[188]
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Eine andere Straftat ist jedenfalls gegeben, wenn diese zur Tötung im Verhältnis der Tatmehrheit steht, weil beide Delikte dann durch verschiedene Handlungen begangen sind (§ 53). Jedoch steht auch Tateinheit (§ 52) der Annahme einer anderen Straftat i.S. des § 211 Abs. 2 nur dann zwingend entgegen, wenn beide Tatbestände durch eine identische Handlung verwirklicht werden oder das zweite Delikt lediglich die Vollendung des ersten darstellt,[189] nicht aber, wenn ein Tatbestand erfüllt werden soll, der ein weiteres Rechtsgut (desselben oder eines anderen Tatopfers) schützt.[190]
Beispiel:
A tötet B. Im Anschluss entwendet er B – wie geplant – das Geld. – Bei dieser Fallgestaltung hat A zur Ermöglichung einer anderen Straftat getötet.[191]
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Dieser differenzierende Ansatz ist sachgerecht, weil die Grenzziehung zwischen Mord und Totschlag nicht von den Zufälligkeiten der Konkurrenzregeln abhängen darf,[192] zumal diese über das Ausmaß von Unrecht und Schuld und damit für die Strafzumessung kaum etwas aussagen.
Merke:
Einer kausalen Verknüpfung zwischen dem Tötungs- und dem zu ermöglichenden Delikt bedarf es nicht. Die Tötungshandlung muss vielmehr nur final auf eine andere Straftat ausgerichtet sein (vgl. zur finalen Verknüpfung beim Raub § 39 Rn. 12 ff.).[193]
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Es ist daher für die Annahme der Ermöglichungsabsicht schon ausreichend, dass sich der Täter für die zum Tode führende Handlung entscheidet, weil er glaubt, auf diese Weise die andere Tat schneller oder leichter begehen zu können. Denn das Leben eines anderen wird auch dann in einer die Strafwürdigkeit erhöhenden Weise eingesetzt, wenn seine Vernichtung als taugliches, wenn auch nicht notwendiges Mittel zur Durchführung einer anderen Straftat verwendet wird.[194]
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Daraus folgt zugleich, dass das Vorliegen (nur) bedingten Tötungsvorsatzes grundsätzlich mit Ermöglichungsabsicht vereinbar ist.[195] Anders ist es aber bei einer Fallgestaltung, bei welcher der Täter sein erstrebtes Ziel nicht allein infolge der Tötungshandlung, sondern nur durch den Tod des Opfers erreichen kann.[196]
Beispiel: